Amazonen sind Wasserraten, Aras sind bestechlich, auch kleine Papageien machen grossen Lärm und die Pflege von Papageien braucht viele helfende Hände – das und noch vieles mehr, habe ich bei meiner zweitätigen Mitarbeit auf der Auffangstation für Papageien und Sittiche in Matzingen gelernt.
Ein Zuhause für 230 Papageien
Eine Papageienauffangstation in der Schweiz, einem Land frei von wild lebenden Papageienvögeln?! Ist das nötig? Sehr wohl, wenn man die Anzahl fliegender Bewohner betrachtet: Rund 230 Vögel, die rund 40 Papageienarten – darunter Sittiche, Kakadus, Amazonen und Aras – umfassen, haben in den Volieren in Matzingen ein neues Zuhause gefunden. Im Tierheim für Papageien werden ausgesetzte, blinde, verletzte und beschlagnahmte Tiere ebenso wie Feriengäste von zwei Tierpflegerinnen sowie zusätzlichen Helfern liebevoll umsorgt.


Mein zweitägiger Schnupperbesuch beginnt…
Während zweier Tage durfte ich den helfenden Händen in der Auffangstation für Papageien und Sittiche (APS) in Matzingen über die Schultern schauen und möchte nun gerne meine Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen der gefiederten Art mit Ihnen teilen:
7:00 Uhr: Geräuschvoller Empfang
Bereits von Weitem hört man die Rufe der Papageienvögel. Und so überrascht es wenig, dass mir beim Betreten der APS ein ohrenbetäubender Lärm entgegenschlägt. Doch die hohen, schrillen Töne – die von kleinen Kehlen ebenso laut schallen wie von grossen – verschallen überraschenderweise bereits nach wenigen Stunden zu einem wirren Hintergrundgeräusch. Eine kleine Kostprobe des Papageienkonzerts gibt es hier:
7:10 – 8:00 Uhr: Rüsten und Putzen
Als erster Punkt auf der Tagesordnung steht das Rüsten von Gemüse und Obst, das mehrheitlich aus Spenden von ausgemusterter, aber dennoch einwandfreier, Ware umliegender Supermärkte stammt. Dabei wird so ziemlich alles verwertet. Die Papageienvögel machen selbst vor Zwetschgensteinen nicht Halt. Nur Kohl und Tomaten scheinen den Exoten weniger zu munden.


8:00 – 10:00 Uhr: Putzen und Papageien-Einmaleins
Dann geht’s ab in die Volieren. Unter Anweisung von Cathrin Zimmermann, der ausgebildeten Tierpflegerin, sammle ich die Futter- und Trinkschalen vom Vortag ein, räume den Kot zusammen und putze die Käfige. Dabei lotst sie mich um die eher angriffslustigen Vögel herum und sendet mich stattdessen zu den gemütlicheren Gesellen, wie dem blinden Mohrenkopfpapagei Cherry, der am Boden nach Samen suchend umhertapst.

Immer wieder halten wir inne und Cathrin Zimmermann plaudert aus dem Nähkästchen oder gibt etwas von ihrem umfassenden Papageien-Fachwissen Preis. So gelingt es mir zumindest, nach zwei Tagen Kakadus, Amazonen, Aras, Sittiche und Edelpapageien unterscheiden zu können. Ausserdem erfahre ich, dass roter Kot kein Grund für Aufruhr ist, sondern lediglich auf den Verzehr von Peperoni zurückzuführen ist.

Und wieso die Papageienkennerin Graupapageien als hinterlistig bezeichnet, erfahre ich postwendend bei meinem nächsten Volierenbesuch. Währenddem ich fleissig Kothaufen zusammenschaufle, werde ich auf Schritt und Tritt von mehreren Graupapageien verfolgt. Nichts ahnend verrichte ich meine Arbeit vor den beobachtenden Augen der ruhig anzumutenden Verfolger, als sich plötzlich einer der Exoten auf meine Füsse stürzt. Nach einer gezielten Abwehr meinerseits folgt jedoch nach wenigen Minuten Verfolgung ein erneuter Angriff von Seiten der grauen Front. Ob dies ein Beispiel für die generelle Hinterlistigkeit der grau gefiederten Papageien oder lediglich eine grosse Vorliebe von Caruso, dem Kongo-Graupapagei, für Füsse ist, sei mal dahingestellt.

10:30 – 12:00 Uhr: «Raubtierfütterung»
Nach einer Kaffeepause und zwei Runden Rommé (ein Kartenspiel) geht es weiter im Programm: Die «Raubtierfütterung» steht an. Mit reichlich Gemüse, Obst und Körner «bewaffnet» begebe ich mich erneut in die Volieren. Ob der schmackhaften Mitbringsel erhalte ich vielerorts deutlich mehr Aufmerksamkeit als bei den vorhergehenden Putzarbeiten. Und dass besonders Nüsse beliebt und somit eine gute Bestechung sind, erlebe ich im Heim der Soldatenaras. Genüsslich und friedlich fressen mir die vier Geschwister, nachdem sie die Wal- und Haselnüsse erblickt haben, aus der Hand.

12:00 – 15:00 Uhr: Nichts für Stauballergiker
Nachdem die Papageien als auch ich verpflegt wurden, steht das tägliche Kehren und Wischen an. Die roten Böden sollen von den Holzpellets, die in der Regel die Böden der Volieren bedecken, sowie von Kartonresten der Spielzeuge befreit werden. Doch nebst den Pellets sind es vor allem flaumige Federn und viel Staub die mir einige Nieser entlocken. Für Stauballergiker wäre diese Arbeit also eindeutig nicht geeignet;)

15:00 – 16:00 Uhr: Wasser marsch!
Bewaffnet mit einer Rückenspritze trete ich zur letzten Aufgabe des Tages an. Für mich und die (Mehrheit der) Vögel ist es einer der spassigsten Teile des Tages: Mit kräftigem Pumpen entlocke ich der Rückenspritze das enthaltene Wasser und verpasse den Papageien, und gelegentlich auch mir, eine Dusche. Dabei stellt sich heraus, dass die Mehrheit der Amazonen wahre Wasserraten sind. Mit ausgebreiteten Flügeln nehmen sie das kühle Nass in Empfang und äussern mit lautem Rufen ihren Wunsch, erneut geduscht zu werden. Ganz anders sieht es bei den hinterlistigen Graupapageien und den Sittichen aus: Rasant fliegen sie von einem Ende des Käfigs zum anderen, um der Dusche entrinnen zu können.

Das Fazit meines Schnupper-Besuchs
Mit durchnässter Kleidung – teils von den schweisstreibenden Arbeiten, teils von der Papageien-Dusche – verlasse ich die APS nach zwei aufregenden und lehrreichen Tagen. Ich denke, dass manche Papageienliebhaber gut daran täten, der APS vor der Beschaffung eines Vogels ebenfalls einen solchen Schnupper-Besuch abzustatten. Denn wer zusammen mit den Helfern anpacken muss, der erkennt, dass einem die Pflege der gefiederten Exoten wahrlich viel Arbeit sowie Fürsorge und Hingabe abverlangen – wohl mehr als Vielen bewusst ist.
War sicher abwechslungsreich in der Papageienstation. Aber gehört das auf naturschutz.ch? Ich meine nicht.