Am Neuenburgersee kam es diesen Sommer zu einer kleinen Sensation: Erstmals versuchte hier ein Pärchen Küstenseeschwalben seine Jungen aufzuziehen. Obwohl der grazile Meeresvogel auf dem Zug extreme Distanzen zurücklegt, wird er nur selten in der Schweiz beobachtet. Es ist die 221. Vogelart, die in unserem Land gebrütet hat.
Die Küstenseeschwalbe brütet in der Arktis und verbringt den Winter in der Antarktis. Deshalb legt sie jährlich bis zu 80’000 km zurück. Weil die Vögel bis zu 30 Jahre alt werden, kann sich die während des gesamten Lebens zurückgelegte Distanz auf 2,4 Mio. Kilometer belaufen – das entspricht einer Strecke dreimal von der Erde zum Mond und zurück! Der rund 100 Gramm schwere Meeresvogel verirrt sich dabei nur selten ins Binnenland. So wird er in der Schweiz auch lediglich ein- bis zweimal jährlich beobachtet.
Umso grösser war das Erstaunen, als der Vogelwarte Sempach Anfang Juni gemeldet wurde, dass im Chablais de Cudrefin VD ein Pärchen Küstenseeschwalben zwei Eier bebrütete. Lokale Ornithologen hatten die Vögel auf einer Sandbank in diesem Naturschutzgebiet am Südufer des Neuenburgersees entdeckt. Leider wurden ein erstes und zweites Gelege Opfer des Wellengangs. Beim dritten Versuch hingegen schien es zu klappen: Die Küstenseeschwalben hatten die Eier diesmal auf ein Plattform gelegt, die ihrer Schweizer Verwandten, der Flussseeschwalbe, als Nistplatz dient. Doch aus unbekannten Gründen verliessen die Altvögel diesen Ort Ende Juli, noch bevor die ersten Jungen geschlüpft waren.
Dennoch sorgt das Ereignis europaweit für Aufsehen, denn eine Brut dieser Art so weitab der Küsten ist sehr aussergewöhnlich. «Niemand hätte es für möglich gehalten, dass ein so seltener Gastvogel plötzlich einen Brutversuch unternimmt», sagt Michel Antoniazza von der Association Grande Cariçaie, welche die Naturschutzgebiete am Südufer des Neuenburgersees betreut. «Schon letztes Jahr brütete hier der Silberreiher erstmals in der Schweiz. Dass sich hier auch die Küstenseeschwalbe so wohlfühlt, dass sie zu brüten beginnt, zeigt, wie wichtig die Grande Cariçaie für die Vögel ist.»
Vielleicht verging ihnen die Lust am Brutgeschäft ganz einfach wegen der vielen Voyeure, Paparazzi und Fotojäger!