Am Glütschbach bei Thun ist in den letzten Jahren ein sehenswertes Feuchtgebiet entstanden. Grund dafür sind die Biber, die sich westlich von Thun angesiedelt haben. Ein Besuch lohnt sich, denn die Spuren des grössten einheimischen Nagetiers sind tagsüber gut sichtbar.
Nach einer halbstündigen Velofahrt stehe ich nun in der Nähe der Haslirainhöhle am Glütschbach. Mitten im fast stehenden Bach entdecke ich, getarnt durch viel Totholz, die Burg von Herrn und Frau Biber! Vor einigen Jahren haben die Tiere den Glütschbach zu ihrem Zuhause erkoren, seither ganze Arbeit geleistet und eine erstaunlich grosse Burg gebaut.
Der Weg zur Biberfamilie
Der Weg zur Biberburg führte mich vom Bahnhof Thun zuerst nach Allmendingen, das auch per Bus gut erreichbar ist. Die Abzweigung führt auf einen Kiesweg entlang des Allmendingerbächlis Richtung Guntelsey. Alleine ist man hier nur selten: Fussgänger, Jogger, Velofahrer und Familien mit Kinderwagen nutzen den Weg. Der Biber hat sich wohl ein Revier ausgesucht, das ein beliebtes Ausflugsziel für Jung und Alt zu sein scheint.
Nach etwa fünf Minuten erreichte ich die Bodenstrasse und parkiere dort mein Fahrrad. Die letzten Meter bis zum Glütschbach führen über einen Trampelweg durch den Wald. Am Ufer angekommen, empfing mich ein wunderschönes Paradies – und die besagte Biberburg. Es ist bemerkenswert, was für ein Feuchtgebiet der Biber im Laufe der Jahre geschaffen hat. Das seichte Wasser ist voller Pflanzen und Totholz und bietet Käfern, Insekten und verschiedenen Vogelarten Unterschlupf.
Biberburgen bieten den Tieren Schutz vor Feinden, Hitze und Kälte. Der Eingang liegt immer unter Wasser – so kann der Biber bei Gefahr direkt ins Wasser flüchten oder sich in seinem Bau in Sicherheit bringen. Da der Wasserstand der Flüsse selten konstant ist, besteht die Gefahr, dass der Eingang des Biberbaus plötzlich trocken fällt. Der Schutz vor Feinden ist dann nicht mehr gegeben. Deshalb baut der Biber bei stark schwankenden Wasserständen einen Damm, so dass sich eine Art Stausee mit mehr oder weniger konstantem Wasserstand bildet. Davon profitiert nicht nur der Biber, sondern auch viele andere Tierarten. Auch hier im Westen von Thun hat der Biber einen wertvollen Lebensraum geschaffen. Obwohl es schon Ende Oktober ist, fliegen immer noch viele Libellen. Das lässt erahnen, was es hier im Frühling und Sommer alles zu beobachten gibt.
Der Konflikt zwischen Mensch und Biber
Ich folge dem Lauf des Glütschbachs und sehe bald den Damm, dessen Auswirkungen nicht nur die Natur, sondern auch die Behörden auf Trab halten. Anfang Oktober 2023 wurde bekannt, dass vier Gemeinden ein regionales Biberkonzept erarbeitet haben. Denn die Aktivitäten des Bibers verursachen immer wieder finanzielle Schäden, zum Beispiel in der Landwirtschaft, an Gebäuden oder an der Verkehrsinfrastruktur wie hier an der Bodenstrasse. Derzeit wird der Damm seitlich immer wieder etwas geöffnet, da sonst die direkt am Bach verlaufende Strasse überflutet würde. Im Winter besteht dann die Gefahr, dass sich auf der Strasse eine Eisschicht bildet. Auch heute kommt der Glütschbach trotz menschlicher Eingriffe der Strasse sehr nahe. Mit dem Biberkonzept Thun West soll nun erreicht werden, dass der Biber mittel- und langfristig seinen Lebensraum in der Region besiedeln und gestalten kann, die Konflikte aber nachhaltig und unkompliziert entschärft werden. Die vier Gemeinden streben damit ein Zusammenleben von Mensch und Biber an.
Auf Spurensuche
Den Biber beobachte ich an diesem Nachmittag nicht. Doch seine Spuren lassen erahnen, wo sich das nachtaktive Nagetier herumtreibt. Überall am Ufer entdecke ich angenagte Bäume. Da im Herbst und Winter die Nahrung knapp ist, wird der Biber in dieser Jahreszeit zum Rinden-Nahrungsspezialisten. Knapp ein Kilo Rinde kann ein Biber pro Tag fressen. Am besten schmecken ihm die Zweige und Knospen ganz oben in den Kronen. Da das 20 bis 30 Kilogramm schwere Tier besser schwimmt als klettert, fällt der Biber die Bäume. So kann er sein Frühstück gemütlich am Boden oder im Wasser verzehren. Die gefällten Bäume dienen aber nicht nur als Futter, sondern auch als Baumaterial für den Damm und seine Burg. Denn ein Biber ist mit seinem Heim nie zufrieden. Er ist stets damit beschäftigt, sein Zuhause zu vergrössern und zu verändern. Das Geschick, wie der Biber seine Burg und den Damm baut, fasziniert mich: ein wahrer Baumeister!
Beim Gedanken an all diese Arbeit bekomme ich langsam Hunger und mache mich wieder auf den Weg in die Stadt. Bei der Rückfahrt nehme ich mir vor, diese schöne Naturoase im nächsten Frühling wieder zu besuchen. Ich bin sehr gespannt, was sich in dieser Jahreszeit alles beobachten lässt. Im Frühjahr 2024 sollte dann auch das Biberkonzept in Kraft treten. Ich hoffe fest, dass damit die Anwesenheit vom grössten einheimischen Nagetier gesichert wird. Denn was der Biber geschaffen hat, ist für Natur und Mensch ein Wohlfühlort und definitiv einen Besuch wert.
Überblick
Anfahrt mit Bus: Ab Bahnhof Thun bis Wendeplatz Allmendingen, von dort zu Fuss
Länge: Ab Allmendinger Wendeplatze: 1,5 km
Spazierdauer: Ab Allmendinger Wendeplatz: 20 Minuten
Standort: 46°43’50.9»N 07°35’22.89»E
Zusatztipp: Wer noch mehr Natur erleben will, kann via Glütschbachtal – Alti Schlyffi – Gwattegg zum Gwattmösli Naturschutzgebiet wandern (Länge: 5 km, Dauer: 1,5 h). Ab dort fährt regelmässig ein Bus zurück nach Thun, Bahnhof.
Danke für den informativen Bericht.