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Das Wasserschloss Europas steht unter Beschuss

Es ist unbestreitbar, dass das Wasserschloss Schweiz schlechte Zeiten durchlebt. Aber wie wird sich unsere Rolle als Wasserschloss Europas angesichts des voranschreitenden Klimawandels entwickeln? Der diesjährige eco.naturkongress hat versucht, Aufschluss zu geben.

Jedes Jahr finden sich Fachleute, Politiker und Interessierte zum eco.naturkongress zusammen, um über aktuelle ökologische Problematiken zu informieren und diskutieren. In diesem Jahr wurde das Thema des gefährdeten “Wasserschloss Schweiz” aus Sicht der Politik, Forschung und Umweltverbände beleuchtet. Wir waren dabei, und präsentieren Ihnen hier die wichtigsten Erkenntnisse.

Wasser dient uns unter anderem als Trinkwasser, zur Stromproduktion und unserer aquatischen Flora und Fauna als Lebensgrundlage. Doch das Wasserschloss Europas steht unter heftigem Beschuss. Seine Mauern drohen unter der Last steigender Temperaturen, starker Verschmutzung und intensiver Verbauung einzubrechen.

Top-Qualität von Trinkwasser soll erhalten bleiben

Momentan sind wir in der privilegierten Lage 70 Prozent unseres Trinkwassers direkt, ohne jegliche Aufbereitung, aus Grundwasserreservoiren oder Quellen zu beziehen. Nur ein kleiner Teil, wie zum Beispiel Seewasser, muss aufbereitet und je nachdem mit Chlor versetzt werden.

Diese hohe Qualität des Trinkwassers ist direkt an die Qualität des Oberflächengewässers geknüpft. Wollen wir also auch zukünftig von leicht zugänglichem, kaum aufbereitetem Trinkwasser profitieren, so sollte uns die Sauberkeit unserer Flüsse und Seen am Herzen liegen. Unsere Gewässer werden aber zunehmend durch den Abfluss von Gülle, Abwasser und enormen Nährstoffeinträgen verunreinigt. «Biolandbau ist ein wichtiger Teil der Lösung,» kommentiert Roman Wiget des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches.

Es soll nicht das Ziel sein in Zukunft unser Wasser kostenintensiv, über mehrere Stufen aufzubereiten, um diese Verunreinigungen zu entfernen. Vielmehr sollte die Ursache des Problems, unter anderem durch vermehrten Biolandbau, behoben werden.

Den Schweizer Flussbewohnern geht es an den Kragen

In der Schweiz sind lediglich fünf Prozent aller Gewässer nicht verbaut, aufgestaut oder kanalisiert, kurzum in natürlichem Zustand. Dies hat enorme Konsequenzen für Tiere und Pflanzen, welche auf den aquatischen Lebensraum angewiesen sind, sei es während ihres gesamten Lebens oder nur zur Fortpflanzung, wie es bei vielen Amphibien der Fall ist.

Viele Gewässer, wie hier der Linthkanal, wurden begradigt.
95 Prozent der Schweizer Gewässer befinden sich nicht in ihrem natürlichen Zustand, wie zum Beispiel die kanalisierte Linth. © Roland Fischer CC BY-SA 3.0, via wikimedia commons

Gemäss WWF Schweiz sind die Bestände der tierischen Süsswasser-Bewohner seit 1970 um 80 Prozent zurückgegangen. Besonders stark betroffen sind Amphibien, wo 14 der 20 einheimischen Arten auf der Roten Liste der bedrohten Arten vertreten sind. Ähnlich sieht es bei den Fischen aus. Drei Viertel der Schweizer Fischarten sind in der unrühmlichen Roten Liste eingetragen.

Die Geburtshelferkröte gehört zu den bedrohten Arten in der Schweiz.
Die Geburtshelferkröte ist eine der 14 gefährdeten Amphibienarten in der Schweiz. © Gilles San Martin [CC BY-SA 4.0], via flickr

Um eine neue Lebensgrundlage für aquatische Tier- und Pflanzenarten zu schaffen, sollen zahlreiche Flussabschnitte in den natürlichen Zustand zurückversetzt werden – so sehen es zumindest das Schweizerische Gewässerschutzgesetz und die Gewässerschutzverordnung vor. In diesem Sinne sollen Wasserkraftwerke mit Fischtreppen ausgerüstet werden, um Wanderhindernisse zu entfernen. Ebenso sollen Flüsse von ihrem betonierten Korsett befreit werden und sich ihren eigenen, natürlichen Weg durch die Landschaft bahnen.

Die gesetzliche Grundlage für den Schutz unserer Gewässer ist also vorhanden, laut Thomas Vellacott, CEO des WWF Schweiz, fehlt es aber an deren Umsetzung. 10’000 Kilometer Flusslauf sollten einer Revitalisierung unterzogen werden, davon sind 4’000 Kilometer in Planung und nur ungefähr 1’000 Kilometer wurden bereits renaturiert. Ein häufiges Problem ist dabei der fehlende Raum durch die unmittelbare Nähe von Siedlungen und Agrarflächen im Flusseinzugsgebiet.

Auch beim Einhalten der “Gülle-Pufferzone” hapert es an der Umsetzung. Gemäss Gesetz muss beim Austragen von Gülle ein Mindestabstand von drei Metern zu Bächen eingehalten werden, um einem erhöhten Eintrag von Nährstoffen und der Gewässerverschmutzung vorzubeugen. Überprüfungen von Pro Natura St.Gallen-Appenzell haben ergeben, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Landwirte in den Kantonen St.Gallen und Appenzell diese Mindestabstände missachten. Einige Jahre später folgten Kontrollen im Kanton Freiburg mit denselben, vernichtenden Ergebnissen. Zurecht bemängelt also Urs Tester von Pro Natura, ob solche Kontrollen in allen 26 Kantonen durchgeführt werden müssen, bevor dem Gesetz schweizweit Folge geleistet würde.

Strom dank Wasserkraft: Aber wie lange noch?

In der Schweiz werden beinahe 60 Prozent des benötigten Stroms in den Gemäuern von Wasserkraftwerken produziert. Es drängt sich aber die Frage auf, ob angesichts der voranschreitenden Klimaerwärmung die Effizienz von Wasserkraftwerken erhalten werden kann. Zudem müssen mit dem geplanten Ausstieg aus der Atomenergie, andere erneuerbare Energien ausgebaut werden: Die Wasserkraft wäre eine Möglichkeit.

Kleinkraftwasserwerk im Buchholz.
Kleinwasserkraftprojekte an Suhre und Rümlig konnten erfolgreich verhindert werden. © Quadra7677 [CC BY-SA 3.0], via wikimedia commons

Fakt ist, dass mit der Klimaerwärmung der Niederschlag im Sommer abnimmt und dafür im Winter vermehrt Niederschlag in Form von Regen zu verzeichnen sein wird. Während Sommermonaten wird die Abfliessmenge in Flüssen also stark vermindert sein, und infolgedessen auch die Stromproduktion in Fluss-Wasserkraftwerken. Dies könnte durch das Aufrüsten vorhandener Wasserkraftwerke ausgeglichen werden, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad.

Eine Möglichkeit wäre es, neue, alpine Wasserkraftwerke zu bauen. Schätzungsweise ab 2050 kommt es aufgrund der voranschreitenden Gletscherschmelze vermehrt zur Bildung von Seen in alpinen Gebieten. Diese könnten mit dem Bau von Wasserkraftwerken zur Stromproduktion genutzt werden. Die Seen werden aber mehrheitlich in Gebieten entstehen, die bereits unter Schutz stehen, womit die Umsetzung alpiner Wasserkraftwerke vielerorts nicht realisierbar sein wird.

Fazit: Aufklärung der Bevölkerung ist elementar

Das Fazit des eco.naturkongresses: Auch die Schweiz steht hinsichtlich des Klimawandels und unseres umfassenden Einflusses auf die Natur vor Herausforderungen bezüglich des Managements von Wasser und Gewässern.

Und in einem sind sich die Referenten einig: Die Schweizer Bevölkerung muss sich den vorhandenen und sich anbahnenden Problemen bewusst werden. 80 Prozent der Schweizer sind der Meinung, dass es unserer Natur gut geht. Doch das ist falsch! Unsere Natur und insbesondere unsere Gewässer stecken inmitten einer Krise. Die Knappheit und Verschmutzung von Wasser sind nicht nur Probleme ferner Länder, von denen wir in der Zeitung lesen, sondern auch die Unsrigen. Dementsprechend sollten wir bemüht sein, unsere Gewässer zu schützen, und damit das Wasserschloss Europas zu erhalten.

Wieso ist die Schweiz als Wasserschloss Europas bekannt?

Das Alpenmassiv erstreckt sich von West nach Ost, quer durch die ganze Schweiz. Aufgestaute Wolken regnen sich vor den Alpen aus und führen zu einem relativ hohen Niederschlag, der die Entstehung von Seen, Grundwasserspeichern und Gletschern begünstigt. Dies führt dazu, dass die Schweiz auf nur 0.6 Prozent der Fläche Europas, sechs Prozent des gesamten Süsswassers speichert. Der Genfersee ist gar der grösste Süsswasserspeicher Europas.

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