Den Tieren in ihren Winterquartieren galt die Sorge von Christine Dobler Gross im „Hotspot Naturgarten“ vom Januar: Wenn wir sie aus der Winterruhe schrecken, haben sie schlechte Karten. Zusätzlich möchte ich jetzt jene Tiere in den Fokus rücken, die wir kaum beachten, weil sie ganzjährig im Verborgenen leben: Die unbekannten Bewohnerinnen und Bewohner des Erdbodens.
Was sich auf der Oberfläche des Bodens tut, liegt uns zweifellos viel näher. Aufmerksame Augen und Ohren erkennen jetzt schon Anzeichen des kommenden Frühlings: Schneeglöcklein und sogar Krokus schauen aus dem Boden, die Grünfinken rätschen, Amseln und Meisen singen vereinzelt. Bei sonnigem Wetter krabbeln Spinnen herum, es fliegt die eine oder andere Biene. Bald werden wir weitere Vögel wahrnehmen, die aus dem Süden zurückkehren, und Insekten, die ihre Winterverstecke verlassen. Es ist eine wunderbare Vielfalt, die sich uns zeigt.
Was sich gleichzeitig unter der Bodendecke ereignet, entzieht sich weitgehend unserer Beobachtung. Es ist eine ebenso vielfältige Welt, teils aber besteht sie aus winzigen Lebewesen wie den Bakterien und anderen Mikroorganismen. Diese lassen sich nur mit technischem Gerät visualisieren, ihre Tätigkeit nur mit Labormessungen nachweisen. Beispielsweise kann man die Enzyme feststellen, die sie freisetzen, oder das Mass ihres Stoffwechsels am CO2-Ausstoss messen, was man Bodenatmung nennt.
Nur einigen der grösseren Bewohner begegnen wir hie und da, wenn wir in der Erde wühlen – den Regenwürmern oder Tausendfüsslern (im Bild junge Tausendfüssler).
Edaphon ist der schöne Name für das im Boden versteckte, aber fleissige Volk. Von ihm hängt unser Leben ab, denn es schafft aus „Abfall“ Humus und macht damit den Boden fruchtbar. Und doch zerhacken wir Menschen die Wohnungen dieser Tiere, füttern sie mit Handelsdünger und tränken sie mit Pestiziden. Es fällt uns schwer, ein positives Gefühl für diese Wesen zu entwickeln. Denn wir kennen sie kaum von Fotos, sondern nur aus Illustrationen. Manche ekeln sich sogar vor den sichtbaren Bodenkrabblern wie der Assel.
Bis zu 30 Tonnen wiegt das Edaphon pro Hektare, heisst es in einem landwirtschaftlichen Lehrmittel. Diese Biomasse könne zehn Mal grösser sein als der Tierbesatz (lies Kühe) auf einer wüchsigen Wiese. Beginnen wir mit den Kleinsten, die wir kaum sehen können: Bakterien, Pilze, Algen, Geissel- und Wimpertierchen sowie Wurzelfüsser. Etwas grösser sind die Springschwänze, die Bär- und Rädertierchen, Fadenwürmer, Milben und Urinsekten. Damit kommen wir zu jenen, die wir beim Bearbeiten des Bodens zu Gesicht bekommen, die verschiedenen Vielfüssler, Asseln, Käferlarven, Nacktschnecken und Regenwürmer.
Sie alle arbeiten am Nährstoffkreislauf und damit für uns: Asseln und Schnecken fressen Streu- und Pflanzenreste, Milben und Springschwänze (Bild) zersetzen deren Reste weiter, Bakterien und Pilze bauen damit Humus auf und setzen Nährstoffe frei. Und schliesslich wirkt der Regenwurm als grosser Baumeister, indem er beim Fressen verschiedene Komponenten und Erde vermischt und mit seinem Kot die Bausteine für stabile Bodenkrümel liefert.
Zwar lassen sich die Erträge an Getreide, Gemüse und Früchten bei konventioneller Düngung mit Mineraldünger maximieren. Aber diese Strategie ist nicht nachhaltig. Das belegt das Resultat eines über 20 Jahre laufenden Forschungsprogramms, bei dem bioorganisch, biodynamisch und konventionell bewirtschaftete Felder verglichen wurden.
Die Bilanz des Forschungsinstitut für Biolandbau und der Forschungsanstalt Reckenholz war eindeutig: Die biologischen Methoden fördern das Bodenleben. In biologisch bewirtschafteten Böden arbeiten mehr Mikroorganismen und leben sehr viel mehr Regenwürmer. Letztere profitieren insbesondere vom Verzicht auf Mineraldünger und chemischen Pflanzenschutz.
Gemeinsam sorgt das reiche Bodenleben für eine raschere Umsetzung von Ernteresten und baut mehr Humus auf. Dank dem höheren Anteil an organischer Substanz sind die Bodenteilchen in Bioböden besser verkittet. Das sorgt für eine gute Bodenstruktur und mindert Bodenverlust durch Erosion. Zu guter Letzt kommt der Bioanbau auch den Kleinlebewesen auf dem Boden besser: Pflanzenfresser unter ihnen laben sich an den Beikräutern, die nicht durch Herbizide ausgerottet werden. Räuber wie Laufkäfer profitieren davon.
Denken Sie also, wenn Sie den Boden bearbeiten, an das unbekannte vielfältige Volk in der Erde und gehen Sie in jeder Beziehung schonend damit um: Verwenden Sie keine Fräsgeräte. Bieten Sie den fleissigen Helfern Nahrung in Form von Kompost und Pflanzenresten wie ausgerissene Unkräuter und abgeschnittene Gründüngung. Nicht störende Beikräuter dürfen stehen bleiben und Raupen oder Nektarsucher nähren. Dezimieren Sie die fleissigen Helfer auch nicht mit Mineraldünger und Pestiziden. So fügen sich Gemüsegärten gut in Naturgärten ein. Und: Wählen Sie im Laden Bio.
Link zu einer Reise in den Boden: http://www.bodenreise.ch/