Kleine Krabbeltiere mit grossem Wert für die Gesellschaft – dass Bienen und Co. eine wichtige Bestäubungsleistung erbringen, ist längst keine Neuigkeit mehr. Heute beleuchten wir die Bestäubungsleistung der Insekten genauer und zeigen, welche Bedeutung sie auch für den Menschen haben und wie der Einzelne sie fördern kann.
Text von ohnegift.ch, geschrieben von Solène Schaub
Global wie auch in der Schweiz – besonders im Vergleich mit unseren Nachbarsländern – schwindet die Biodiversität und damit ein wichtiger Pfeiler unserer Lebensgrundlage. [1] Dieser Vielfalts-Schwund ist auch bei den Bestäuberinsekten zu beobachten. Dabei sind die Tiere für das Überleben von vielen anderen Lebewesen, einschliesslich dem Menschen, von grosser Bedeutung. Durch ihre tagtägliche Bestäubungsaktivität erbringen sie eine bedeutende Leistung. Doch was heisst Bestäubung überhaupt genau?
Wie funktioniert Bestäubung?
Bestäubung bedeutet Transport von Pollen (männliche Fortpflanzungsorgane von Blütenpflanzen) zur Narbe (Rezeptor des weiblichen Fortpflanzungsorgans). Nur wenn ein Pollenkorn von der richtigen Pflanzenart auf die Narbe kommt, kann eine Frucht im Fruchtknoten heranwachsen. Durch diesen Prozess können Blütenpflanzen sich sexuell vermehren. Dabei entstehen – wie bei uns Menschen – neue genetische Kombinationen bei den Nachkommen. Gewisse Pflanzen lassen den Pollen mit dem Wind transportieren, die meisten Blütenpflanzen sind jedoch darauf ausgelegt, dass der Pollen durch Insekten von einer Blüte in eine andere getragen wird. Dabei sind die Insekten eigentlich ihrerseits auf Nektar- oder Pollensuche und verteilen ganz nebenbei gesammelte Pollen in neuen Blüten. [2]
Und welche Insekten bestäuben?
Zu den bestäubenden Insekten gehören Bienen (Wild- und Honigbienen), Tag- und Nachtfalter, Wespen, Fliegen (vor allem Schwebfliegen), Käfer und Ameisen. Die grösste Rolle spielen dabei die Bienen, zu denen übrigens auch Hummeln gehören. Im Gegensatz zu den anderen Bestäuberinsekten ernähren sie nicht nur sich selbst mit Nektar und Pollen, sondern auch ihren Nachwuchs. So besuchen sie im Vergleich eine Vielzahl an Blüten und haben effiziente Sammelmechanismen entwickelt. [3]
Honigbiene vs. Wildbienen
Honigbienen und Wildbienen sind also die bedeutendsten Insekten unter den Bestäubern. Dabei unterscheiden sich die beiden in ihren Verhaltensweisen. Im Gegensatz zur Honigbiene leben ausser den Hummeln und Furchenbienen praktisch alle Wildbienen solitär (= alleine) und nicht in einem sozialen Verband. Über ein Drittel der Schweizer Wildbienenarten sind auf bestimmte Pflanzenarten oder –gattungen spezialisiert und somit wichtig für deren Fortpflanzung. Umgekehrt können diese Wildbienen nur dort vorkommen, wo genügend Blüten dieser Pflanzenarten vorkommen, denn ihr Flugradius beträgt meist nur wenige 100 Meter (Hummeln bis 1.75 km). [4] Honigbienen sind bei ihrer Blütenwahl wenig wählerisch (Fachbegriff: oligolektisch), dafür aber nicht in der Lage, spezialisierte Pflanzen zu bestäuben. Ein weiterer Unterschied findet sich in der Aktivitätszeit: viele Wildbienenarten (besonders Hummeln) machen Blütenbesuche bei Kulturpflanzen auch noch bei Temperaturen und Wetterbedingungen, bei denen Honigbienen nicht mehr ausfliegen. [5] Die Tiere ergänzen sich also gegenseitig, weswegen für eine erfolgreiche und ertragsreiche Bestäubung die Kombination von verschiedenen Bestäubern vorteilhaft ist. Generell kann jedoch gesagt werden, dass die Bestäubungsleistung von Wildbienen unverzichtbar für die Pflanzenvielfalt und Ertragssicherung ist, weil sie Kulturen effektiver bestäuben als Honigbienen. [6]
Ohne Bestäuber keine Ernte
Ohne bestäubende Insekten gäbe es viele unserer Kultur- und Wildpflanzen nicht. Sie stellen sicher, dass die Ernte heranreift und sich Pflanzen sexuell fortpflanzen können. Weltweit profitieren über 85% aller Blütenpflanzen von Bestäubung und für die Hälfte würde die Samenproduktion ohne Bestäuber komplett wegfallen. [3] Die insektenbestäubten Kulturen in der Schweiz nehmen schätzungsweise eine Fläche von 40’000 – 50’000 ha ein und können in folgende Gruppen eingeteilt werden [7]:
- Ackerbaukulturen (Raps, Sonnenblume, Ackerbohne, Soja)
- Kernobst (Äpfel und Birnen)
- Steinobst (Kirschen, Zwetschgen, Aprikosen)
- Beeren (Erdbeere, Himbeere, Heidelbeere usw.)
- Gemüse (Tomaten, Gurken, Kürbis usw.)
- Saatgutproduktion für Futterbau (Klee, Luzerne usw.)
Der geschätzte jährliche Produktionswert durch die Bestäubungsleistung belief sich im Jahr 2014 auf CHF 341 Millionen in der Schweiz. [7] Das ist mehr als vier Mal so viel wie die gesamten Imkereiprodukte hergeben. Es ist jedoch zu beachten, dass die Zahl eine Schätzung mit einigen unbekannten Faktoren ist und mehr als Richtwert gesehen werden soll (in Realität ist die Zahl wohl höher). Zudem ist der «Biodiversitätswert» aus der Bestäubung von Wildpfalzen nicht mit eingerechnet. Studien der Agroscope [7] haben z.B. für Obstbäume ein nicht ausgeschöpftes Ertragspotential festgestellt, das durch bessere Bestäubung genutzt werden könnte. Eine andere Studie hat berechnet, dass der durchschnittliche globale Erntepreis um 187% steigen würde, wenn auf globaler Ebene Bestäuber aussterben würden.[8]
Ohne Bestäuber keine Vielfalt
Nicht nur agrarökonomisch und aus Sicht der Lebensmittelsicherheit sind Bestäuber wichtig, sondern auch für die Stabilität von terrestrischen Ökosystemen. [9] Durch ihre Bestäubungsaktivität tragen die Insekten zur Erhaltung von Wildpflanzen bei. Wildpflanzen sind ihrerseits ein wichtiges Glied im Nahrungsnetz, denn viele andere Lebewesen (z.B. herbivore, also sich ausschliesslich von Pflanzen ernährende, Tiere) sind von ihrer Existenz abhängig. Der Vorteil der Insektenbestäubung ist dabei nicht nur der Fakt, dass sich Pflanzen vermehren können, sondern auch die Art und Weise, wie sich die Pflanzen vermehren. Einige Pflanzen sind nämlich auch zur vegetativen Vermehrung (Vermehrung über Pflanzenteile, dabei entstehen zur Elternpflanze genetisch identische Individuen) oder zur Selbstbefruchtung imstande. Die Selbstbefruchtung ist zwar eine sexuelle Vermehrung, jedoch sind die Nachkommen genetisch sehr ähnlich zur Elternpflanze. Durch eine sexuelle Fortpflanzung, bei der zwei verschiedene Pflanzen beteiligt sind, entstehen neue genetische Kombinationen. Diese bringen viele Vorteile mit, denn ein grosser Genpool (Summe aller Genvariationen einer Art) macht die Art resilienter gegen Störungen und weniger Anfällig für Krankheiten. Eine Studie aus Frankreich [10] hat vor kurzem entdeckt, dass der Rückgang von Bestäuberinsekten zu einer vermehrten Selbstbefruchtung von Pflanzen geführt hat. Dies wiederum kann den Rückgang der Bestäuber weiter beschleunigen. Dies ist eine erschreckende Entwicklung. Sie kann – wegen der fehlenden genetischen Diversität – zur weiteren Destabilisierung unserer Ökosysteme führen.
Alarmierender Rückgang in den letzten Jahrzehnten
Leider hat der Bund aus der Gruppe der Bestäuberinsekten bislang erst eine Rote Liste der Tagfalter und Widderchen erstellt. Es fehlen namentlich Rote Listen der Wildbienen, Wespen, Schwebfliegen und Nachtfalter. [11] Die Rote Liste der Wildbienen liegt dem BAFU zwar schon länger vor, ist aber immer noch nicht erschienen. Immerhin ist daraus bekannt, dass von den gut 600 in der Schweiz über die letzten 200 Jahre festgestellten Wildbienenarten 45% gefährdet oder bereits ausgestorben und 10% potentiell gefährdet sind. [12] In den letzten Jahrzehnten wurde ein starker Rückgang dieser Bestäuberinsekten festgestellt, sodass Experten von einer «Bestäubungskriese» sprechen. [13] Diese betrifft Wildbienen viel stärker als Honigbienen (siehe dazu roter Kasten «Exkurs Honigbiene») und bedroht Wildbienen mit unterschiedlichem Nistverhalten prozentual ähnlich. Die Hauptgründe für die Gefährdung der Wildbienen und anderen Bestäuberinsekten sind dabei Lebensraumverlust und Umweltgifte. [6]
Exkurs Honigbiene:
Die Honigbiene, als vom Menschen gepflegte und gehegte Art, ist nicht gefährdet. Sie leidet zwar unter dem Befall der Varroa Milbe (Varroa destructor) [14], kann jedoch durch den Menschen beliebig reproduziert und bei Nahrungsmangel mit Zucker gefüttert werden. Da die Honigbiene als staatenbildendes Nutztier hohe Bestandesdichten erreicht und dieselben Nahrungsressourcen nutzt, stellt sie eine direkte Konkurrenz zu Wildbienen dar. Sowohl im städtischen [15] als auch in naturnahen [16] Gebieten wurden verminderte Blütenbesuche von Wildbienen wegen der Honigbienenhaltung festgestellt. Es sind also vor allem die Wildbienen, die durch diverse Stressoren unter Druck gelangen.
Rolle der Umweltgifte
Die Gefährdung von Wildbienen durch Umweltgifte ist zweiteilig. Beide Effekte entstehen aus der Intensivlandwirtschaft:
- Nahrungsknappheit: Eine seit Jahrzehnten andauernde Überdüngung von Wiesen und Feldern durch Kunstdünger, Mist und Gülle hat dazu geführt, dass die Anzahl und Vielfalt der Blütenpflanzen enorm zurückgegangen ist. Fromentalwiesen etwa sind zwischen 1950 und 1970 praktisch verschwunden und 90 Prozent der verbliebenen sind botanisch stark verarmt. Kein anderer Lebensraum in der Schweiz ist so dramatisch zurückgegangen. [17] Dünger, auch wenn er für Menschen wenig giftig ist, stellt für Bestäuberinsekten ein schlimmes Umweltgift dar.
- Direkte Schädigung: Viele Pflanzenschutzmittel, und zwar nicht bloss Insektizide, sondern auch Herbizide und Fungizide vergiften neben «Schädlingen» auch Bestäuberinsekten. Sie können in gewissen Fällen sogar genetische Veränderungen bei den Tieren hervorrufen. [18] Andere wiederum führen zu Orientierungsproblemen und Verhaltensänderungen. [19]
In Anbetracht der vielen Leistungen, die Bestäuberinsekten für uns Menschen und die Ökosysteme erbringen und dem unverzichtbaren Anteil der Wildbienen daran, ist ihr Rückgang eine tragische Entwicklung. Deswegen gilt es umso mehr, die noch vorhandenen Bestände zu erhalten und Massnahmen für eine Wiederausbreitung der Bestäuberinsekten zu schaffen.
Förderung von Bestäubern
Massnahmen zur Wildbienenförderung haben sich in der Vergangenheit bereits bewährt. Nun gilt es, diese weiter zu optimieren und grossflächig anzuwenden. Dazu gehören: Förderung eines durchgehenden Blütenangebots, Schaffung von Nistplätzen, Reduzierung von Pestiziden. Wichtig dabei ist, die Massnahmen zu kombinieren. Eine Erhöhung des Blütenangebots bei gleichzeitig hohem Pflanzenschutzmitteleinsatz kann beispielsweise gegenteilige Effekte haben.
Und was können Sie als Einzelperson tun?
- Nehmen Sie es sich als Neujahrsvorsatz, ihren Garten oder Balkon diesen Frühling wildbienenfreundlich zu gestalten. Das geht ganz einfach mit ein paar Wildpflanzen. Die nutzen nicht nur den Insekten als Nahrung, sondern sehen auch schön aus uns sind pflegeleicht. Geeignete Pflanzenarten können Sie über diese Onlinetools finden:
– https://www.bee-finder.ch/de/ (Wildbienen und Pflanzen nach Orten)
– https://futureplanter.ch/ (Wildstauden Sets zusammengestellt nach Regionen) - Sehen Sie davon ab, Honigbienen zu halten, um den Konkurrenzdruck von Honig- auf Wildbienen nicht weiter zu verstärken. Schaffen Sie lieber Nistplätze und ein entsprechendes Blütenangebot für gefährdete Wildbienen.
- Verwenden Sie in ihrem Garten oder auf der Terrasse höchstens biologische Pflanzenschutzmittel, jedoch keine Pyrethroide (diese kommen zwar auch in der Natur vor, töten aber bereits in kleinsten Mengen Insekten).
- Essen Sie möglichst Bio-Lebensmittel.
- Unterstützen Sie politische Vorstösse, die Bestäuber im Landwirtschaftsgebiet fördern (z.B. Biodiversitätsinitiative).
- Verbreiten Sie diesen Artikel und sensibilisieren Sie Freunde und Bekannte.
Quellen:
[1] https://www.biodiversitaetsinitiative.ch/biodiversitatskrise/
[2] Pickhardt & Fluri (2000): Die Bestäubung der Blütenpflanzen durch Bienen Biologie, Ökologie, Ökonomie
[3] Bienenfachstelle Kanton Zürich (2024): Bedeutung für Mensch und Umwelt
[4] BAFU (2022): Wild und wertvoll und Flugradius Hummeln: https://www.wildbienen.de/wbs-dist.htm
[5] Tuell & Isaac (2010): Weather During Bloom Affects Pollination and Yield of Highbush Blueberry
[6] Garibaldi et al (2013): Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey bee abundance
[7] Sutter et al (2021): Bestäubung von Kulturpflanzen durch Wild- und Honigbienen in der Schweiz: Bedeutung, Potential für Ertragssteigerungen und Fördermassnahmen.
[8] Uwingabire & Gallai (2024): Impacts of degraded pollination ecosystem services on global food security and nutrition
[9] Guntern et al. (2014): Bienen und andere Bestäuber. Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT)
[10] Acoca-Pidolle et al (2023): Ongoing convergent evolution of a selfing syndrome threatens plant–pollinator interactions
[11] Vgl. Zum Stand der Roten Listen des BAFU
[12] Bienenfachstelle Kanton Zürich (2023): Gefährdungslage
[13] Goulson et al. (2015): Bee declines driven by combined stress from parasites, pesticides, and lack of flowers
[14] Genersch (2010): Honey bee pathology: current threats to honey bees and beekeeping
[15] MacInns et al (2023): Decline in wild bee species richness associated with honey bee (Apis mellifera L.) abundance in an urban ecosystem
[16] Torné-Noguera et al (2016): Collateral effects of beekeeping: Impacts on pollen-nectar resources and wild bee communities
[17] Bosshard (2016): Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas, S. 17
[18] Belsky & Joshi (2020): Effects of fungicide and herbicide chemical exposure on Apis and non-Apis bees in agricultural landscape
[19] Chandler et al (2020): Exposure of the common eastern bumble bee, Bombus impatiens (cresson), to sub-lethal doses of acetamiprid and propiconazole in wild blueberry
Sehr richtig! Dazu muß die Landwirtschaft wieder kleinteilig werden, mit am besten maximal 5 Hektar pro Ackerfrucht, jährlich wechselnde Ackerfrucht mit 6- bis 7-jähriger Fruchtfolge, und mindestens 5% der Acker- und Grünlandflächen als Blühstreifen! wie z. B. im Kattendorfer Hof (https://www.kattendorfer-hof.de/bio-bauernhof/)