Die ungewöhnliche monatelange Regenarmut sowie die ausserordentliche Hitzeperiode beeinträchtigten 2018 die Oberflächengewässer erheblich, das zeigt das Beispiel Aabach bei Mönchaltorf. Ungenügend verdünntes Abwasser belastete die Wasserorganismen zusätzlich. Wie reagierten die Gemeinden? Wie wirkten Massnahmen wie die Notbewässerung, und wie kann man sich für künftige Trockenperioden wappnen?
Artikel aus der «Zürcher Umweltpraxis» (ZUP, Ausgabe Nr. 94)
≪Jahrhundert-Regenmangel in der Ostschweiz≫ – so dramatisch beurteilt MeteoSchweiz das letztjährige heisse Sommerjahr. Denn die Rekordwärme 2018 wurde von einer ungewöhnlichen monatelangen Regenarmut begleitet. Tatsächlich fielen in den acht Monaten von April bis November nur 59 Prozent der üblichen Regenmenge. Es fehlte also der Regen von mehr als drei normalen Sommermonaten. Dies ist deutlich das grösste Regendefizit in den Monaten April bis November in der Ostschweiz seit Messbeginn 1864.
Tiefer Wasserstand und hohe Temperatur – ein ungutes Paar
Aufgrund der geringen Niederschläge im Juli und August waren auch die Abflussmengen vieler Fliessgewässer im Vergleich zu den letzten Jahren sehr tief. Bei vier Fünftel der mittleren bis kleinen FliessGewässer lagen die Werte so tief wie im Trockenjahr 2003. Neben den niedrigen Wasserständen erreichten die Wassertemperaturen in manchen Fliessgewässern für Fische und andere Wasserorganismen kritische Werte (Infotext und Grafiken weiter unten).
Auch viele Zürcher Seen wiesen unterdurchschnittliche Pegelstände auf. In den obersten vier bis fünf Metern waren die Seen zwar sehr warm, darunter blieb das Wasser aber kühl und wies dank der kalten zweiten Winterhälfte 2017 / 18 bis in den Spätsommer gute Sauerstoffgehalte auf. Die geringe Wasserführung der Seeabflüsse brachte auch den Wasserkraftwerken ein schlechtes Jahr ein.
Fische kann man abfischen, Kleinlebewesen nicht
Unter grossem Interesse von Bevölkerung und Medien hat die Fischerei- und Jagdverwaltung (FJV) im Juli und August Fische aus insgesamt rund 200 Bachabschnitten abgefischt und in wasserreichere Gewässerabschnitte umgesiedelt. An praktisch ausgetrockneten Abschnitten gehen aber nicht nur Fische ein, sondern auch viele Fischnährtiere und Krebse stehen unter Stress. Biologische Untersuchungen des Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) belegten zwar, dass trotz geringer Wasserführung die meisten Arten der tierischen Kleinlebewesen den Sommer gut überstanden haben. Dort, wo Bäche jedoch trockengefallen waren, gab es einen Totalausfall. Wie schnell sich die Populationen wieder erholen, hängt stark von den Oberläufen ab, von wo die Organismen wieder einwandern.
Abwasser gut gereinigt – aber ungenügend verdünnt
Die Abwasserreinigung im Kanton Zürich ist auf sehr hohem technischem Stand, was sich nicht zuletzt auch darin zeigte, dass 2018 keine Verschlechterung der Qualität des eingeleiteten Abwassers eintrat. Bei sehr tiefen Gewässerabflüssen ist die Verdünnung des gereinigten Abwassers im Fliessgewässer viel schlechter als erwünscht. So wurden im Sommer 2018 unterhalb von Abwasserreinigungsanlagen (ARA) hohe Konzentrationen von Mikroverunreinigungen gemessen. Dies stellte über die hohen Wassertemperaturen hinaus eine zusätzliche Belastung der Wasserorganismen dar. Trotz des erhöhten Abwasseranteils mussten weder Badeverbote ausgesprochen werden, noch kam es zu abwasserbedingtem Fischsterben.
Grund- und Quellwasser litten – aber weniger als Bäche
Die akuten Auswirkungen der Trockenheit auf die grossen Grundwasservorkommen waren deutlich weniger ausgeprägt als auf die Oberflächengewässer. Dies liegt vor allem daran, dass die bedeutenden Grundwasservorkommen im Kanton Zürich von mittleren und grossen Flüssen gespeist werden und die Wasserführung dieser Flüsse die Grundwasservorkommen auch während der Trockenperiode 2018 noch zu alimentieren vermochten.
Am meisten von der Trockenheit betroffen waren neben kleinen Grundwasservorkommen Quellen, bei denen das Wasser aus relativ oberflächennahen Schichten stammt. Die Erträge können bei solchen Quellen deutlich zurückgehen, oder die Quellen können gar versiegen.
Die grösseren Grundwassersysteme reagieren in der Regel träge. Die Zürcher Grundwasserspeicher wurden bis heute noch nicht wieder vollständig aufgefüllt. Ende Mai 2019 lagen die in den kantonalen Grundwasserpegeln gemessenen Grundwasserstände ungefähr zur Hälfte immer noch tiefer als im langjährigen Schnitt und auch tiefer als ein Jahr zuvor.
Trinkwasserversorgung sichergestellt
In wenigen Gemeinden zeichneten sich in der zweiten Jahreshälfte lokale Engpasse ab. Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung war jedoch jederzeit sichergestellt. Einerseits macht sich in derart kritischen Phasen die umsichtige Planung bezahlt, welche seit vielen Jahren die Vernetzung der verschiedenen Versorgungsgebiete im Kanton verfolgt. Andererseits erweist sich als überaus hilfreich, dass die Trinkwasserversorgung zu 40 Prozent mit Zurichseewasser erfolgen kann. Versorgungsengpässe konnten künftig vor allem dort auftreten, wo für die Trinkwasserversorgung einzig kleine Grundwasservorkommen oder auf Trockenheit mit grossem Ertragsrückgang reagierende Quellen zur Verfügung stehen und keine Fremdwasserbezüge möglich sind. Grosse Wasserbezüger wie zum Beispiel Bewässerungsanlagen der Landwirtschaft oder Betriebe können zu einer Verschärfung der Situation beitragen.
Überregionale Vernetzung der Wasserversorgungen
Kanton nahm die Trockenheit sehr ernst
Auf kantonaler Ebene wurde unter der Führung der Kantonspolizei der ≪Teilstab Trockenheit 2018≫ der kantonalen Führungsorganisation KFO einberufen. Darin vertreten waren die Kantonspolizei Zürich, verschiedene kantonale Fachstellen aus der Baudirektion (AWEL, Fischerei- und Jagdverwaltung, Abteilung Wald, Kommunikation), Feuerwehr, Schutz & Rettung Zürich, Gebäudeversicherung Kanton Zürich GVZ sowie der Gemeindepräsidentenverband. In erster Linie wurde in diesem Gremium die Lage bezüglich der Waldbrandgefahr erörtert und entsprechende Empfehlungen abgegeben. Daneben wurde aus Sicht der diversen Fachbereiche über die Trockenheitssituation sowie getroffene Massnahmen informiert, beispielsweise über das Abfischen von Bachabschnitten oder über Zugangsbeschränkungen bei Oberflächengewässern zum Schutz von temperaturempfindlichen Fischen. Als Informationsinstrument für die Allgemeinheit stand die kantonale Webseite www.trockenheit.zh.ch zur Verfügung.
Notbewässerungen in der Landwirtschaft
Die anhaltende Trockenperiode wurde für landwirtschaftliche Kulturen kantonsweit zu einem ernsthaften Problem. Das AWEL hat darum bereits im Juli 2018 den Gemeinden die Kompetenz übertragen, Wasserentnahmen für landwirtschaftliche Notbewässerungen zu bewilligen. Dies war allerdings nur aus grossen und leistungsfähigen Gewässern gestattet: Zürich-, Greifen- und Pfäffikersee sowie Rhein, Thur, Limmat, Sihl, Reuss und Glatt.
Wasserrecht: Wieviel Wasser darf man aus Oberflächengewässern entnehmen?
Alle Wassernutzungen sind gesetzlich geregelt. So muss zum Beispiel bei Wasserentnahmen für jeden Gewässerabschnitt die zum Schutz der Wasserlebewesen vorgeschriebene Restwassermenge im Gewässer verbleiben. Sinken die Abflusswerte unter das Mass von Q347, kann vorübergehend die Wasserentnahme untersagt werden. Notentnahmen sind zudem nur möglich für Landwirte, nicht für Unternehmen oder Private.
Wie Gemeinden betroffen waren und reagierten
Einzelne Gemeinden riefen 2018 zum Wassersparen auf und stellten teilweise die am Versorgungsnetz angeschlossenen Laufbrunnen ab. Dies geschah in der Regel vorsorglich, um die eigenen Wasserressourcen zu schonen, da der Bezug von Fremdwasser in der Regel Mehrkosten verursacht. Um grössere Trockenheitsschäden an bewässerungsbedürftigen kommunalen Anlagen wie zum Beispiel Fussballplätzen zu vermeiden, wurden diese aber in der Regel bewässert. Wie viele Gemeinden eine Notbewässerungsstelle eingerichtet und wie viele Landwirte davon Gebrauch gemacht haben, wurde in einer Studie am Strickhof evaluiert: Von 1000 Landwirtschaftsbetrieben im Kanton Zürich besitzen rund 160 bereits eine Konzession zur Wasserentnahme, rund 60 weitere erhielten 2018 eine Bewilligung zur Notbewässerung.
Mit guter Kommunikation um Verständnis werben
Bei der Nutzung des Wassers müssen selbst im ≪Wasserschloss≫ Schweiz ganz unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden. Neben Landwirtschaft und Betrieben sind dies zum Beispiel die Trinkwasserversorgung, die Anliegen der Fischerei sowie der Naturschutz. Geht es darum, seine Kulturen zu retten, ist es für einen Landwirt wohl schwierig nachzuvollziehen, wenn er dafür aus einem nahegelegenen Gewässer kein Wasser entnehmen darf. Für Passanten mag es ebenso wenig verständlich sein, wenn die Wasserentnahme aus einem grösseren Gewässer wie der Thur oder auch der Glatt mit bereits ungewöhnlich tiefem Pegel zur Bewässerung oder Kühlung zugelassen wird. Schwierig kann es auch sein, der Bevölkerung zu erklären,warum eine Gemeinde Laufbrunnen abstellt und ihre Einwohnerschaft zum Wassersparen aufruft, gleichzeitig jedoch ihren Fussballplatz bewässert (s. o.). In all diesen Fällen hilft meist nur eine gute Kommunikation (zum Beispiel mit Plakaten vor Ort), mit der die Zusammenhänge aufgezeigt werden, um so Verständnis zu schaffen.
Wie sich die Gemeinden wappnen können
Um Kenntnis über das Ausmass der Trockenheit zu erlangen, versandte das AWEL einen Fragebogen an alle Wasserversorgungen, der demnächst ausgewertet werden kann. Bei Gemeinden, für die die Trockenheit 2018 eine besondere Herausforderung darstellte, wird das AWEL eine vertiefte Analyse der Auswirkungen der Trockenheit vornehmen. Sollte sich zeigen, dass es noch Potenzial für Verbesserungen gibt, werden entsprechende Massnahmen eingeleitet (z. B. Ausbau des zweiten Standbeins), um künftigen, eventuell sogar wiederholt auftretenden Trockenheiten mit noch grösserer Sicherheit begegnen zu können. Im Interesse der Gewässerqualitat werden zudem einige Abwasserreinigungsanlagen ausgebaut, damit sie auch Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser eliminieren können. Bei der Erneuerung einer ARA muss zudem geprüft werden, ob ein Anschluss an eine grössere Anlage mit Einleitung in ein leistungsstärkeres Fliessgewässer ökologischer und ökonomischer ist, analog zum Projekt am Oberlauf der Töss.
Kanton muss vorausschauend und strategisch planen
An einem runden Tisch wollen die betroffenen kantonalen Ämter eruieren, inwiefern vor allem die Massnahme der Notbewässerung die Auswirkungen der Trockenheit im Kanton lindern konnte. In jedem Fall muss die künftige Wasserentnahme aus Gewässern über die Erteilung von rechtsgultigen wasserrechtlichen Konzessionen geregelt werden und nicht über die Freigabe ausgesuchter Gewässer zur Notbewässerung, damit nicht alle zwei bis drei Jahre Bewilligungen für Notbewässerungen erteilt werden müssen. Nur so lässt sich auch die Einhaltung der Restwasserbestimmungen für die kantonalen Gewässer langfristig überwachen und sicherstellen. Im Oktober 2018 wurde der ≪Massnahmenplan zur Anpassung an den Klimawandel≫ festgesetzt. In Aus-, Weiterbildungs- und Beratungsangeboten des Strickhofs wird das Thema effizienter landwirtschaftlicher Bewässerungsverfahren intensiviert. Zudem sollen die Landwirtinnen und Landwirte zielgruppengerecht über die klimatischen Änderungen informiert werden, damit sie diese in ihren langfristigen betrieblichen Planungen berücksichtigen können. Darüber hinaus wird einerseits der Wasserbedarf flussufernaher Feuchtlebensräume aus Grund- und Oberflächengewässern beurteilt. Andererseits wird im Massnahmenplan die künftige Entwicklung des Wasserdargebots der grossen Flüsse und Seen analysiert. Beides dient der Abschätzung des künftig nutzbaren Wasserdargebots, zum Beispiel für Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke oder solchen zu Gunsten des Naturschutzes (Teiche, Moore etc.). Hier können die Interessen von Naturschutz, Fischerei etc. einbezogen werden, vielleicht muss gar über einen Verteilschlüssel nachgedacht werden. Bei Auswirkungen von Trockenheit und Hitze auf Gewässer spielt schliesslich auch deren Morphologie eine Rolle. So soll bei Revitalisierungen eine Niederwasserrinne realisiert werden, und es muss auf eine angemessene Beschattung geachtet werden.
Nach der Trockenheit ist vor der Trockenheit
Wie Daten von Meteoschweiz zeigen, waren die Witterungsverhältnisse der ersten Jahreshälfte 2019 bis Mai bisher durchschnittlich. Der Juni war überdurchschnittlich warm und lokal extrem trocken. Wie das Jahr 2019 insgesamt verlaufen wird, kann man noch nicht sagen. Mit weiteren Trockensommern muss gerechnet werden. Die Frage ist nicht, ob ein solcher Sommer erneut auftreten wird, sondern wann. Und das kann schon bald sein.