Die grosse Mehrheit der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen investiert in CO2-intensive Unternehmen. Damit setzt sie die Renten der erwerbstätigen Generation aufs Spiel. Eine neue Studie der Klima-Allianz zeigt auf, dass die Renten der Pensionskassen mit einem hohen Anteil an klimariskanten Aktien und Obligationen innert 15 Jahren bis zu 32% einbrechen könnten.
Pensionskassen gehen grosse finanzielle Risiken ein, wenn sie das Geld ihrer Versicherten in Unternehmen anlegen, die nicht nachhaltig wirtschaften. Extreme Wettereignisse wie Wirbelstürme, Überschwemmungen und Dürren könnten in Zukunft sehr grosse Vermögenswerte vernichten. Spielt das Klima einmal verrückt, werden die Staaten zudem gezwungen sein, einschneidende Vorschriften zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen einzuführen (ähnlich, wie auch in der Covid-Pandemie auf einmal Notmassnahmen gelten). Darauf könnten Investitionen in CO2-intensive Unternehmen abrupt an Wert verlieren, so berichtet die Klima-Allianz in einer Medienmitteilung.
Erstmals in der Schweiz beziffert eine Studie der Klima-Allianz das finanzielle Klimarisiko für die Gesamtheit der Vorsorgeeinrichtungen – Pensionskassen, Versicherungen mit betrieblicher Vorsorge, AHV-Ausgleichsfonds und Suva.
Demnach könnte das für die Altersvorsorge angelegte Vermögen für durchschnittlich anlegende Pensionskassen – rein klimabedingt – bis in 15 Jahren um 10% schmelzen. Bei Kassen, die stark in klimariskante Aktien und Obligationen anlegen, könnte es mit einem Wertverlust von 18% gar zu einem Kollaps kommen. Unter der Annahme, dass die laufenden Renten nicht gekürzt werden, würden die heute unter 50-Jährigen bei der Pensionierung (ab dem Jahr 2035) zwischen 18% und 32% weniger Rente erhalten als geplant. Wollen die Vorsorgeverantwortlichen ihre treuhänderische Sorgfaltspflicht erfüllen, müssen sie die Klimarisiken einbeziehen. Sonst können sie unter Umständen sogar angeklagt werden.
Den Pensionskassen bleibt aber ein Ausweg: Ändern sie ihre Anlagestrategie und bevorzugen nachhaltige Unternehmen, helfen sie mit, das Klimarisiko für die Menschheit zu entschärfen. «Nachhaltige Pioniere unter den Vorsorgeeinrichtungen beherrschen das finanzielle Klimarisiko und erzielen heute schon bessere Erträge als bei konventioneller Anlage», hält Sandro Leuenberger fest. Er ist der Autor der Studie und bei der Klima-Allianz für das Thema Finanzplatz zuständig.
Doch werden in der Schweiz nach wie vor 93% des Vorsorgekapitals durch Institutionen angelegt, die Klimarisiken weitgehend ignorieren. Bloss 7% des Anlagevolumens stammt von Pensionskassen, die ihre Ziele auf das Pariser Klimaabkommen ausrichten, wie die Klima-Allianz im November 2020 in einem Klima-Rating aufzeigte.
Die Studie der Klima-Allianz stützt sich auf den aktuell besten, wissenschaftlich anerkannten Untersuchungsansatz der G20, der führenden Industriestaaten der Welt. Die Daten für die Studie erhielt die Klima-Allianz vom Schweizerischen Finanztech-Unternehmen Carbon Delta, das heute zur renommierten internationalen Gruppe MSCI ESG Research gehört. Der Ansatz der Klima-Allianz berücksichtigt die Tatsache, dass die Weltwirtschaft von Wertschöpfungsketten abhängig ist, deren Unternehmen auf jeder Stufe Treibhausgase ausstossen.
Mehr Informationen unter diesem Link zur Studie.
Die Pensionskassen halten das für völlig unrealistisch: https://www.asip.ch/de/newsroom/socialnewsroom/post/136
Das Dispositiv der Simulation ist selbstverständlich hypothetisch. Der Entscheid der Klima-Allianz, den schlimmsten Fall als Grundlage der Berechnungen anzunehmen, ist gewollt. Aber: dass unsere Klimarisiko-Werte nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, zeigen ähnliche Studien der letzten Jahre. Eine Studie des BAFU zu den Kohlenstoffrisiken für den Finanzplatz Schweiz aus dem Jahre 2015 postulierte für Investoren wie die Pensionskassen auf den globalen Aktien bis zu 40% Wertverlust im Worst-Case Fall. Eine weitere, TCFD-orientierte Studie von Ortec Finance, einem renommierten europäischen Investment Consultant, antizipierte kürzlich einen Abfall der Deckungsgrade der Pensionskassen über die kommenden Jahrzehnte um 80% im Falle eines «Business-as-Usual» Szenarios von 4°C mit entsprechend hohen physischen Schäden, und um immer noch 20%, wenn die Erwärmung regulatorisch und technologisch auf 1.5°C begrenzt werden könnte.
War das BAFU etwa unrealistisch? Ist Ortec, der renommierte Consultant, demnach unseriös?
Das Vorsorgeprinzip sollte das Handeln bestimmen. Sich den Worst-case vor Augen zu halten, hilft dabei, die Gefahren weitsichtig und rechtzeitig abzuwenden.
Die Studie könnte dann als unrealistisch bezeichnet werden, wenn nicht nur die wenigen 7-8% der Vorsorgeeinrichtungen (ausgedrückt nach Anlagevolumen) ihre finanziellen Klimarisiken im Griff haben, sondern so schnell wie möglich alle Pensionskassen. Tatsächlich ist derzeit das restliche 90%»+ des Anlagevolumens der beruflichen Vorsorge sehr stark oder weitgehend klimaexponiert: https://www.klima-allianz.ch/klima-rating/.
Vorsorgeeinrichtungen, die zu lange zuwarten, die treuhänderisch angelegten Altersgelder weg von der Unternehmen der fossilen Energien hin zu den Klima-Lösungen (Cleantech) umzuschichten, befeuern sie nicht nur weiterhin das Klima. Sondern sie riskieren tatsächlich, dass ihre Vorsorgekapitalien und deren Erträge erodieren. Sie verpassen auch die Ertragschancen einer nachhaltigen und klimaverträglichen Umschichtung ihrer Aktien- und Obligationenportfolien. Solche Unterlassungen dürften zudem bald einmal als Mangel in der Professionalität ausgelegt werden. Dem «Business-as-usual» Pfad der blinden Geldvergabe in die fossil exponierten Wirtschaftssektoren zu folgen: dies wird je länger desto mehr zum Verstoss gegen die treuhänderischen Sorgfaltspflichten gegenüber den Versicherten.
Sandro Leuenberger, Klima-Allianz, Autor der Studie