Werden Strassen regelmässig befahren, ist ihr Abwasser mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen belastet und gilt deshalb als verschmutzt. Im Kanton Zürich macht man seit zehn Jahren in Strassenabwasserbehandlungsanlagen (SABA) gute Erfahrungen mit schilfbewachsenen Sandfiltern.
Dieser Artikel erschien im Journal Zürcher Umweltpraxis (ZUP), Ausgabe 86 vom Dezember 2016.
Verschmutztes Abwasser muss gemäss Gewässerschutzgesetz behandelt werden. Unverschmutztes Abwasser ist nach Möglichkeit zu versickern oder aber, wenn dies die örtlichen Verhältnisse nicht erlauben, in ein Oberflächengewässer einzuleiten. Dabei sind nach Möglichkeit Rückhaltemassnahmen zu treffen. Wie sieht das für Strassenabwasser aus?
Strassenabwasser ist belastet
Abwasser regelmässig befahrener Strassen ist mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen belastet und gilt deshalb als verschmutztes Abwasser. Seit dem Inkrafttreten des Verbots von Bleizusätzen in Treibstoffen ist zwar die Bleibelastung unbedeutend geworden. Belastungen durch Pneu-, Bremsabrieb und Korrosionsrückstände hingegen blieben praktisch unverändert. Gemäss kantonaler Richtlinie Gewässerschutz an Strassen gilt deshalb ab einem durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) von mehr als 5000 Fahrzeugen Strassenabwasser als erhöht belastet. Im Jahr 2002 hat das Bundesamt für Umwelt BAFU in der Wegleitung Gewässerschutz bei der Entwässerung von Verkehrswegen verschiedene Wege zur Behandlung und Rückhaltung – der sogenannten Retention– von Strassenabwasser aufgezeigt.
Schadstoffe zurückhalten
Ausreichend mächtige Bodenschichten sowie feinkörnige Gesteinsschichten vermögen die Schadstoffe von Strassenabwasser zurückzuhalten. In belebten Böden werden ausserdem Kohlenwasserstoffe abgebaut. Da es sich dabei um eine sehr günstige Reinigungsmöglichkeit handelt, wird die Versickerung über den Boden neben der Strasse, die sogenannte Schulter, wenn immer möglich auch bei neuen Strassen eingesetzt.
Eine solche Entwässerung ist jedoch aufgrund eingeschränkter Platzverhältnisse oder ungenügender Sickerähigkeit des Untergrundes nicht immer möglich. In diesen Fällen wird das Abwasser gesammelt und über Leitungen abgeführt. Früher endeten diese Leitungen meist entweder in einem Oberflächengewässer oder in einer Abwasserreinigungsanlage.
Über Einlaufschächte in die Leitungen
Beide Varianten sind aus heutiger Sicht von Nachteil. Bei der Einleitung in ein Oberflächengewässer gelangt die gesamte Schadstofffracht ins Gewässerökosystem. Ausserdem führt der praktisch ungehinderte Ab uss von den versiegelten Flächen bei Regenfällen vor allem in kleinen Fliessgewässern zu einem unnatürlich raschen und grossen Anstieg der Ab ussmenge, was Schäden bei Wasserorganismen verursachen kann. Im Fall der Einleitung in die Schmutzwasserkanalisation gelangt ein Grossteil des Strassenabwassers meist gar nicht bis zur ARA, sondern über eine Hochwasserentlastung ungereinigt ins nächste Oberflächengewässer, da das System bei Niederschlägen aufgrund weiterer Einleitungen schnell überlastet ist.
Das Strassenabwasser behandeln
Die BAFU-Wegleitung aus dem Jahr 2002 empfiehlt den Einsatz von Retentiontionsfilterbecken mit Bodenfilter. Diese weisen, wie bei der beschriebenen Entwässerung über die Schulter, ein ausreichendes Schadstoffrückhaltevermögen auf. Sie haben aber den Nachteil, dass die Sickerfähigkeit auf ein bis zwei Liter pro Minute und Quadratmeter beschränkt ist und dass der Bodenfilter bei ständigem Wasseranfall oder dem Eintrag grösserer Feinpartikelfrachten schnell verstopft (sogenannte Kolmation). Beim Bau der Westumfahrung von Zürich und der Waldeggstrasse in Birmensdorf ZH wurden deshalb neue Lösungen gesucht.
Schilfbewachsene Sandfilter einsetzen
2006 wurde mit der SABA Ristet eine der ersten Strassenabwasserbehandlungsanlagen mit bewachsenem Sandfilter in der Schweiz in Betrieb genommen. In der SABA wird das Strassenabwasser der Waldeggstrasse behandelt. Dies entspricht einer versiegelten Fläche von 1.8 Hektar. Dazu kommen nochmals gleich viele Böschungen sowie 0.4 Hektar Bankett.
Die Anlage besteht aus einem Multifunktionsbecken und einem Retentionsbecken mit Sand-Schilfilter. Im Multifunktionsbecken werden gröbere Partikel (zumeist Sand) abgesetzt und leichte Stoffe mit einer Tauchwand abgetrennt. Ausserdem dient das Multifunktionsbecken als Rückhalteraum bei Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen. Vom Multifunktionsbecken wird das Wasser über ein Verteilbauwerk in zwei Retentions lterbecken eingeleitet.
Die Retentionsfilterbecken sind mit einem Sandfilter von 70 Zentimeter Mächtigkeit ausgestattet. Darunter sind in einer 40 Zentimeter mächtigen Kies- schicht Drainageleitungen eingebaut. Diese führen zum benachbarten Vogelsangbächli, welches als Vor uter dient. Gegen unten ist das Becken mit einer Bentonitmatte abgedichtet. Das Becken ist mit Schilf bepflanzt. Während dem 10-jährigen Betrieb hat sich über dem Sand eine vier bis acht Zentimeter mächtige Schicht von Sedimentablagerungen und Schilfrückständen gebildet. Diese verbessert das Schadstoffrückhaltevermögen des Filters. Das Schilf sowie die Aktivität von Bodenorganismen verhindern, dass die Sedimentauflage eine wasserundurchlässige Schicht bildet.
Während niederschlagsfreien Perioden sind die Becken trocken. Bei stärkeren Niederschlägen steigt der Pegel in den Becken an. Das gestaute Wasser versickert durch den Filter und gelangt so verzögert ins Vogelsangbächli. Dank der gebrochenen Abflussspitze wird der Vor uter weniger stark belastet.
Standardisierter Bauablauf:
Geeigneter Boden ist meist nicht verfügbar, Sand aber schon. Bauen mit Boden ist nur bei trockener Witterung möglich, was häufig zu Verzögerungen führt.
Unterhalt Sandfilter ist einfacher:
Sand lter können gut mit Schilf bepflanzt werden, Boden lter nicht. Schilf muss nicht gemäht werden, das gibt weniger Unterhaltsaufwand. Bodenfilter sind meist mit Gras bewachsen. Dieses muss jährlich gemäht und wegen der Schadstoffbelastung in einer KVA entsorgt werden.
Reinigungsleistung
Sandfilter werden vom belasteten Wasser gleichmässig durchsickert. In Bodenfiltern bilden sich häufig präferentielle Fliesswege, was zu einer geringeren Reinigungsleistung führt.
Wie gründlich reinigt der Sandfilter das Strassenabwasser?
Die SABA Ristet wurde 2006/07, also kurz nach Inbetriebnahme, sowie 2015/16, also neun Jahre später, je einer Funktionskontrolle unterzogen. Die Resultate sind erfreulich. Die Sickerleistung der Filter hat entgegen der Erwartungen nicht abgenommen. Mit rund zehn Litern pro Minute und Quadratmeter liegt sie deutlich über den Erwartungen und rund fünf- bis zehnmal höher als diejenige eines Bodenfilters.
Dies ermöglicht es, platzsparende Filter zu bauen, was vor dem Hintergrund der knapp werdenden Landreserven einen grossen Vorteil darstellt. Berechnungen zeigen, dass die SABA Ristet auch mit der Hälfte der heutigen Fläche funktionieren würde. Die hohe Sickerleistung in Kombination mit der grossen Fläche führt dazu, dass der Abfluss der Drainageleitungen gedrosselt werden muss, um eine Überlastung des Vogelsangbächlis zu vermeiden.
Der Schadstoffrückhalt der SABA wurde durch Messung der der gesamten ungelösten Stoffe (GUS) sowie der Schwermetalle Kupfer und Zink im Zu- und im Ablauf ermittelt. Der gemessene Wirkungsgrad beträgt über 90 Prozent, was der höchsten Reinigungsleistungsklasse gemäss Stand der Technik nach ASTRA entspricht. Die absoluten Konzentrationen im Abfluss entsprechen der höchsten und zweithöchsten Reinigungsklasse.
In den Filterbecken wurden verschiedene Bodenprofile aufgenommen. Ein klarer Farbwechsel im Profil zeigt an, wie weit sich die Schadstofffront im Filter nach unten verlagert hat, die sogenannte Invasionszone (Foto oben). Diese hat sich in den neun Jahren nahe beim Zulauf ins Becken um gut zehn Zentimeter nach unten verlagert. Zulauffern waren es nur wenige Zentimeter. Aufgrund dieser Feststellung kann davon ausgegangen werden, dass der Filter nochmals mindestens 20 Jahre seine Funktion erfüllen wird.
In dicht besiedelten Gebieten oder in unmittelbarer Nähe zu Seen fehlt oft der Platz für den Bau von SABA mit Retentionsfilterbecken. Als Alternative können hier kleine, dezentrale Filter eingesetzt werden, welche in Schächten oder sogar in bestehenden Schlammsammlern Platz finden. Aufgrund der Platzeinsparung entfallen bei solchen Systemen die Kosten für den Landerwerb.
Nachteilig ist die Tatsache, dass jeder einzelne Filterschacht ein- bis zweimal jährlich gespült werden muss und die Filter periodisch ausgewechselt werden müssen. Ausserdem verfügen diese Systeme im Gegensatz zu SABA mit Retentionsfilterbecken nur über sehr kleine Retentionsvolumen.
Zurzeit führen die Tiefbauämter von Stadt und Kanton Zürich Versuche mit verschiedenen Filtertypen durch. Erste Ergebnisse zeigen, dass diese Systeme funktionieren. Die Reinigungsleistung fällt allerdings tiefer aus als bei SABA mit Sand-Schilfiltern.
Bau von SABAs bei Strassensanierungen
Die bestehende Strasseninfrastruktur ist grösstenteils älter als das Gewässerschutzgesetz und die BAFU-Wegleitung. Neue Strassen werden nur noch wenige gebaut. Bei Totalsanierungen und Anpassungen bestehender Strassen wird der Zustand und die Zulässigkeit der Entwässerungssysteme jedoch überprüft und wenn nötig auf den Stand der Technik gebracht. So wurden in den letzten Jahren an der Forchstrasse vier Strassenabwasserbehandlungsanlagen mit Sandfilter und zwei mit Boden lterin Betrieb genommen. Bei der Sanierung der kantonalen Autobahn K10 zwischen Kloten und Bülach ist die Erstellung neuer Entwässerungsleitungen und der Bau von vier neuen SABA – ebenfalls mit schilfbewachsenem Sandfilter – ein sehr wichtiger Projektbestandteil.
Die Strassenabwasserreingungsanlage Chrebsbachknie (siehe ZUP Nr. 6,1995) wurde vom Tiefbauamt für die Nationalstrasse Winterthur-Andel nfigen als Pilotanlage in Absprache mit dem AWEL projektiert und 1996 in Betrieb genommen.
Die SABA besteht aus einem grosszügigen Sedimentationsteich mit einem Kiesfilter im Ufer (Foto oben). Die Uferzonen des Sedimentationsteiches sind mit Schilf bewachsen. Von August 1996 bis Juni 1998 wurden im Auftrag des TBA umfangreiche Funktionskontrollen durchgeführt. In den Folgejahren wurden an der EAWAG Diplom- und Doktorarbeiten mit Bezug zur SABA Chrebsbachknie erarbeitet.
Aufgrund der durchgeführten Messungen hat die SABA Chrebsbachknie einen guten Wirkungsgrad von gegen 90 Prozent. Der Kiesfilter im Ufer des Sedimentationsteiches muss etwa alle fünf Jahre ausgewechselt werden.
Aus heutiger Sicht entspricht die SABA aber nicht mehr dem Stand der Technik. Die Anlage braucht eine relativ grosse Fläche. Im Zuge des Vier-Spurausbaus der Nationalstrasse von Winterthur nach Andel ngen muss das Strassenabwasser von grösseren Strassen ächen behandelt werden. Es ist vorgesehen, den Sedimentationsteich mit Kiesfilter rückzubauen und durch einen mit Schilf bepflanzten Sandfilter zu ersetzen. Dieses System ist platzsparender.