StartNewsForschungKranke Vampirfledermäuse praktizieren «social distancing»

Kranke Vampirfledermäuse praktizieren «social distancing»

Durch COVID-19 wurde «social distancing» zum Begleiter im Alltag. Abstandhalten, wenn man sich krank fühlt, praktizieren allerdings nicht nur Menschen – es kann auch bei Fledermäusen beobachtet werden. Ein internationales Forschungsteam fand heraus, dass kranke Vampirfledermäuse weniger Zeit in der Nähe von Artgenossen verbringen, was die Ausbreitung einer Krankheit verlangsamen kann.

Das Forschungsteam des Museums für Naturkunde Berlin, der Universität von Texas und der Ohio State University hatte dieses Verhalten zuerst im Labor beobachtet und führte dann zur Bestätigung ein Feldexperiment mit Hightech-Tiertrackern durch. Als Reaktion auf einen Krankheitserreger können Veränderungen im Sozialverhalten die Ausbreitung einer Krankheit in einer Population auf verschiedene Weisen verändern. Übertragungsraten können sich erhöhen, wenn Parasiten das Verhalten eines Wirtes beeinflussen. «Social distancing» verlangsamt dagegen die Ausbreitung, da sich kranke und gesunde Individuen seltener begegnen. Werden kranke Individuen gemieden oder isolieren sie sich nach einer Ansteckung selbst, spricht man von aktivem Distanzieren. Es gibt auch eine passive Form von «social distancing» als direkte Konsequenz des Krankseins: Kranke sind oft lethargisch und schläfrig, was mit verminderter Mobilität und in der Folge mit weniger Sozialkontakten einhergeht.

Die Forschenden führten ein Freilandexperiment an Vampirfledermäusen durch, um diese passive Form von «social distancing» und die Folgen für soziale Bindungen zwischen den Tieren zu erforschen. Sie fingen 31 Weibchen aus einem hohlen Baum in Lamanai, Belize und simulierten bei der Hälfte der Fledermäuse eine bakterielle Infektion. Sie verabreichten ihnen eine Substanz, die für sechs bis zwölf Stunden Krankheitssymptome verursacht. Anschliessend statteten die Forschenden die Tiere mit neuartigen Näherungssensoren aus und entliessen sie wieder in die Wildnis. Während der nächsten drei Tage dokumentierten die Sensoren – eine Art Mini-Computer, leichter als ein 1-Cent Stück – sekundengenau, wer sich in der Nähe von wem befand. Anhand dieser hochauflösenden Daten entwarfen die Forschenden ein dynamisches soziales Netzwerk, das ihnen erlaubte, Veränderungen in den sozialen Kontakten zwischen kranken und gesunden Fledermäusen nachzuvollziehen.

«Diese Hightech-Sensoren aus Eigenbau eröffnen uns völlig neue Perspektiven auf das höchst dynamische Sozialverhalten dieser Fledermäuse. Derartige Experimente in freier Wildbahn durchzuführen und zeitgleich Veränderungen im sozialen Netzwerk einer ganzen Kolonie im Sekundentakt beobachten zu können, war bisher undenkbar», sagt Hauptautor Simon Ripperger, Museum für Naturkunde Berlin. Es zeigte sich, dass die Krankheitssymptome die sozialen Netzwerke tiefgreifend veränderten. Kranke Fledermäuse assoziierten mit weniger Gruppenmitgliedern und verbrachten auch weniger Zeit mit ihnen. Gleichzeitig nahm die Wahrscheinlichkeit ab, dass ein gesundes Tier mit einem Kranken in Kontakt kommt. Auch bei der Vampirfledermaus ist also «social distancing» ein einfacher, aber wirkungsvoller Mechanismus. Co-Autor Gerald Carter, Ohio State University, fügte hinzu: «Eines der Dinge, die mich am meisten faszinieren, ist, unsere Arbeit vom Labor ins Feld zu bringen. Wir haben diese Effekte an Vampirfledermäusen in Gefangenschaft unter kontrollierten Bedingungen untersucht, und es ist aufregend zu sehen, wie die gleichen Effekte unter realistischen Bedingungen im natürlichen Umfeld der Tiere auftreten.»

Die in der Fachzeitschrift Behavioral Ecology publizierte Studie zeigt einmal mehr, wie technologischer Fortschritt bei der Beobachtung von Wildtieren es der Forschung ermöglicht, verborgene Mechanismen an wilden Tieren zu entschlüsseln. Solche hochauflösenden Datensätze werden in Zukunft helfen, neue Erkenntnisse über Muster und Prozesse zu gewinnen, die der Verbreitung von Krankheitserregern zugrunde liegen.

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