StartHintergrundWissenHotspot Naturgarten – Unkraut oder Insektenförderung?

Hotspot Naturgarten – Unkraut oder Insektenförderung?

Christine Dobler Gross
Christine Dobler Gross
Christine Dobler Gross ist begeisterte Naturgärtnerin. In ihrem Garten in Zürich hat es nicht nur Platz für viele verschiedene Pflanzen, sondern auch für Wildbienen, Glühwürmchen und andere Tiere. Sie ist Präsidentin des Vereins Natur im Siedlungsraum NimS. Im Blog «Hotspot Naturgarten» schreibt sie regelmässig über Beobachtungen aus ihrem Naturgarten.

Kriechender Günsel, Wundklee und Knoblauchhederich gelten als Unkräuter. Diese und andere unscheinbare Wildkräuter werden in unserem Naturgarten aber nicht bekämpft, da sie zur effizienten Insektenförderung im Siedlungsraum dazugehören.

Text und Bilder von Christine Dobler Gross, Bloggerin «Hotspot Naturgarten»

Kürzlich besuchte mich eine Bekannte im Garten und meinte: dein Garten hat wohl gerade eine Blühpause? Nun ja, es springen einem zur Zeit keine grossen, bunten Blüten ins Auge. Das Pflaumenblau der Iris und das leuchtende Grüngelb der Wolfsmilch schaffen es noch am ehesten, etwas Aufmerksamkeit zu erzielen.

Garten im Mai © Christine Dobler Gross

Weit gefehlt jedoch, was die Blühfreudigkeit anbelangt: Der Maigarten ist im Moment übersät mit unscheinbaren Blüten von verschiedenen Wildstauden. Diese Wildstauden finden den Weg ganz alleine in den Garten, suchen sich ihren passenden Standort aus und sind dadurch am richtigen Platz. Kriechender Günsel, Gundelrebe, erdbeerblättriges Fingerkraut, Goldnessel, Wundklee, Zaunwicke, Frühlingsblatterbse, Wiesenschaumkraut, Knoblauchhederich: sie alle gelten als Unkräuter, werden aber in unserm Naturgarten nicht bekämpft.

Pelzbiene an Gundelrebe
Gundelrebe mit Frühlings-Pelzbienenweibchen © Christine Dobler Gross

Auf die Blüten dieser «Unkräuter» haben es nämlich Langhornbienen, Pelzbienen, Furchenbienen, Mauerbienen, Hummeln, blaue Holzbienen und etliche Schmetterlinge wie der Zitronenfalter oder der Aurorafalter abgesehen!

Zitronenfalter auf Wundklee
Zitronenfalter auf Wundklee © Christine Dobler Gross

Unkraut spriessen lassen? Ja, denn an diese Kräuter sind unsere Insekten seit Jahrtausenden angepasst. Das Überhandnehmen einer dieser Pflanzenart kann mit kreativ selektivem Jäten gut verhindert werden. Aber Achtung beim Jäten des Knoblauchhederichs Alliaria petiolata! Bei diesem mache ich, bevor er im April zu blühen beginnt, eine exklusive Jät-Runde im Garten und widme ihm meine ganze Aufmerksamkeit. Denn was ich von ihm stehen lasse, muss ein ganzes Jahr lang vor Ort stehenbleiben und somit gut überlegt sein.

Knoblauchhederich
Hier darf der Knoblauchhederich wachsen und ein Jahr lang bleiben. © Christine Dobler Gross

Warum denn das? Lasst uns auf die Reise mit dem Aurorafalter gehen und die Etappen seines Werdens sehen: sein Zyklus dauert ein ganzes Jahr!

Im Frühling legt das Aurorafalter Weibchen nach der Paarung seine orangen Eier an die Pflanze.

Aurorafalter-Ei
Frisch gelegtes, auffällig oranges Ei am Stängel des Knoblauchhederichs © Christine Dobler Gross

Kurz darauf schlüpfen die Räuplein, die am Knoblauchhederich fressend zu Raupen heranwachsen, sich verpuppen und so überwintern.

Der Knoblauchhederich wächst gerne auch an halbschattigen Wegrändern. Wenn Wegränder immer wieder gemäht werden, vernichtet man die Futterpflanzen und die Raupen sowie deren Puppen.

Aurorafalter-Puppe an abgemähtem Stängel
Der Wegrand wurde im Juli gemäht, mitsamt den Stängeln und den Puppen daran. © Christine Dobler Gross

An nur alle zwei Jahre gemähten Waldwegrändern könnte Knoblauchhederich, Waldziest, Akelei, Waldmeister, Einbeere usw. einen artenreichen Wegrand bilden, wertvoll für Fauna und Flora  und zur Freude der Spaziergänger*innen.

Gemähter Wegrand
Dieser Wegrand wird mindestens 2x im Jahr gemäht und bietet einen eher tristen Anblick. © Christine Dobler Gross

Der Knoblauchhederich ist aber nicht nur die Nahrungspflanze der Aurorafalterraupen. Die Blüten dieses Kreuzblütlers werden auch gerne von Wildbienen und anderen Insekten besucht.

Die leicht nach Knoblauch schmeckenden Blätter und dekorativen Blüten können unserm Salat eine feine Würze verleihen. Die Pflanze ist also Wildgewürz, Heilpflanze, Wildbienen- und Schmetterlingspflanze in einem – und erst noch gratis zu haben! Toleranz ihr gegenüber und auch den andern unscheinbaren Wildkräutern in unsern Gärten und entlang Wegen ist effiziente Insektenförderung im Siedlungsraum. Und sind sie nicht auch hübsch anzusehen?

Knoblauchhederich
Knoblauchhederich im Garten © Christine Dobler Gross

4 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Blogbeitrag, liebe Christine! Man lernt immer etwas dazu. Nun schaue ich meinen Knoblauchhederich ganz anders an. Und tatsächlich: Ich habe mehrere der kleinen roten Eier des Aurorafalters entdeckt!

  2. Gratuliere zum spannenden, farbenfrohen und inspirierenden Beitrag über die unscheinbaren Kräuter und insbesondere den Zyklus des Aurorafalters – nun werde ich die Entwicklungen mit neuem Verständnis beobachten können. Danke!

  3. Diese sorgfältig fotografierte und kommentierte Bilderreihe begeistert mich richtig. So viel verschiedenartige Pflanzen und Tiere entwickeln sich auf begrenztem Raum – sofern man sie richtig leben lässt…

    Herzlichen Dank
    Marianne Biedermann

  4. Danke für die Weiterbildung Aurora-Falter. Er ist häufig in unserem Wildgarten und der eingewanderte Knoblauchhedering auch. Übrigens sind die Blätter nur frisch verwendbar. Gedämpft verlieren sie den Geschmack.

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