Ob Singschwäne aus Lettland oder Lachmöwen aus Polen und Tschechien: Fast eine halbe Million Wasservögel verbringen ihren Winter in der Schweiz, die meisten sind Gäste aus nördlichen und östlichen Gebieten. Auch der «Vogel des Jahres» beehrt uns mit seinem Besuch. Derzeit kann man sie an den Seen gut beobachten. Allerdings nimmt die Zahl der überwinternden Wasservögel aufgrund von Klimawandel, Lebensraumverlust und Störungen laufend ab.
Knapp eine halbe Million Wasservögel überwintert derzeit in der Schweiz, schreibt BirdLife Schweiz in einer Medienmitteilung. Sie stammen teils von weit her, meist aus dem Norden oder dem Osten, und finden bei uns auf den offenen Seen genug Nahrung. In besonders grosser Zahl besuchen uns die schwarz-weissen Reiherenten: Rund 100’000 dieser kleinen Tauchenten tauchen jedes Jahr auf; vor 30 Jahren waren es gar noch 200’000. Gründe für den Rückgang sind vielgestaltig: Weil die Winter immer milder werden, können die Vögel immer weiter im Norden bleiben, um ganzjährig offene Seen zu finden. Durch die Zerstörung ihrer Lebensräume nehmen gleichzeitig viele Wasservögel in ihren weltweiten oder europaweiten Beständen ab. Studien in der Schweiz haben zudem gezeigt, dass wichtige Rast- und Überwinterungsgebiete bisher zu wenig gut geschützt werden. Durch häufige Störungen werden diese überdies ökologisch abgewertet. Das Potenzial für Lebensraumaufwertungen wird bisher viel zu wenig genutzt, obwohl sich die Schweiz zum Schutz dieser Gebiete verpflichtet hat.
Krickenten wiederum sind die kleinsten Enten Europas. Den Namen erhalten haben sie aufgrund ihres «Krrik»-Rufes. Löffelenten tragen ihren riesigen Schnabel nicht zu unserer Belustigung, sondern weil sie ausgeprägte Nahrungsspezialisten sind: Dank dichten Lamellen auf den Schnabelseiten können sie das Wasser durchseihen und kleinste Partikel aus dem Wasser herausfiltern. Schnatterenten, die mit der weiblichen Stockente verwechselt werden können, stammen ursprünglich aus den Steppengebieten Asiens. Sie leben zur Hauptsache von Wasserpflanzen, die sie oft und gerne anderen Arten abjagen.
Die Kolbenente wiederum wirkt mit dem orangen Kopf und dem leuchtroten Schnabel ganz schön exotisch. Durch ihre Anpassungsfähigkeit und die Erholung der Wasserpflanzenbestände durch bessere Wasserqualität sieht man sie seit den 90ern immer häufiger in der Schweiz. So kann man ihr mitten in Luzern oder Zürich begegnen, wenn sie Brotschnäppchen zu ergattern versucht. Das Füttern von Wasservögeln ist allerdings keine gute Idee und auch vielerorts verboten. Erstens ist Brot keine artgerechte Nahrung und zweitens können sich die Vögel an den Nahrungsplätzen leicht mit Krankheiten anstecken, so auch mit der Vogelgrippe.
Gerade im Winter ist auch der sonst heimliche Vogel des Jahres 2024, der Zwergtaucher, gut zu beobachten. Immer wieder fällt er mit seinem lautstarken Trillern auf. Nicht selten sind die kleinen Federbälle jetzt sogar in kleineren Gruppen unterwegs und tauchen zusammen nach Nahrung. Es lohnt sich also, einen kleinen Winterspaziergang an unseren Gewässern zu unternehmen und den Feldstecher mit dabei zu haben.
Schweiz eignet sich nur als Winterquartier
Interessant ist, dass die meisten Entenarten in der Schweiz in grosser Zahl überwintern, aber nicht oder nur in sehr geringer Zahl brüten. Was ist der Grund? Im Winter benötigen Enten grössere Seen, die nicht zufrieren. Im Sommerhalbjahr hingegen brauchen sie flache Gewässer mit möglichst vielen Inseln oder Feuchtgebieten am Ufer. Solche Habitate wurden in der Schweiz seit 1850 weitgehend zerstört. Um solche wertvollen Feuchtgebiete wiederherzustellen, ist der rasche Aufbau der Ökologischen Infrastruktur vordringlich. Zur Sicherung der bestehenden wertvollen Gebiete ist eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Fläche dieser Lebensräume nötig, um deren Artenvielfalt und Ökosystemleistungen langfristig zu erhalten. Zusätzlich zu ausgedehnten Feuchtgebieten und Mooren braucht es Weiher und temporär überschwemmte Flächen. Diese Ökosysteme sind nicht nur für zahlreiche Tier-, Pilz- und Pflanzenarten von grosser Bedeutung, sondern erbringen zusätzlich lebenswichtige Ökosystemleistungen für uns Menschen: Moore speichern grosse Mengen CO2, Feuchtgebiete wirken als Puffer bei Starkniederschlägen und reduzieren so Überschwemmungen.