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Wird die Schweiz zum Sammelbecken der Problempestizide?

Der Bund will auf Druck einer Parlamentsmehrheit die Pflanzenschutzmittelverordnung revidieren. Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände halten den vorliegenden Entwurf für gefährlich und fordern vom zuständigen Bundesamt eine gründliche Überarbeitung.

Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände sind sich einig: Der Entwurf zur Revision der Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) ist gefährlich. Denn der Entwurf enthält keine Risikoprüfung für Mensch und Natur, wie sie für eine solche Vorlage mit potenziell weitreichenden Folgen eigentlich zwingend wäre. Zudem verkenne der Entwurf den ausreichenden Schutz unseres Trinkwassers vor langlebigen Pestizidrückständen, die von hochgiftigen Pestiziden ausgehen, schreiben neun Organisationen in einer gemeinsamen Medienmitteilung.

Die Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände erwarten, dass bei einer derart tiefgreifenden Revision der Pflanzenschutzmittelverordnung zwingend eine Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) über mögliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Trinkwasserressourcen, aber auch auf die gesamte Umwelt durchgeführt wird, wie es die RFA-Richtlinien des Bundes verlangen. Was sonst üblich ist, hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) beim vorliegenden Entwurf versäumt. Dies muss unbedingt nachgeholt werden. Alles andere wäre unverantwortlich. Deshalb fordern die Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände das BLV auf, den Entwurf zurückzuweisen und – zusammen mit einer Risikofolgenabschätzung – neu aufzulegen.

Gesundheits- und Umweltprüfung soll in der Schweiz abgeschafft werden

Heute muss ein Pestizid in der Schweiz eine Gesundheits- und Umweltprüfung bestehen, bevor es bewilligt werden darf. Umweltorganisationen kritisieren seit Jahren, dass namentlich die Umweltprüfung mangelhaft ist, weil etwa das Risiko für Amphibien (79% der Arten auf Roter Liste), Bestäuber-Insekten (ausser Honigbienen) oder aquatische Pilze (grundlegend für Gewässerökosystem) nicht geprüft wird. Ausserdem beklagen und belegen die öffentlichen Wasserversorgungen seit langem, dass die Trinkwasserressourcen ungenügend gegen langlebige Pestizidrückstände geschützt sind. So hätte eigentlich erwartet werden dürfen, dass diese Probleme mit der neuen Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) angegangen werden. Weit gefehlt! Neu soll sogar die Gesundheits- und Umweltprüfung abgeschafft werden, indem Bewilligungs-Entscheide von EU-Staaten übernommen werden. Die Übernahme von Bewilligungen aus EU-Staaten ist eine Forderung der Agrarlobby und Agrochemie. Sie hat eine Mehrheit im Parlament gefunden. Genannt wird sie im Entwurf der neuen PSMV (Art. 45) «erleichterte Zulassung» und sie dürfte angewendet werden bei EU-Staaten, in denen «vergleichbare» agronomische, klimatische und umweltrelevante Bedingungen wie in der Schweiz herrschen. Was unter «vergleichbar» gemeint ist, wird im Verordnungsentwurf nicht präzisiert.  

Massiver Druck auf Zulassungsbehörde befürchtet

Pestizide, die intensiv und für lange Zeit gegen «Schädlinge» wirken, töten auch am meisten Amphibien, Bestäuberinsekten oder Wasserorganismen und gefährden oft die Gesundheit der Menschen. Verkaufen lassen sich die Intensivsten aber am besten. Dies dürfte dazu führen, dass die Pestizidhändler vor allem die schädlichsten Pestizide aus EU-Länder in der Schweiz zur «erleichterten Zulassung» anmelden. Da in jedem EU-Land nur ein Teil der besonders umweltschädlichen Pestizide bewilligt ist, könnte die Schweiz mit der vereinfachten Zulassung zum Sammelbecken aller europäischen Problem-Pestizide werden. Nur schon in den Nachbarländern der Schweiz sind derzeit 50 teils sehr problematische Wirkstoffe und hunderte von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen zugelassen, die in der Schweiz bislang verboten sind. Die Gesundheits-, Umwelt- und Trinkwasserverbände befürchten einen massiven Druck auf die Zulassungsbehörde, solche Mittel in der Schweiz bei einer vereinfachten Zulassung zu bewilligen.

2 Kommentare

  1. Ich finde den ökonomielastig ausgerichteten Kurs unserer Landesregierung als bedenklich. Wer einmal (nicht als Tourist) in einem Land war, wo Trinkwasser Mangelware ist, kann über den kurzsichtigen Leichtsinn der hierzulande Verantwortlichen nur den Kopf schütteln

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