Die Feldlerche lebt als Bewohnerin offener Agrarlandschaften seit Jahrhunderten eng mit dem Menschen zusammen. Seit einigen Jahrzehnten ist sie jedoch durch die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft stark bedroht. Als Stellvertreterin für viele weitere bedrohte Arten des Kulturlandes steht die einst häufige Art für eine dringend nötige Neuausrichtung der Agrarpolitik. Nun hat BirdLife Schweiz die Feldlerche zum Vogel des Jahres 2022 gewählt.
Der Vogel des Jahres 2022 mag klein und unscheinbar sein, doch er ist einer der besten und ausdauerndsten Sänger unserer Vogelwelt. Minutenlang flattert die Feldlerche im Frühling über den Feldern und Wiesen und beglückt uns mit ihrem fast pausenlosen Gesang. Mit den jubilierenden Strophen versuchen die Männchen ein Weibchen zu gewinnen. Schon Shakespeare wusste von den Gesangskünsten der Feldlerche und hat ihr in seinen Stücken ein Denkmal gesetzt: «Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang» heisst es in dem berühmten Werk von Romeo und Julia.
Schneller Brüter
Die Feldlerche brütet am Boden in Wiesen und Äckern. Bereits im April legen die ersten Weibchen 4 bis 5 Eier, die im Schnitt 12 Tage ausgebrütet werden. Die Jungen verlassen danach das Nest nach 7 bis 12 Tagen. Das ist Rekord und die kürzeste Nestlingszeit unter den hiesigen Singvögeln. Doch selbst diese Anpassung ans Kulturland reicht heute nicht mehr aus, um erfolgreich brüten zu können. Weder findet die Feldlerche einen sicheren Brutplatz noch ausreichend Insekten und Spinnentiere als Nahrung. Wiesen werden heute zu stark gedüngt und bis zu 7-mal pro Jahr gemäht, sodass nur noch wenige Blütenpflanzen und Insekten überleben können. Sie wachsen ausserdem so einheitlich dicht auf, dass zwischen den Pflanzenhalmen kein Platz für die Feldlerche bleibt. Infolgedessen ist die Feldlerche aus den Wiesen des Mittellands so gut wie verschwunden. Aber auch in den Alpen ist sie zunehmend bedroht. Lediglich in Gebieten mit einem hohen Anteil an ungedüngten, spät geschnittenen Wiesen in Form von Biodiversitätsförderflächen BFF oder Schutzgebieten kommt sie noch in Restbeständen vor.
Dramatische Lage
In den Äckern hat sich die Lage für den Meistersänger in den letzten Jahrzehnten ebenfalls dramatisch verschlechtert. Auch hier ist Nahrung rar; Pestizide machen den Insekten den Garaus, Ackerrandstreifen als Rückzugsräume und Ackerbegleitflora als Nahrungsquelle für Insekten sucht man vielerorts vergebens. Resultat: Auch in den letzten Bastionen nimmt die Art ab – allein in den letzten 30 Jahren ist der Bestand in der Schweiz um fast die Hälfte geschrumpft. Im Mittelland ist der Rückgang an vielen Orten noch katastrophaler: im Kanton Zürich betrug er beispielsweise über 90% (1977: 2900 Reviere; 2017: 235 Reviere. Quelle: Avimonitoring Kanton Zürich). Ohne Schutzprojekte von BirdLife und Partnern wäre der Einbruch wohl noch grösser ausgefallen. Aufgrund dieser dramatischen Entwicklungen steht der einstige Allerweltsvogel nun erstmals auf der bald erscheinenden Roten Liste der Brutvögel der Schweiz (Kategorie «verletzlich»).
Falsche Anreize in der Agrarpolitik
Zwar gibt es einzelne Projekte in der Schweiz von BirdLife Schweiz und Partnern, in denen durch grosse Anstrengungen kleinflächige Erfolge beim Schutz der Feldlerche erreicht werden. Auf grosser Fläche reichen diese Massnahmen jedoch nicht, um die dramatischen Einbrüche der Bestände zu stoppen und den negativen Trend umzukehren. Die Agrarpolitik muss sich insgesamt ändern, damit diejenigen Landwirte besser unterstützt werden, die mit statt gegen die Natur wirtschaften. «Nur durch die richtigen Anreize einer ökologisch ausgerichteten Agrarpolitik lassen sich die Feldlerche und viele weitere einstmals häufige Arten unserer Kulturlandschaft langfristig erhalten», sagt Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. Wenn wir weiterhin die Böden überdüngen und ihnen zu wenig Möglichkeit der Regeneration geben, wird nicht nur die Feldlerche nicht überleben, sondern auch die Lebensmittelproduktion irgendwann einbrechen. «Für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion braucht es ein gesundes Ökosystem mit Brachen, auf denen sich die Böden und die Biodiversität erholen können, und mit Wiesen, die nicht mit unzähligen Tonnen an Futtermitteln aus dem Ausland in Form von Gülle überdüngt werden», so Raffael Ayé. Nur so gelingt eine nachhaltige Landwirtschaft, und nur so können wir langfristig das Überleben der Meistersängerin Feldlerche sicherstellen.
Alle Informationen und einen Kurzfilm über den Vogel des Jahres 2022 finden Sie hier.
Feldlerche
Ich sah solch einen Vogel kürzlich im Quartier!
Die Häuserschluchten waren früher sein Revier.
Einst war ihm diese Gegend Heimat und vertraut,
doch jetzt sind alle seine Felder überbaut.