StartNewsGesellschaftBiodiversität: Die Schweiz wird von der EU abgehängt

Biodiversität: Die Schweiz wird von der EU abgehängt

Die Schweiz wird von der OECD kritisiert, da sie zu den Industrieländern mit dem höchsten Anteil an gefährdeten Arten gehört. Sie blockiert den Aufbau des Smaragdnetzwerks und hinkt bei Schutzgebietsflächen den EU-Ländern hinterher. BirdLife Schweiz fordert politische Massnahmen.

In der Schweiz ist der Anteil der Arten, welche gefährdet sind und damit auf der Roten Liste stehen, fast ausnahmslos höher als in allen unseren Nachbarländern, teilt BirdLife Schweiz in einer Medienmitteilung mit. In der Tat gehört die Schweiz zu den Industrieländern mit dem höchsten Anteil an gefährdeten Arten und wurde deshalb auch von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert. Das gilt auch für Länder mit einer höheren Bevölkerungsdichte als die Schweiz. Gleichzeitig ist in der Schweiz der Aufbau des Smaragdnetzwerks seit Jahren blockiert, während die EU-Länder dieses Schutzgebiets-Netzwerk unter dem Namen Natura2000 schon lange aufgebaut haben. Und jetzt macht die EU weiter vorwärts: In den sogenannten Trilogverhandlungen haben die Vertretenden der EU-Kommission, des Ministerrats und des EU-Parlaments die konkrete Ausgestaltung des neuen Renaturierungsgesetzes (EU Restoration Law) beschlossen. Das EU-Parlament muss das Verhandlungsergebnis nochmals absegnen, damit es definitiv in Kraft tritt.

Das Gesetz sieht vor, dass auf 20% der gesamten Landes- und Meeresfläche der EU die Ökosysteme bis 2030 wiederhergestellt werden sollen. Das umfasst 30% der im Gesetz genannten Ökosysteme bzw. Lebensraumtypen. Dieses Ziel ist nicht mit dem internationalen 30%-Schutzgebietsziel zu verwechseln, da es um Wiederherstellung von degradierten oder zerstörten Ökosystemen geht und nicht zwingend um künftige Schutzgebiete. Damit nehmen die EU und ihre Mitgliedstaaten die UN-Dekade der Wiederherstellung von Ökosystemen ebenso auf wie die Ziele des Kunming-Montreal-Zielrahmens für die Biodiversität (GBF). Gewisse Abschwächungen hat das Gesetz in der Diskussion im EU-Parlament im Juli erfahren. Auch die EU wird sich in Zukunft also noch mehr anstrengen müssen, um ihre Biodiversität zu erhalten. Dennoch bleibt das Gesetz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Biodiversität in der Schweiz – scheinbar kein Thema

In der Schweiz, die solche Fortschritte noch viel dringender benötigen würde als die EU-Länder, hingegen herrscht Stillstand. In den letzten 10 Jahren sind kaum nennenswerte neue Schutzgebietsflächen dazugekommen, obwohl wir nur rund 10% Schutzgebietsflächen haben. Für Politik und Behörden scheint die Wiederherstellung von Ökosystemen schlicht kein Thema zu sein. Vielmehr geben sich die Verantwortlichen der Illusion hin, die Schweiz stehe betreffend Schutz der Biodiversität gut da. Die verfügbaren wissenschaftlichen Daten zeigen das Gegenteil auf.

In der Schweiz sind 10% der Landesfläche als Schutzgebiete ausgewiesen. Damit liegt sie weit hinter anderen Staaten.
Bildquelle: https://www.eea.europa.eu/en/analysis/indicators/terrestrial-protected-areas-in-europe?activeAccordion=546a7c35-9188-4d23-94ee-005d97c26f2b

Appell an den Ständerat lanciert

Die EU schützt ihre Biodiversität schon heute besser als die Schweiz – und geht bereits den nächsten Schritt. Damit gerät die Schweiz beim Schutz der Biodiversität immer mehr ins Hintertreffen! Auch die aktuellen Entwicklungen in der Schweiz lassen nicht darauf hoffen, dass die Schweiz in Sachen Biodiversität in Zukunft vorwärts macht. So hat der Ständerat am 30. Oktober zum zweiten Mal den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative abgelehnt (naturschutz.ch berichtete). In der Wintersession hat der neu zusammengesetzte Ständerat nun eine letzte Chance, dies zu korrigieren. Das Komitee der Biodiversitätsinitiative hat deshalb einen Appell an den Ständerat lanciert, damit dieser die Biodiversität – unsere Lebensgrundlage – doch noch rasch und besser schützt.

Jetzt den Appell unterzeichnen – Vielen Dank für Ihre Unterstützung
  

5 Kommentare

  1. Mitschuld der Umweltverbände?
    Seit Jahrzehnten gefallen sich die Schweizer Umweltverbände in einer defensiven, sogenannt «konstruktiven» Haltung. Das wäre grundsätzlich sicher auch richtig und entspräche der Naturtschutz-Philosophie eines Miteinander, wenn, ja wenn die Gegenseite ebenfalls gesprächsbereit wäre. Da gibt es aber leider nur taktische Täuschungen und gebrochene Versprechen. Ganz egal, ob es sich um die weitere Nutzung der Wasserkraft, um einen zweiten Nationalpark, um eine wirkliche Energiewende mit Sparen statt Mehrproduktion oder die Umsetzung beispielsweise des Grundsatzes der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet geht. Sogar internationale Verträge werden von Bundesrat und Parlament leichtfertig gebrochen oder die Verfassung umgangen. Die Stammtischpolitik mit dem Wolf ist nur gerade das aktuell empörendste Beispiel!
    Es wäre also höchste Zeit, die eigenen Strategien der vergangenen Jahrzehnte kritisch zu überdenken. Was in den 1980-er Jahren noch funktioniert hat, bringt uns heute nur noch auf die Verliererseite..
    Mehr Mut zu offensiveren (notabene: nicht aggressiveren) Strategien tät Not!

  2. Ein weiteres Versagen der schweizerischen Naturschutzverbände, vorab WWF und pro natura. Beide haben während Jahren einer SVP , welche eine umwelt- und landschaftszerstörende Bauernschaft hätschelt, tatenlos zugeschaut.
    Mit solchen leisetreterischen Verbänden werden wir noch den letzten Rest an Biodiversität verlieren, dafür werden SVP und der Bauernverband sorgen.
    Es wäre an der Zeit, eine Wende einzugehen und der zerstörerischen Bauernlobby mit anderen Strategien wie bisher entgegenzutreten.

  3. Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Schweiz eine andere Topographie hat, wir z. B. Deutschland, Frankreich oder Italien. Unser Land wird gnadenlos zugebaut. Die Gründe dafür stehen auf einem anderen Blatt!

  4. Es ist einfach nur peinlich, dass wir als einer der reichsten Länder der Welt, zu den schlechtesten Wiederhersteller von Biodiversität sind. Wir sollen für den Ausbau von Autobahnen zahlen, obschon wir ein dichtes Verkehrsnetz schon haben, aber für die Zukunft der Natur, bzw. auch unserer Zukunft wird jeden Rappen umgedreht. Es ist Zeit zu erkennen, dass wir keine Wahl mehr haben, wenn wir uns von eine lebenswürdige Zukunf für Tier, Pflanzen und Menschen wünschen.

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