Am 1. Februar 2024 läuft die Frist zur proaktiven Tötung von Wölfen ab. Animiert durch eine dem Jagdgesetz in wichtigen Teilen widersprechende Jagdverordnung sind in zwei Monaten rund 50 Wölfe getötet und mindestens zwei ganze Rudel ausgelöscht worden. Die Balance zwischen Arten- und Herdenschutz und einer proaktiven, auf die Vermeidung von grossen Schäden ausgerichteten Wolfsregulierung ist dabei verloren gegangen. Drei Organisationen fordern, dass das Umweltdepartement zu einer sachgerechten Arbeit zurückkehrt.
Die handstreichartig verfügte Jagdverordnung mit willkürlich festgelegten Schwellenwerten und die darauf basierende, flächendeckend bewilligte Eliminierung ganzer Rudel war ein Schnellschuss mit bedenklichen Folgen. Die gesetzlich geschützte Tierart Wolf wurde zum Schädling degradiert und auch weitgehend unauffällige Rudel sollten dezimiert oder gar eliminiert werden. In den letzten zwei Monaten der ersten proaktiven Wolfsregulierung wurden so 50 Wölfe getötet und mindestens zwei Rudel ganz ausgelöscht, schreiben die Gruppe Wolf Schweiz, Pro Natura und der WWF Schweiz in einer gemeinsamen Medienmitteilung
Fakt: Anzahl Risse rückläufig, Herdenschutz wirkt
Dabei zeigt die bis Ende 2023 nachgeführte Rissbilanz, dass der Herdenschutz wirkt. Im Kanton Graubünden gingen die Risse an Nutztieren um fast 50 Prozent zurück, im Kanton Glarus um rund 80 Prozent. Nur fünf der gerissenen Bündner Nutztiere wurden von 23 dafür zum Abschuss freigegebenen Wölfen aus vier Rudeln gerissen. Von 39 gerissenen Nutztieren im Walliser Nanztal waren nur sieben geschützt, obwohl der Herdenschutz als zumutbar eingestuft worden war. Im Gegenzug hätte das ganze Nanztal-Rudel, bestehend aus 5 Tieren, getötet werden sollen. Das sprengt jede Verhältnismässigkeit. Deshalb haben die Naturschutzorganisationen exemplarisch und für besonders widersprüchliche Fälle eine gerichtliche Überprüfung veranlasst. Fakt ist: Nach wie vor erfolgen über 80 Prozent der Risse schweizweit in ungeschützten Schafherden, und rund 80 Prozent der Tierverluste während der Sömmerung sind nicht dem Wolf zuzuschreiben.
Lösung: ausgewogene Jagdverordnung, verhältnismässige Umsetzung
Diese Fakten stehen im krassen Gegensatz zu den Auswüchsen der nun zu Ende gehenden winterlichen Wolfsjagd: Politiker, die sich mit dem Feldzug gegen die geschützten Tiere profilieren, das Nachstellen mittels Köder, Autos und Nachtsichtgeräten, oder der irrtümliche Abschuss eines Herdenschutzhundes. Grotesk auch, dass der Bund ausgerechnet jetzt bei der Finanzierung des bewährten, nationalen Herdenschutzhunde-Programms Verunsicherungen bei allen Akteuren verursacht. Ein kantonaler Flickenteppich, nachteilig für die Tierhalter, wird in Kauf genommen.
Mögliche, grössere Schäden durch Wölfe sollen proaktiv durch Regulierung reduziert werden können. Das ist unbestritten und im Jagd- und Schutzgesetz (JSG) so vorgesehen. Das JSG setzt jedoch Verhältnismässigkeit genauso voraus wie die Achtung des Wolfs als Teil des Ökosystems Wald sowie die weitere Stärkung des Herdenschutzes. In praktisch allen Kantonen wären Wille und Fachkompetenz für eine ausgewogenen Arbeit vorhanden. Zeit also, dass das Umweltdepartement im Rahmen der ordentlichen Vernehmlassung 2024 eine Jagdverordnung aufgleist, die auf Fakten basiert, mit nationalen und internationalen Verpflichtungen zum Artenschutz im Einklang steht und breit abgestützte Lösungen im Umgang mit dem Wolf anbietet.