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Schweiz verfehlt Biodiversitätsziele

Vor 15 Jahren wurden in Aichi, Japan, internationale Biodiversitätsziele bis 2020 vereinbart. Die Schweiz reagierte mit der Strategie Biodiversität Schweiz (SBS), um Artenvielfalt und Lebensräume zu schützen. Eine aktuelle Analyse von BirdLife Schweiz zeigt jedoch: Fast alle Ziele wurden verfehlt – nur ein einziges konnte erreicht werden.

Am 29. Oktober 2010 wurden in der japanischen Stadt Aichi die Ziele 2020 der internationalen Biodiversitätskonvention vereinbart. Anderthalb Jahre später, im April 2012, verabschiedete der Schweizer Bundesrat die Strategie Biodiversität Schweiz, um die Biodiversität der Schweiz als unsere Lebensgrundlage zu erhalten und gleichzeitig die Aichi-Ziele zu erfüllen. Eine aktuelle Analyse von BirdLife Schweiz zeigt: Die 18 Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz werden mit einer Ausnahme alle deutlich verfehlt.

Kaum Fortschritte bei Schutzgebieten, Raumplanung und Landwirtschaft

In Bezug auf zwei Drittel der Ziele der SBS gab es keinerlei Fortschritte oder sogar Rückschritte seit 2012. Zu diesen Zielen gehören die Raumplanung, die Landwirtschaft sowie auch das fachlich besonders wichtige Schutzgebietsziel. Bei den Schutzgebieten hätte bis Ende 2020 ein Anteil von 17 Prozent an der Landesfläche erreicht werden müssen. Doch auch fast fünf Jahre danach verfehlt die Schweiz das Ziel bei weitem: Der heutige Schutzgebietsanteil beträgt rund 10 Prozent – weit entfernt vom Zielwert von 17 Prozent. Und sogar diese rund 10 Prozent sind nur ungenügend umgesetzt und unterhalten: Eine Studie der WSL von diesem Jahr zeigt, dass der Zustand der Biotope von nationaler Bedeutung – den wichtigsten Schutzgebieten – ungenügend ist und sich in vielerlei Hinsicht weiter verschlechtert. Bei anderen Schutzgebietskategorien hatte der Bundesrat selbst festgestellt, dass die Schutzbestimmungen «eher schwach» sind. Für die Ökologische Infrastruktur laufen immerhin Vorarbeiten der Kantone.

Bei knapp einem Drittel der Ziele gibt es wenigstens erste Ansätze für Fortschritte. Hierzu gehören das Biodiversitäts-Monitoring sowie die Biodiversität im Siedlungsraum. Weitgehend erreicht ist das Ziel zur Waldwirtschaft.

Schädliche Subventionen bleiben unangetastet – Politik verharrt im Stillstand

Betreffend biodiversitätsschädigende Subventionen hat der Bund lange wenig oder nichts getan. Erst als die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und die Akademie der Naturwissenschaften SCNAT 2020 eine wissenschaftliche Studie zum Thema veröffentlichten, gab es etwas Bewegung. Inzwischen hat der Bundesrat einige wenige Subventionen genauer untersuchen lassen und entsprechende Berichte der Verwaltung genehmigt; diese schienen allerdings in erster Linie Gründe dafür zu suchen, die schädliche Wirkung von Anreizen und Subventionen nicht korrigieren zu müssen, sondern im business as usual zu verharren.

Die schlechte Bilanz in Bezug auf die Umsetzung der SBS schlägt sich in den Roten Listen nieder. Der Anteil von allen Arten, der auf der Roten Liste steht, ist in der Schweiz deutlich höher als in unseren Nachbarländern. So sind in der Schweiz ein Drittel der Arten und die Hälfte der Lebensräume bedroht – das ist sehr viel.

«Es ist beängstigend, wie wenig lösungsorientiert die Mehrheit der Politik das Thema Biodiversität bearbeitet. Es ist unverständlich, dass gerade jetzt Mittel für die Biodiversität gestrichen werden sollen. Damit werden unsere Lebensgrundlagen und diejenigen künftiger Generationen gefährdet», sagt Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. «Ein Hoffnungsschimmer ist das vielerorts steigende Bewusstsein. So erachteten in der ValPar-Studie dieses Jahr fast drei Viertel der Bevölkerung einen guten Zustand der Biodiversität als sehr wichtig. Und im Global Risks Report des WEF figuriert der Biodiversitätsverlust als zweitgrösstes Risiko für die Wirtschaft im 10-Jahres-Horizont. Die Politik wird sich früher oder später diesem steigenden Bewusstsein anpassen müssen.»

1 Kommentar

  1. Das Biodiversitäts-Monitoring von BirdLife Schweiz zeigt schon ein sehr negatives Bild. Dabei ist es – dezent ausgedrückt – noch sehr wohlwollend durchgeführt. So weichen die Bewertungen einzelner Ziele deutlich von der Realität ab, z.B.
    – Wald: Im Mittelland nimmt die Fläche ab und der Wirtschaftsdruck nimmt deutlich zu, naturnahe Waldränder sind praktisch vollständig verschwunden.
    – Jagd und Fischerei: Die teilweise illegale Abschusspolitik, die zunehmende Wilderei und die Schwächung der Gesetze auf Verordnungestufe rechtfertigten eine negative Beurteilung.
    – Schutzgebiete: Relativ zu der zunehmenden Zersiedlung und Zerschneidung der Landschaft hat die Isolierung der Schutzgebiete deutlich zugenommen, der Zustand hingegen hat qualitativ abgenommen und wird durch ein paar fragwürdige Kategorienschiebereien nicht verbessert. Das müsste eine negative Bewertung zur Folge haben.
    – Genetische Verarmung: Die Bewertung «etwas Fortschritt» ist absolut nicht nachvollziehbar, weil das Artensterben, die abnehmende Sortennutzung bei den Kulturpflanzen und der Import von Gentech-Futterpflanzen die Vielfalt vermindern. Zudem wird auf politischer Ebene ein massives Lobbying für die sukzessive Einführung von Gentechnik im Agrarbusiness betrieben.
    – Finanzielle Anreize: Da sich die allgemeine Situation verschlechtert muss eine Stagnation als negative Entwicklung bewertet werden.
    – Wissen über Biodiversität: In der Öffentlichkeit hat das Wissen trotz guter Bemühungen der Naturschutzverbände sicher nicht zugenommen, eher leicht abgenommen und in der Volksschule wird dieses Wissen immer weniger vermittelt. Nicht einmal mehr die Lehrkräfte können hier mehr als ganz allgemeine Grundlagen vorweisen.
    – Biodiversität im Siedlungsraum: Der Flächenanteil von S+V nimmt laufend zu, mit rund 0,8 m2/sec. In den Siedlungsgrünflächen dominieren nach wie vor artenarme Rasen, Zierrabatten und exotische Gehölze. Dazu kommen extrem negative Hypes wie z.B. Kiesgärten. Ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit reicht da bei weitem nicht für die Bewertung «etwas Fortschritt».

    Kritisch betrachtet ergibt sich damit eine Bewertung von 0 / 3 / 3 / 12 anstatt 1 / 5 / 7 / 5.

    Man muss sich also die Frage stellen, weshalb eine Bewertung, die ganz offensichtlich die Entwicklung nicht korrekt wiedergibt, gewählt wurde.

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