Chemisch-synthetische Pestizide werden in der konventionellen Landwirtschaft in verschiedenen Kulturen wie im Ackerbau, Gemüseanbau oder Weinbau eingesetzt. Eine aktuelle Studie hat die Pestizidbelastung erstmals im Jahresverlauf untersucht. Sie zeigt, dass Stoffe nicht nur während der Spritzphasen in den Feldern nachweisbar sind, sondern ganzjährig und auch auf angrenzenden Wiesen. Die Auswirkungen dieser chronisch nachgewiesenen komplexen Pestizidmischungen auf die Umwelt sind bislang nicht ausreichend untersucht und könnten erheblich sein.
Seit den 1970er Jahren werden in der industriellen Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln im konventionellen Anbau flächendeckend chemisch-synthetische Pestizide zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung und Vorbeugung gegen Pilzkrankheiten eingesetzt. Diese werden mittels Sprühtechnik grossflächig ausgebracht — mehrfach pro Jahr und in Kombination verschiedener Wirkstoffe. Bis heute gibt es allerdings keinen Datensatz zur Belastung der Ackerböden, berichtet die Rheinland-Pfälzische Technische Universität in einer Medienmitteilung. Die Studie nahm die Anwesenheit von Pestizidwirkstoffen über ein ganzes Jahr auf.
Weltweit erste Studie mit Messungen übers ganze Jahr
Das Forschungsteam führte von Februar 2021 bis Februar 2022 erstmals eine Studie mit monatlicher Probenahme durch. In Deutschland wurden in je drei Feldern in im Acker-, Gemüse- und Weinbau und den angrenzenden Wiesen Boden- und Vegetationsproben genommen. Mit moderner Analysetechnik, mit der selbst geringe Konzentrationen nachgewiesen werden, wurden die Proben auf 93 gängige Pestizide untersucht.
Die Ergebnisse zeigen: Pestizide sind das ganze Jahr über in Böden und Vegetation in niedrigen Konzentrationen präsent. In den Böden fanden sich im Durchschnitt zehn verschiedene Pestizide. In der Vegetation konnten die Forschenden ebenfalls Pestizidmischungen nachweisen, hier jedoch mit jahreszeitlichen Schwankungen. Der Durchschnitt lag bei sieben Pestiziden in der Vegetation. «Wir konnten zeigen, dass komplexe Mischungen von Pestiziden in niedrigen Konzentrationen das ganze Jahr über präsent sind. Welche Auswirkungen diese chronische Belastung von Mischungen auf die Umwelt hat, ist weitgehend unerforscht», betont Umweltwissenschaftlerin Carolina Honert.
Pestizide: Dauerhafte Präsenz in Böden und Vegetation
Chemisch-synthetische Pestizide sind so konzipiert, dass sie gezielt wirken sollen. «Dennoch greifen viele dieser Stoffe grundlegende biologische Prozesse wie die Nervenleitung, Zellteilung oder die Synthese von Proteinen an, wodurch sie wenig spezifisch sind und auch viele so genannte Nicht-Zielarten wie Schmetterlinge oder Regenwürmer schädigen», erläutert der Ökotoxikologe Carsten Brühl. Diese unspezifische Wirkweise ist der Grund für die bestehende Risikobewertung für die Zulassung von Pestiziden. Allerdings werden im europäischen Zulassungsverfahren die Stoffe einzeln betrachtet und keine Mischungen bewertet. Aus Sicht der Forschenden unzureichend, denn Studien belegen den Zusammenhang zwischen Pestiziden und dem Rückgang der Artenvielfalt. Insbesondere beim Insektenrückgang in der Kulturlandschaft spielen sie eine herausragende Rolle.
Organismen wie Insekten leben das ganze Jahr über in und ausserhalb der Felder, als Ei im Boden, als Larve oder Raupe in der Vegetation und als ausgewachsenes Insekt dann in beiden Habitaten. «Daher ist es wichtig zu wissen, inwieweit die Böden und Pflanzen im Laufe des Jahres mit Pestiziden belastet sind», so Brühl weiter. Und nicht nur die Ackerböden sind betroffen. Auch in den umgebenden Wiesen sind im Boden und in den Pflanzen Pestizide nachweisbar, da sie mit dem Wind verdriftet werden.
Realität in der Pestizidzulassung nicht abgebildet
In der aktuellen EU-weiten Praxis der Zulassung werden Einzelstoffe geprüft, aber nicht die Wirkung der in der Umwelt tatsächlich vorkommenden Mischungen, die in Ackerböden bis zu 28 verschiedene Pestizide umfassen können. In der aktuellen Studie wurden auch Pestizide nachgewiesen, die nicht im Untersuchungsjahr ausgebracht wurden. Das deutet laut der Forschenden auf längere Abbauraten in der Umwelt hin, als durch die Risikobewertung im Rahmen der Zulassung angenommen.
«Die nachgewiesenen komplexen Mischungen, die in mehr als 300 verschiedenen Kombinationen vorlagen, können nicht über eine Risikobewertung abgedeckt werden», unterstreicht Brühl. Die Forschenden plädieren daher für die schnelle Umsetzung einer deutlichen Reduktion des Pestizideinsatzes und -risikos um 50 Prozent, wie es in weltweiten Zielen des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal für 2030 definiert wurde. Alternative Anbausysteme bestehen bereits in vielfältiger Weise, sie müssen nur breitenwirksam dargestellt und in der Fläche gefördert und umgesetzt werden.
Zur Originalpublikation:
C. Honert, K. Mauser, U. Jäger, C. A. Brühl. 2025. Exposure of insects to current use pesticide residues in soil and vegetation along spatial and temporal distribution in agricultural sites. Scientific Reports. doi.org/10.1038/s41598-024-84811-4