StartNewsForschungDer Frühling wird leiser

Der Frühling wird leiser

Naturgeräusche, insbesondere Vogelgesang, sind wichtig für unsere Verbindung zur Natur. Doch durch veränderte Landnutzung und Klimawandel nimmt die Zahl der Vögel ab. Wie hat sich dies auf unsere Klanglandschaften, also den im Hintergrund immer präsenten Vogelgesang, ausgewirkt?

Ein internationales Forschungsteam, an dem auch die Universität Göttingen beteiligt ist, kombinierte Daten aus Vogelmonitoring-Programmen mit Tonaufnahmen einzelner Arten in freier Wildbahn, die durch Bürgerinnen und Bürger gemacht wurden. Die Studie zeigt, dass sich die Geräusche des Frühlings verändern: Das Vogelkonzert wird in Nordamerika und Europa leiser und weniger abwechslungsreich.

Die Forscherinnen und Forscher kombinierten Daten aus Langzeitprogrammen, die Veränderungen in der Häufigkeit von Vogelarten überwachen, mit Aufnahmen von über 1’000 Arten aus Xeno Canto, einer Online-Datenbank für Vogelrufe und -gesänge. So konnten sie Klanglandschaften von mehr als 200’000 Aufnahmeflächen in den vergangenen 25 Jahren erstellen. Sie charakterisierten die Klanglandschaften anhand verschiedener Indizes. Diese Indizes geben wieder, wie komplex, variabel und intensiv die Klanglandschaft ist – dies wird gesteuert von der Anzahl der vorhandenen Arten, ihrer Häufigkeit, aber auch den stimmlichen Eigenschaften einzelner Arten. Änderungen in der Artenzusammensetzung über mehrere Jahre haben daher auch Änderungen im Klangbild zur Folge.

Das Team der Abteilung für Naturschutzbiologie der Universität Göttingen arbeitete dabei eng mit dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) zusammen, welcher die Millionen Datensätze zur Verfügung stellte. Der DDA ist ein Zusammenschluss vogelkundlicher Vereinigungen in Deutschland, der bundesweite Citizen-Science-Programme koordiniert. Dazu gehört auch das Monitoring häufiger Brutvogelarten, bei der jedes Jahr Freiwillige an 1’700 Orten zwischen Nordseeküste und Alpen Daten über Vogelarten sammeln, und aus dem Daten die für die hier vorgestellte Studie stammen. Das Forschungsteam der Universität brachte für die Studie sein analytisches Fachwissen zu den veränderten Vogelpopulationen ein.

Prof. Dr. Johannes Kamp, Leiter der Abteilung Naturschutzbiologie an der Universität Göttingen, erklärt: «Die akustische Vielfalt und Intensität der natürlichen Klanglandschaften scheint in ganz Europa abzunehmen. In Deutschland haben wir zum Beispiel grosse Populationen von Arten mit charakteristischen Stimmen verloren, zum Beispiel Feldlerche und Kiebitz. Das sind Klänge, die das Erleben des Frühlings in der Landschaft ausmachen. Vor allem die Agrarlandschaften sind viel ruhiger geworden.» Dort, wo insgesamt weniger Vögel geblieben sind oder der Artenreichtum abgenommen hat, nimmt auch die akustische Vielfalt und Intensität ab. Auch eine veränderte Zusammensetzung der Vogelgemeinschaft oder die Art und Weise, wie sich die Stimmen der einzelnen Arten ergänzen, beeinflussen die Klanglandschaft.

Sven Trautmann, Koordinator des Monitorings häufiger Vögel beim DDA, ergänzt: «Wir müssen den Rückgang der Vogelpopulationen stoppen. Die heutigen verarmten Klanglandschaften werden von der jüngeren Generation bereits als normal empfunden. Wir können nicht zulassen, dass sich die Situation weiter verschlechtert, sonst drohen negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit.»

Originalpublikation

Morrison CA et al. ‘Bird population declines and species turnover are changing the acoustic properties of spring soundscapes’. Nature Communications 2021 (online). DOI: 10.1038/s41467-021-26488-1, Online access: https://www.nature.com/articles/s41467-021-26488-1

3 Kommentare

  1. Eine fürwahr fatale Entwicklung. Die Ursachen sind nicht leicht abzuschaffen. Als Soforthilfe gibt es nur eins: Umfangreiche Ganzjahresfütterung. Viel Aufklärung dazu gibt Prof. Dr. Peter Berthold, Max-Planck-Institut Radolfzell, welcher aus Jahrzehnten an Erfahrung heraus auch die oft publizierten Bedenken dazu restlos zu entkräften weiss.
    Es muss viel mehr Aufklärung schon bei den Jüngsten stattfinden, damit sich Menschen nicht mehr mit einem Insektenhotel aus der Betroffenheit ziehen und parallel ihre Rasen auf Millimetergrösse halten…. Blüten und Samen Adé, Insekten Adé, Vögel Adé, Natur Adé, Leben Adé

  2. Immer wieder eine neue «Klatsche» – 70 % der Tierpopulation seit 1970 verschwunden, Insekten auch, Fische auch, 93 % der Wälder abgeholzt. Vor hundert Jahren noch 100’000 Tiger – jetzt sind es ein paar Tausend. (Hat zwar wieder etwas zugenommen, aber nur ein paar hundert)

    Und jetzt die Vögel. Es lässt einem einfach nur sprachlos und traurig zurück. Und wie geht das weiter? Irgendwann sind vielleicht nur noch die Menschen und Nutztiere auf der Erde, weil die Menschheit «explodiert» ja weiter, und hat immer mehr Ansprüche auf Land, Boden…und verdrängt die Tiere.

    Was hilft da um das aufzuhalten? Eben – vielleicht ja nichts.

    Warum werden wichtige Initiativen für eine pestizidärmere Landwirtschaft abgelehnt?

    Das möchte ich auch gerne wissen! Das wäre mal ein erster Schritt!

  3. Ja, das ist wirklich Tatsache und ich erlebe dies hautnah. Ich lebe seit 40 Jahren abgelegen am Waldrand in der Gemeinde Mühleberg, umgeben von intensiver Landwirtschaft und übermässiger Fortswirtschaft durch Holzschlagfirmen. Diese holzen auch in den Brutmonaten und nicht nur während der Winterzeit, wo die Böden gefroren sind und sich die Bäume nicht im Saft befinden. Früher holzten die Bauern noch selber, heute übergeben viele den Schlag einer Firma – absolut grässlich und zerstörerisch für alle Waldpflanzen und -tiere.
    Da nützen auch die teuersten Hörgeräte nichts: ich glaubte, schlechter zu hören.

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