Während die Welt mit der Klima- und der Biodiversitätskrise ringt, verabschiedet sich das Schweizer Bundesparlament vom Artenschutz. Was mit einer erleichterten Wolfsregulierung begann, schiesst nun weit über diese hinaus und trifft den Artenschutz in seinen Grundfesten. Pro Natura, WWF Schweiz, BirdLife Schweiz, Gruppe Wolf Schweiz sowie zooschweiz lancieren deshalb heute, am 8. Oktober, das Referendum gegen dieses missratene Gesetz.
Als eine der letzten Taten dieser Legislatur verabschiedete das Bundesparlament das revidierte «Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz einheimischer Säugetiere und Vögel» (JSG). Dazu berichtet Urs Leugger-Eggimann, Zentralsekretär von Pro Natura und Präsident des Trägervereins für das Referendum in einer gemeinsamen Medienmitteilung der Organisationen: «Mit der aus unserer Sicht klar verfassungswidrigen Verschiebung von Kompetenzen vom Bund zu den Kantonen, Abschüssen auf Vorrat und einer Liste regulierbarer Arten, die der Bundesrat am Parlament vorbei beliebig ergänzen kann, hebelt das missratene Gesetz den Artenschutz aus.»
Schweiz belegt Spitzenplatz bei den bedrohten Arten
Eine hohe Artenvielfalt stabilisiert Ökosysteme, die in Zukunft durch den Klimawandel noch stärker unter Druck kommen werden. Das neue Jagd- und Schutzgesetz wäre eine gute Gelegenheit gewesen, etwas für die Biodiversität zu unternehmen. Statt Tierarten besser zu schützen, dürfen geschützte Arten neu sogar auf Vorrat abgeschossen werden – einfach, weil sie da sind.
«Jede dritte Art in der Schweiz ist bedroht», erklärt Océane Dayer, Verantwortliche Politik beim WWF Schweiz. «Damit belegen wir unter den 36 OECD-Ländern den unrühmlichen Spitzenplatz.»
Anna Baumann, Direktorin des Tierparks Goldau und Präsidentin von zooschweiz, unterstreicht die Wichtigkeit des Artenschutzes auch im internationalen Kontext. Der Schutz der Artenvielfalt kann nur grenzübergreifend erfolgreich sein. Auch deshalb meint Baumann: «Als Dachverband der wissenschaftlich geführten Zoos in der Schweiz sind wir überzeugt, dass dieses missratene Gesetz für die Mehrheit unserer Zoobesucher unerträglich ist.»
Rechtlich fragwürdig, im Parlament ein «Chnorz»
Die Bundesverfassung überträgt dem Bund im Bereich Artenschutz nicht nur eine Befugnis zur Gesetzgebung, sondern auch die Verantwortung. Für David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, ist das eine der grossen Schwächen der Revision: «Die Verantwortung des Bundes wird an die Kantone übertragen. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen von Artenschutz droht dadurch kantonaler Wildwuchs.» Werner Müller, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz, erinnert daran, dass das geltende JSG im Jahr 1986 im Nationalrat einstimmig und im Ständerat mit nur zwei Gegenstimmen angenommen worden war. «Das bestehende JSG stellt einen echten Kompromiss zwischen Jagd und Schutz dar. Ganz im Gegensatz zum missratenen neuen Gesetz. Das Hin und Her bei der aktuellen Revision war ein ‹Chnorz›, welcher das JSG weit vom Schutzaspekt entfernt hat.» Was mit der Motion Engler zur erleichterten Regulierung des Wolfs angestossen wurde, hat der Bundesrat mit nicht weniger als 23 Änderungspunkten in die Vernehmlassung geschickt. Wer vom neuen JSG profitieren soll, ist schleierhaft. «Sicher nicht die Jagd, die praktisch nichts von der Revision hat», meint Müller, «Und die Natur schon gar nicht.»
Zurück auf Feld eins
Die klaren Linien und klugen Kompromisse, aufgrund derer das ursprüngliche JSG breite Zustimmung bei Jägern, Landwirten, Jagdverwaltern, Naturschützern und überhaupt bei der Bevölkerung gefunden hatte, wurden mit der Revision zerstört. Die Bestimmungen der Motion Engler könnten nach der Ablehnung der Vorlage in einer Volksabstimmung mit einer kleinen Revision rasch eingeführt werden. «Danach kann der Bundesrat den Handlungsbedarf in allen Punkten sauber abklären und auch die Chancen für Verbesserungen der Biodiversität wahrnehmen», fasst Leugger-Eggimann die klare Notwendigkeit eines Referendums zusammen. «Das missratene JSG schwächt den Artenschutz, statt ihn zu stärken – deshalb heisst es: Zurück auf Feld eins.»
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