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Niederhelfenschwiler Beeriapfel ist Obstsorte des Jahres

Mal fast in Vergessenheit geraten, dann wieder geschätzt und gefördert: Der Niederhelfenschwiler Beeriapfel hat eine wechselvolle Geschichte, die bald rund 200 Jahre alt ist. Nun hat Fructus, die Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, diesen Apfel aus dem Kanton St. Gallen zur Schweizer Obstsorte des Jahres 2022 ernannt.

Gemäss mündlicher Überlieferung soll vor etwa 200 Jahren ein wildes Apfelbäumchen von einem Bauern aus Niederhelfenschwil am Waldrand ausgegraben und in den Obstgarten gepflanzt worden sein. Die Äpfel, die später daran reiften, schmeckten dem Besitzer und seiner Nachbarschaft so gut, dass bald in der ganzen Region Bäume mit Beeriäpfeln standen. Den Namen erhielt der Apfel wegen seines erdbeerfarbigen Äusseren, schreibt Fructus in einer Medienmitteilung.

Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Kanton St. Gallen der Obstbau gefördert. Die Bereinigung der vorherrschenden Obstsortenvielfalt galt als besonders wichtig und wurde mit grossem Aufwand vorangetrieben. «Geringe und unpassende Sorten» sollten reduziert und an deren Stelle nur noch wenige «vorzügliche» Sorten angebaut werden. Der Niederhelfenschwiler Beeriapfel erscheint bis in die Zwanzigerjahre auf keiner der laufend angepassten Listen förderungswürdiger Sorten.

Der Grund dafür? Wohl, dass der Beeriapfelbaum eher schwach und eigensinnig wächst. Er neigt dazu, abwechselnd an einzelnen Ästen Früchte zu tragen und reagiert empfindlich auf zu starken Schnitt. Sein Blattwerk ist jedoch robust und wenig anfällig für Pilzkrankheiten. Damit eignet er sich gut für den extensiven Feldobstbau.

Reife Beeriäpfel fallen zuerst durch ihre schöne Färbung und den intensiven Duft auf. Sie sind klein, kugel- bis kegelförmig und von grüngelber Grund- und rot bis dunkelroter Deckfarbe. Das Fruchtfleisch ist fest, saftig und hat ein intensives Aroma. In den ersten Wochen nach der Ernte ist der Beeriapfel ein fruchtig spritziger Tafelapfel, der sich gut lagern und in der Küche verarbeiten lässt. Das Fruchtfleisch bleibt dabei fest und erhält, wenn es mit der Schale gekocht wird, eine zartrosa Farbe. Dass der Beeriapfel auch ein ausgezeichneter Mostapfel ist, wurde erst mit dem Aufkommen der Süssmostproduktion entdeckt. In den Dreissigerjahren wurden Umpfropfungen mit dem Beeriapfel sogar mit Beiträgen der eidgenössische Alkoholverwaltung bedacht. Lokale Mostereien interessierten sich für den aromatischen Apfel und kauften ihn den Produzenten während Jahrzehnten sortenrein und zu einem besseren Preis ab. Trotzdem blieb der Beeriapfel eine regionale Sorte und wurde mit der Zeit von ertragreicheren Varietäten verdrängt.

Mitte der Neunzigerjahre wurde der Verein Naturschutz Niederhelfenschwil-Zuzwil auf das langsame Verschwinden der ortseigenen Sorte aufmerksam. Der Verein suchte nach Standorten für junge Beeriapfelbäume und war dabei so erfolgreich, dass 140 hochstämmige Jungbäume abgegeben werden konnten. Einige Jahre danach finanzierte die Gemeinde Niederhelfenschwil die Virusfreimachung der Sorte, um eine reguläre Jungbaum-Produktion in den Baumschulen zu ermöglichen und die Qualität der Jungpflanzen sicherzustellen. Dank dieser Aktion sind nun seit 2017 in verschiedenen Schweizer Baumschulen zertifizierte Beeriapfelbäume erhältlich. In den Beschreibungs- und Nutzungsprojekten, die von Fructus und Agroscope zu alten Obstsorten durchgeführt werden, machte der Beeriapfel mit guten Resultaten bei Baumgesundheit, Frucht- und Saftqualität auf sich aufmerksam. Er wurde als förderungswürdige Sorte bezeichnet und 2020 ins Fructus-Projekt Promotion von Obstgenressourcen aufgenommen. Gemeinsam mit der Gemeinde Niederhelfenschwil organisierte Fructus die lokale Verarbeitung und Vermarktung der Beeriäpfel. Das Resultat dieser Zusammenarbeit ist ein feiner, sortenreiner Beeriapfelsaft, der in der Region als Spezialität in die Läden kommt und bald auch als vergorene Variante erhältlich sein wird.

www.fructus.ch

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