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Zum Wohl der Vögel Rücksicht nehmen

Vögel zu beobachten ist faszinierend, und sie zu fotografieren wird zu einer immer weiter verbreiteten Freizeitbeschäftigung. Je mehr Leute in der Natur unterwegs sind, desto wichtiger ist es, dass sich alle verantwortungsvoll verhalten. Das Wohl der Vögel und die Erhaltung der Natur kommen immer an erster Stelle. Deshalb haben BirdLife Schweiz und die Vogelwarte Sempach einen Verhaltenskodex formuliert, der auch als Merkblatt erhältlich ist.

Artikel aus dem Magazin «ornis». Geschrieben von Werner Müller, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz

Immer mehr Menschen haben Freude daran, Vögel zu beobachten und auch zu fotografieren. Das ist erfreulich. Die Kehrseite der Medaille: Wir alle, die wir gern in der Natur unterwegs sind, manchmal auch abseits der Wege, können Vögel stören. Bei empfindlichen Vogelarten können solche Störungen Stress auslösen oder sogar das Überleben gefährden. BirdLife Schweiz und die Vogelwarte Sempach haben sich deshalb intensiv damit auseinandergesetzt, wie sich das Verhalten des Menschen in der Natur auf die Vögel auswirkt und wie sich Störungen minimieren lassen. Ihre Empfehlungen sind nun in einen Verhaltenskodex und ein neues Merkblatt eingeflossen. Wer sich an diese Empfehlungen hält, hilft mit, die Vogelwelt zu schonen – und kann sich erst noch länger an den Naturbeobachtungen erfreuen.

Wenn sich der Vogel lang macht

Vögel sind nicht erst dann gestört, wenn sie wegfliegen. Vielmehr beginnt die Störung damit, dass die Tiere ihr natürliches Verhalten unterbrechen. So hört ein nahrungssuchender Vogel mit Fressen auf, blickt aufmerksam um sich. Dadurch kann wichtige Zeit zur Nahrungsaufnahme fehlen. Oft macht er sich dünn und lang. Das sind alles Verhaltensänderungen, die jenen sofort auffallen, die bereit sind, auf solche Signale zu achten.

Besonders gravierend sind Störungen während des Brutgeschäfts. Dieses beginnt bereits bei der Revierbesetzung und Paarbildung. Wenn Störungen schon den Start des Brutgeschäftes verhindern, ist das für die Fortpflanzung ebenso schlecht wie später Störungen am Nest. Nach dem Ausfliegen der Jungvögel dann ist die Bindung der Elterntiere an die Jungen so gross, dass sie in einem gewissen Mass auch bei Störungen füttern. Das heisst aber nicht, dass Störungen in der Fütterungsphase weniger gravierend wären als vorher.

Die Kampfläufer sollten beim Beobachten nicht gestört werden.
Zuerst suchen die Kampfläufer eifrig nach Nahrung (links). Dann aber schauen sie plötzlich sehr aufmerksam umher (rechts). Das deutet auf Störung hin. Jetzt gilt es als Beobachter sofort Distanz zu schaffen, damit sie nicht wegfliegen, sondern ungestört weiter nach Nahrung suchen können. © BirdLife Schweiz, ornis

Empfindlichkeit variiert

Manchmal hat man als Beobachter das Gefühl, es seien gar keine Vögel präsent, also könne man auch nicht stören. Oft heisst das aber nur, dass die Vögel bereits zuvor verscheucht wurden – oder dass sensiblere Arten das Gebiet aufgrund von regelmässigen Störungen gar nicht mehr nutzen können.

Störungen wirken auch nicht immer gleich. Es gibt Arten, die besonders sensibel sind. Das Auerhuhn als äusserst empfindliche Art ist nur eine davon. Auch innerhalb der Arten gibt es Unterschiede. Die einen Individuen lassen Menschen recht nahe herankommen. Andere sind schon auf grosse Distanz gestört. Den Schutz vor Störungen nur auf die wenig sensiblen Individuen auszurichten, wäre freilich falsch. Damit würde möglicherweise mittelfristig eine Selektion in diese Richtung bewirkt. Doch wenig aufmerksame Vögel, die auch bei grosser Gefahr nicht mehr fliehen oder dies viel zu spät tun, sind vielen zusätzlichen Gefahren ausgesetzt.

Starke Unterschiede gibt es auch zwischen unterschiedlichen Populationen – und zwischen verschiedenen Stadien des Lebenszyklus. Tiere, die nicht bejagt werden, reagieren meist deutlich weniger stark auf Störungen als Tiere, die bejagt werden. Das sind alles Gesichtspunkte, die eine Naturliebhaberin und ein Vogelbeobachter berücksichtigen müssen. Sie sind im Verhaltenskodex von BirdLife Schweiz und der Vogelwarte aufgenommen.

Eine Rolle spielt auch der Vorbildcharakter der Vogelbeobachter und Fotografen für die ganze Bevölkerung. Wie sollen wir Badende davon überzeugen, dass ein wichtiger Uferabschnitt eines Gewässers störungsfrei bleiben muss, wenn wir selber die Tiere stören? Dass wir uns an die Regeln und Empfehlungen halten, ist selbstverständlich – und wir müssen es sogar speziell vorbildlich tun!

Verantwortungsvoll beobachten

Mit den heutigen Hilfsmitteln lassen sich Vögel auch aus der Distanz leicht beobachten. Viele Einrichtungen sind zudem speziell für ein störungsfreies Beobachten und Fotografieren vorbereitet. Plattformen und Türme mit Sichtschutz, Hides mit gedecktem Zugang und andere störungsarme Beobachtungsmöglichkeiten zeigen: Es gibt keinen Grund, Vögel zu stören. Nicht einmal ein gutes Foto, das zum Begeistern der Leute für die Natur eingesetzt werden kann, rechtfertigt Störungen. Im Übrigen gibt es diese Bilder wohl alle schon, und viele sind frei nutzbar.

Mit der Beachtung der von Bird- Life Schweiz und der Vogelwarte vorgeschlagenen Verhaltensregeln gelingt es, Rücksicht auf die Vögel zu nehmen und die An- liegen des Vogel- und Naturschutzes zu unterstützen. BirdLife Schweiz und die Vogelwarte bitten Sie, sich nach Möglichkeit in jeder Rolle für den Schutz der Vögel, der Biodiversität, der Natur und der Umwelt einzusetzen: als Naturbeobachtende, als Erholungssuchende und als Konsumierende wie auch als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.

Verhaltenskodex

  • Beim Beobachten und Fotografieren von Vögeln haben deren Schutz wie auch der Schutz der Lebensräume mit den darin lebenden Tier- und Pflanzenarten absoluten Vorrang.
  • Es ist selbstverständlich, dass alle Naturschutzvorschriften genau eingehalten und Betret- und Fahrverbote strikt beachtet werden.
  • Bleiben Sie auf den Wegen und respektieren Sie die Rechte der Grundbesitzerinnen und -besitzer sowie der Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter.
  • Vögel sollen nicht gestört werden. Halten Sie genügend grosse Distanz ein und beachten Sie, dass Vögel oft bereits lange, bevor sie auffliegen, in ihrem Verhalten, bei der Nahrungssuche oder der Brut gestört sind.
  • Vögel am Nest oder in dessen Nähe sind besonders anfällig für Störungen und reagieren manchmal gar mit der Aufgabe ihrer Brut. Brütende und fütternde Vögel am Nest dürfen nicht gestört werden. Wenn Vögel Warnrufe von sich geben oder aufgeregt sind, befinden Sie sich wahrscheinlich zu nahe bei einem Nest oder bei Jungvögeln. Von Vogelfotografie am Nest wird ausdrücklich abgeraten.
  • Stören Sie die Vögel nicht, indem sie Rufe und Vogelgesang nachmachen oder abspielen. Das Vorgaukeln eines starken Konkurrenten oder einer Gefahrenquelle führt bei Vögeln insbesondere während der Brutzeit zu unnötigem Stress. Vermeiden Sie auch Lärm.
  • Besonders gravierend sind Störungen im Winter, wenn die Vögel haushälterisch mit ihren Energiereserven umgehen müssen. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass Vögel zum kräftezehrenden Auffliegen gezwungen oder von der Nahrungssuche abgehalten werden.
  • In vielen Schutzgebieten gibt es öffentliche Hides, aus denen Sie Vögel ohne zu stören in ihren natürlichen Lebensräumen beobachten und fotografieren können.
  • Verzichten Sie beim Fotografieren auf Blitzlicht, um Vögel nicht zu beeinträchtigen.
  • Seien Sie anderen mit Ihrem verantwortungsvollen Verhalten ein Vorbild. Weisen Sie andere Personen höflich auf ein allfälliges Fehlverhalten hin.
  • Verhalten Sie sich auf Reisen und in den Ferien gegenüber den Vögeln und der Natur genauso respektvoll wie zu Hause.

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