44 Umwelt- und Naturschutzorganisationen haben dem Ständerat einen Appell zum Schutz der Biodiversität übergeben. Der Appell wurde von 32’738 Erwachsenen und 10’719 Kindern unterschrieben und fordert den Ständerat auf, auf die Diskussion zur Biodiversitätskrise einzutreten und einen Gegenvorschlag für eine rasche Sicherung unserer bedrohten Lebensgrundlagen zu ermöglichen.
Vor genau 31 Jahren, am 12. Juni 1992, setzte der damalige Bundesrat Flavio Cotti seine Unterschrift unter das Rahmenabkommen zum Schutz der Biodiversität an der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro. Dieses Abkommen ist für die Schweiz rechtlich bindend, doch herrscht seit Jahren Stillstand in Sachen Schutzgebiete und die Schweiz ist schon länger das Schlusslicht Europas.
Ein ernüchterndes Fazit zieht auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in seinem neuesten Bericht (Mehr dazu: BAFU-Berichte: Der Biodiversität geht es immer schlechter): Die Biodiversität in der Schweiz befinde sich in einem «unbefriedigendem Zustand». «Die aktuelle Quantität, Qualität und Vernetzung vieler Lebensräume reichen nicht aus, um ihre Biodiversität und Ökosystemleistungen langfristig zu erhalten».
Vertreterinnen und Vertreter von 44 Umwelt- und Naturschutzorganisationen betonten bei der Übergabe der Appell-Unterschriften vor dem Bundeshaus die Dringlichkeit der Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG). «Die Schweiz hat eine akute Biodiversitätskrise, illustriert durch einige der längsten Roten Listen aller Industrienationen. Es braucht deshalb endlich verstärkte Massnahmen zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen”, forderte Raffael Ayé, Geschäftsführer BirdLife Schweiz.
Die Biodiversität ist das Fundament unseres Lebens und unserer Wirtschaft. Sie liefert uns Nahrung, sauberes Wasser und Luft, Medikamente und Rohstoffe. Sie reguliert das Klima und schützt uns vor Naturkatastrophen. «Die Biodiversität ist unsere Lebensgrundlage. Wenn wir sie nicht schützen, werden wir die Konsequenzen teuer bezahlen müssen – nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.», warnte Urs Leugger-Eggimann, Geschäftsleiter von Pro Natura.
In der Schweiz sind 35% der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht oder ausgestorben. Besonders schwer haben es die Wasserlebewesen. «Beinahe zwei Drittel der einheimischen Fischarten stehen auf der Roten Liste! Schützen wir die stark bedrohten Gewässerlebensräume, auch für unsere Fische!», sagte David Bittner, Geschäftsführer Schweizerischer Fischereiverband.
Auch Kurt Zaugg-Ott, Leiter Fachstelle oeku Kirchen für die Umwelt, plädiert für einen besseren Umgang mit unserer Biodiversität: «Für Glaubende ist die biologische Vielfalt ein Geschenk Gottes. Indem wir Arten ausrotten, missachten wir das Lebensrecht von Pflanzen und Tieren und gefährden unsere eigene Lebensgrundlage.»
Dass der Biodiversitätsschutz Hand in Hand mit anderen Nutzungen gehen kann, zeigen bereits viele erfolgreichen Projekte mit Landwirt:innen. «Die Stiftung Landschaftsschutz hat dieses Jahr den Klettgau als Landschaft des Jahres ausgezeichnet. In den letzten 40 Jahren wurden dort Mehrwerte für Biodiversität, Landwirtschaft und Landschaft geschaffen. Damit dies auch an anderen Orten gelingt, brauchen wir den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative,» erläuterte Franziska Grossenbacher, stellvertretende Geschäftsleiterin der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz.
Die Sorge um den Biodiversitätsverlust ist gross in der Bevölkerung. In nur acht Wochen kamen über 43’000 Unterschriften zusammen. «Die vielen Unterschriften zeigen, dass die Menschen sich um die Zukunft der Biodiversität in der Schweiz sorgen und bereit sind, sich für den Erhalt der Artenvielfalt einzusetzen», stellte Stefan Kunz Geschäftsführer vom Schweizer Heimatschutz, fest.
Der Ständerat wird nun entscheiden, ob er auf die Diskussion der Biodiversitätskrise eintritt und einen Gegenvorschlag erarbeiten will, der ein rasches und wirksames Handeln gegen die sich verstärkende Biodiversitätskrise ermöglicht.