Kriechender Günsel, Wundklee und Knoblauchhederich gelten als Unkräuter. Diese und andere unscheinbare Wildkräuter werden in unserem Naturgarten aber nicht bekämpft, da sie zur effizienten Insektenförderung im Siedlungsraum dazugehören.
Text und Bilder von Christine Dobler Gross, Bloggerin «Hotspot Naturgarten»
Kürzlich besuchte mich eine Bekannte im Garten und meinte: dein Garten hat wohl gerade eine Blühpause? Nun ja, es springen einem zur Zeit keine grossen, bunten Blüten ins Auge. Das Pflaumenblau der Iris und das leuchtende Grüngelb der Wolfsmilch schaffen es noch am ehesten, etwas Aufmerksamkeit zu erzielen.
Weit gefehlt jedoch, was die Blühfreudigkeit anbelangt: Der Maigarten ist im Moment übersät mit unscheinbaren Blüten von verschiedenen Wildstauden. Diese Wildstauden finden den Weg ganz alleine in den Garten, suchen sich ihren passenden Standort aus und sind dadurch am richtigen Platz. Kriechender Günsel, Gundelrebe, erdbeerblättriges Fingerkraut, Goldnessel, Wundklee, Zaunwicke, Frühlingsblatterbse, Wiesenschaumkraut, Knoblauchhederich: sie alle gelten als Unkräuter, werden aber in unserm Naturgarten nicht bekämpft.
Auf die Blüten dieser «Unkräuter» haben es nämlich Langhornbienen, Pelzbienen, Furchenbienen, Mauerbienen, Hummeln, blaue Holzbienen und etliche Schmetterlinge wie der Zitronenfalter oder der Aurorafalter abgesehen!
Unkraut spriessen lassen? Ja, denn an diese Kräuter sind unsere Insekten seit Jahrtausenden angepasst. Das Überhandnehmen einer dieser Pflanzenart kann mit kreativ selektivem Jäten gut verhindert werden. Aber Achtung beim Jäten des Knoblauchhederichs Alliaria petiolata! Bei diesem mache ich, bevor er im April zu blühen beginnt, eine exklusive Jät-Runde im Garten und widme ihm meine ganze Aufmerksamkeit. Denn was ich von ihm stehen lasse, muss ein ganzes Jahr lang vor Ort stehenbleiben und somit gut überlegt sein.
Warum denn das? Lasst uns auf die Reise mit dem Aurorafalter gehen und die Etappen seines Werdens sehen: sein Zyklus dauert ein ganzes Jahr!
Im Frühling legt das Aurorafalter Weibchen nach der Paarung seine orangen Eier an die Pflanze.
Kurz darauf schlüpfen die Räuplein, die am Knoblauchhederich fressend zu Raupen heranwachsen, sich verpuppen und so überwintern.
Frisch geschlüpftes Räuplein des Aurorafalters © Christine Dobler Gross Die Farbe der Räuplein kann variieren. © Christine Dobler Gross Ausgewachsene Raupe © Christine Dobler Gross Die Raupen sind erkennbar am hellen Streifen auf der Seite. © Christine Dobler Gross Die Raupe hängt sich zur Verpuppung in einem Faden an die Futterpflanze. © Christine Dobler Gross Die dreieckigen Puppen überwintern, die geschlüpften Falter gaukeln erst im Folgejahr wieder durch den Frühling. © Christine Dobler Gross Kurz vor dem Schlüpfen im Frühling erkennt man schon, dass es sich um ein Männchen handelt. © Christine Dobler Gross
Der Knoblauchhederich wächst gerne auch an halbschattigen Wegrändern. Wenn Wegränder immer wieder gemäht werden, vernichtet man die Futterpflanzen und die Raupen sowie deren Puppen.
An nur alle zwei Jahre gemähten Waldwegrändern könnte Knoblauchhederich, Waldziest, Akelei, Waldmeister, Einbeere usw. einen artenreichen Wegrand bilden, wertvoll für Fauna und Flora und zur Freude der Spaziergänger*innen.
Der Knoblauchhederich ist aber nicht nur die Nahrungspflanze der Aurorafalterraupen. Die Blüten dieses Kreuzblütlers werden auch gerne von Wildbienen und anderen Insekten besucht.
Osmia brevicornis, eine nicht häufige Wildbiene, ist auf Kreuzblütler angewiesen. © Christine Dobler Gross Auch die Sandbiene Andrena gravida ist auf ihr anzutreffen. © Christine Dobler Gross Hier eine kleine Furchenbiene © Christine Dobler Gross Eine frisch geschlüpfte Schwebfliege © Christine Dobler Gross Ein Zipfelkäfer frisst Pollen. © Christine Dobler Gross Eine kleine Kürbisspinne turnt auf der Pflanze herum. © Christine Dobler Gross
Die leicht nach Knoblauch schmeckenden Blätter und dekorativen Blüten können unserm Salat eine feine Würze verleihen. Die Pflanze ist also Wildgewürz, Heilpflanze, Wildbienen- und Schmetterlingspflanze in einem – und erst noch gratis zu haben! Toleranz ihr gegenüber und auch den andern unscheinbaren Wildkräutern in unsern Gärten und entlang Wegen ist effiziente Insektenförderung im Siedlungsraum. Und sind sie nicht auch hübsch anzusehen?
Vielen Dank für diesen Blogbeitrag, liebe Christine! Man lernt immer etwas dazu. Nun schaue ich meinen Knoblauchhederich ganz anders an. Und tatsächlich: Ich habe mehrere der kleinen roten Eier des Aurorafalters entdeckt!
Gratuliere zum spannenden, farbenfrohen und inspirierenden Beitrag über die unscheinbaren Kräuter und insbesondere den Zyklus des Aurorafalters – nun werde ich die Entwicklungen mit neuem Verständnis beobachten können. Danke!
Diese sorgfältig fotografierte und kommentierte Bilderreihe begeistert mich richtig. So viel verschiedenartige Pflanzen und Tiere entwickeln sich auf begrenztem Raum – sofern man sie richtig leben lässt…
Herzlichen Dank
Marianne Biedermann
Danke für die Weiterbildung Aurora-Falter. Er ist häufig in unserem Wildgarten und der eingewanderte Knoblauchhedering auch. Übrigens sind die Blätter nur frisch verwendbar. Gedämpft verlieren sie den Geschmack.