Die Schweizer Obstsorte des Jahres 2020 ist gewählt: Die Schweizer Bratbirne, die man auch unter den Namen «Imbeli», «Klausbire» oder «Chugelbire» kennt. Die fast ausgestorbene Birnensorte soll am rechten Zürichseeufer entstanden sein, deren Frucht im 19. Jahrhundert als beliebtes Speiseobst galt. Die «Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten» (FRUCTUS) macht die Schweizer Bratbirne zur Gewinnerin, um deren Erhalt und Verbreitung in der Schweiz zu fördern.
Salat ersetzt gekochtes Obst
Bevor die moderne Ernährungslehre Salate und konserviertes Gemüse entdeckte, wurde zu fast jeder Mahlzeit Obst in gekochter Form gereicht. Beeren, Kirschen, Zwetschgen, Äpfel und Birnen wurden auf vielfältige Weise haltbar gemacht und später in Mahlzeiten weiterverarbeitet. Die Wahl der richtigen Sorten war dabei zentral, die Präferenzen jedoch von Region zu Region unterschiedlich. In den Hochstammobstgärten wurden deshalb nicht nur Tafel- und Mostobstsorten angebaut, sondern auch ein breites Sortiment für die Verarbeitung in der Küche.
Der Siegeszug des Gemüses war durchschlagend und verdrängte gekochte Apfelschnitze, Kompotte und andere Obstspeisen vom Esstisch. Für die einst geschätzten Spezialsorten mit Namen wie «Spitzwissiker», «Zuckerbirne» oder «Schöne von Einigen» gab es kaum noch Verwendung und die meisten Bäume mit so genannten Küchensorten wurden gefällt. Diese Sortenbereinigung hat die Schweizer Bratbirne nur mit Glück überlebt.
Die kleine Unscheinbare vom rechten Zürichseeufer
Gemäss historischen Überlieferungen soll die Schweizer Bratbirne am rechten Ufer des Zürichsees entstanden sein und war hier und im übrigen Kanton Zürich ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitet. Einige ältere Bäuerinnen und Landwirte erinnern sich noch an die Birne, die «Chugelibire» oder «Klausbire» genannt wurde.
Im Rahmen der Inventarisierung der Obst- und Beerensorten in der Schweiz von 2000 bis 2005 wurde die Schweizer Bratbirne erfasst. Gleichzeitig wurde im Fricktal eine Birne unter dem Namen «Imberwurzen» inventarisiert. Beide Sorten wurden als erhaltungswürdig eingestuft und stehen heute in verschiedenen nationalen Sortensammlungen. Molekulargenetische Analysen haben später gezeigt, dass es sich bei diesen Sorten um ein und dieselbe handelt. In den historischen Werken tauchte jedoch bis jetzt weder ein Hinweis auf den Namen Imberwurzen noch auf die Verbreitung der Schweizer Bratbirne in der Nordwestschweiz auf.
Umso grösser die Freude über die Mitteilung, dass sich die gleiche Birne unter dem reizenden Namen «Imbeli» in Magden AG grosser Beliebtheit erfreut. Hier stehen nicht nur einige alte und jungen Bäume, es gibt auch eine regen Nachfrage nach den Früchten. Weitere Hinweise der Nordwestschweiz lassen vermuten, dass hier verstreut noch weitere Bäume stehen.
Ausgezeichnete kulinarische Eigenschaften
Die kulinarische Qualität offenbart sich erst, wenn die Schweizer Bratbirne gebraten, gebacken oder gegart wird. Im Vergleich mit anderen Birnensorten überrascht sie mit einem auffallend kräftigen Aroma und einer angenehm festen, aber feinen Textur. Die ausgewogene Säure, das feine Gewürz sowie eine typische Karamellnote, die beim Kochen entsteht, runden den Geschmack wunderbar ab. Klassischen Birnen-Rezepten verleiht sie ein ausgeprägtes Aroma und sorgt auf dem winterlichen Teller oder als Dessertbirne für Begeisterung.
Die Schweizer Bratbirne ist ein altes Kulturgut, das einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leistet. Der Baum ist robust, stellt keine besonderen Ansprüche und eignet sich deshalb auch für den Anbau in höheren Lagen. Mit der Pflanzung von Jungbäumen in verschiedenen Gemeinden der Region Zürichsee soll die Schweizer Bratbirne zurück in ihre Ursprungsregion. Die Ernennung zur Schweizer Obstsorte des Jahres 2020 soll dazu einladen, die delikate Birne und andere Obstsorten für die Küche wieder zu entdecken.