Die politische Diskussion um den Wolf ist völlig verzerrt und konzentriert sich nur auf die Schäden. Eine Bilanz der Gruppe Wolf Schweiz zeigt nämlich, dass nur ein kleiner Teil der Bündner Wolfsrudel Schäden verursachen.
Im Kanton Graubünden leben neun Wolfsrudel, zwei weitere leben grenzüberschreitend mit anderen Kantonen (Tessin und St. Gallen). Zweidrittel aller Wolfsrudel im Kanton Graubünden verhalten sich völlig unproblematisch. Drei der elf Rudel haben im laufenden Jahr gar keine Nutztiere gerissen und blieben unauffällig (Rudel Vorab, Val Gronda und Calderas). Vier weitere haben nur minimale Konflikte verursacht und dabei höchstens fünf Nutztiere gerissen (Rudel Muchetta, Glattwang, Calanda und Morobbia). Zwei Rudel verursachten zwar grössere Schäden, jedoch fehlte dabei entweder der Herdenschutz (Rudel Moesola) oder es handelte sich um ein einmaliges, ungewöhnliches Ereignis, bei dem der Einfluss des Wolfes unklar bleibt (Absturz von Schafen im Rudelgebiet Stagias). Lediglich zwei Rudel der elf erwiesen sich als derart problematisch, dass eine Regulierung notwendig wurde (Rudel Beverin und Wannaspitz). Dabei ist festzuhalten, dass in allen Rudelgebieten Nutztiere gesömmert werden.
Graubünden zeigt, dass ein Zusammenleben mit dem Wolf möglich ist und auch in einer alpinen Kulturlandschaft der Herdenschutz die Risse an Nutztieren auf ein tragbares Mass begrenzen kann. Nur eine Minderheit der Wölfe respektiert den Herdenschutz nicht und zeigt damit ein unerwünschtes Verhalten.
Angebliche Risse trotz Herdenschutz: Nur ein Teil der Tiere tatsächlich geschützt
Dass der Herdenschutz meist funktioniert, wenn er konsequent umgesetzt wird, zeigen auch Fallbeispiele. So hat der Kanton Graubünden für das neue Wolfsrudel in der Val Lumnezia (Wannaspitz) eine Regulierung verfügt. Das Rudel hat diesen Sommer über 50 Schafe getötet. Nach jedem Angriff vermeldete der Kanton in seinem Wolf-Meldesystem “Schutzmassnahmen vorhanden“ und suggerierte damit, dass die Wölfe den Herdenschutz überwunden hätten. In der vom Kanton publizierten Regulierungsverfügung werden jedoch nur 20 der 50 getöteten Schafe angeführt. Die Analyse dieser 20 getöteten Schafe zeigt, dass sich lediglich zehn davon innerhalb von anerkannten Herdenschutzzäunen oder im Einflussbereich von Herdenschutzhunden befanden. Bei den übrigen Rissen waren die geforderten Massnahmen nicht erfüllt, da die Herden zu weit verstreut waren. Die Schadenschwelle für die Regulierung wird damit nur knapp erreicht. Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass Herdenschutzmassnahmen insgesamt gut wirken und die Massnahmen meist nur dann versagen, wenn die Herdenführung nicht ausreichen konsequent ist.