Die meisten Bäume leben in Symbiose mit Pilzen. Wie wichtig diese Gemeinschaft für das Wachstum ausgewachsener Bäume ist, zeigen ETH-Forschende mit einer umfangreichen Datenanalyse erstmals grossflächig für europäische Wälder auf.
Text von Peter Rüegg für die ETH Zürich, Originalpublikation in den ETH-News
Die Mehrheit aller Baumarten weltweit ist mit Wurzelpilzen, sogenannten Ektomykorrhiza, verbandelt. Diese bilden um die feinen Wurzeln ein dichtes Geflecht, versorgen die Bäume mit Nährstoffen und schützen sie gegen Krankheitserreger. Als Gegenleistung beziehen die Pilze von den Bäumen Energie in Form von Kohlenhydraten, welche die Bäume mithilfe der Photosynthese herstellen. Win-win also, und das ist seit langem bekannt.
Wie gross der Einfluss der Wurzelpilze auf das Wachstum ausgewachsener Waldbäume und gesamte Wälder wirklich ist, wurde bis anhin jedoch nur unvollständig verstanden. Die Forschung ging davon aus, dass physikalische Faktoren wie Temperatur, Niederschlag und der menschengemachte Stickstoffeintrag in den Boden das Wachstum von Bäumen am stärksten beeinflussen, während der Effekt der im Untergrund verborgenen Pilzgesellschaften schwierig zu messen war und übersehen wurde.
Dreimal schnelleres Wachstum
Der Postdoktorand Mark Anthony und Kolleginnen aus der Gruppe von Tom Crowther, Professor für globale Ökosysteme der ETH Zürich, zeigen nun aber für fünf am weitesten verbreitete europäische Waldbaumarten auf, dass unterschiedliche Pilzgesellschaften für eine grössere Variation des Baumwachstums sorgen als die an einem Standort herrschenden klimatischen Bedingungen sowie der menschengemachte Stickstoffeintrag. Die entsprechende Studie ist soeben in der Fachzeitschrift ISME erschienen.
«Unterschiede in den Wurzelpilzgemeinschaften sind verknüpft mit einer dreifachen Zunahme des Baumwachstums. Diese Pilze bieten eine bessere ökologische Erklärung für unterschiedliches Baumwachstum als andere Faktoren wie Temperatur und Niederschlag», sagt Erstautor Mark Anthony.
Pilze als Düngerlieferanten
Am schnellsten wachsen Bäume dort, wo Pilzgemeinschaften darauf spezialisiert sind, die anorganischen Stickstoffverbindungen Ammonium und Nitrat aus dem Boden aufzunehmen und diese den Bäumen zur Verfügung zu stellen. Anorganischer Stickstoff ist Bestandteil der meisten Dünger und fördert das Pflanzenwachstum besonders.
Das Wachstum der Waldbäume war langsamer, wenn die dazugehörigen Pilzgesellschaften daran angepasst sind, den Bäumen Stickstoff aus organischen Quellen verfügbar zu machen. Dieser Stickstoff ist in toter, abgestorbener Biomasse im Boden enthalten, und um ihn frei zu bekommen müssen die Pilze erst spezielle Enzyme bilden, welche die Biomasse verdauen und abbauen. Das kostet die Pilze mehr Energie, als wenn sie anorganischen Stickstoff direkt aus dem Boden herauslösen können. Und weil Pilze, die organischen Stickstoff aufschliessen, die dafür benötigte Energie von Baumpartnern beziehen, können die Bäume selbst weniger Energie in ihr eigenes Wachstum investieren.
Pilze und deren Funktionen bestimmt
Um zu diesen neuen Erkenntnissen zu kommen, bestimmten die Forschenden Wurzelpilze in Bodenproben von 137 europäischen Wald-Dauerbeobachtungsflächen. Anschliessend ordneten sie jeder gefundenen Pilzart deren vollständig entschlüsseltes Genom zu, um herauszufinden, welche Funktion jede Art im gesamten Waldsystem innehat. Schliesslich setzten die Forschenden die verschiedenen Funktionen der Pilze mit langjährigen Daten des Baumwachstums in Beziehung und deckten dadurch auf, wie Wurzelpilze und Baumwachstum zusammenhängen. Zu den untersuchten Baumarten gehören die Laubbäume Eiche und Buche sowie die Nadelbäume Kiefer und Fichte.
Baumpflanzungen mit optimalen Pilzen impfen
Die Ergebnisse werden sich auf die Forschung und die Forstwirtschaft auswirken: Wissenschaftler können nun Pilzarten und deren Eigenschaften identifizieren, welche Bäume schneller (oder langsamer) wachsen lassen. Somit kann diese Studie die Forstwirtschaft dabei unterstützen, gewisse Waldgebiete mit spezifischen Pilzgesellschaften zu beimpfen, um das Baumwachstum gezielt zu verändern.
«Bereits heute werden Baumpflanzungen mit Pilzen beimpft. Mit unserer Arbeit können wir helfen, diese Praxis auf eine gute wissenschaftliche Basis zu stellen und zu verbessern», sagt Anthony.
Er sieht auch Anwendungen in Bezug auf den Klimawandel und sich rasch ändernde ökologische Bedingungen. Einerseits könnte ein schnelleres Baumwachstum kurzfristig dazu beitragen, mehr Kohlenstoff aus der Luft zu binden. Andererseits könnten für Bäume, die als Folge der Klimaerwärmung an bestimmten Standorten schlechter wachsen, neue Pilzpartner gesucht werden, die ihr Überleben ermöglichen.
Überlebensvorteil in der Klimazukunft
«In Zukunft könnten Pilzgesellschaften, die organischen Stickstoff verwerten, für etliche Baumarten von Vorteil sein», sagt der Forscher. Denn die steigenden CO2-Konzentrationen und Temperaturen fördern das Pflanzenwachstum. Und um schneller wachsen zu können, zehren Bäume vom leicht verfügbaren anorganischen Stickstoff. Dadurch erschöpft sich dessen Reservoir rascher, das Wachstum könnte sich langfristig verlangsamen.
Anders die Pilzgesellschaften, die organischen Stickstoff verwerten: Diese Form ist im Boden reichlich vorhanden, aber schwieriger zu nutzen. Indem die entsprechenden Pilze diese Quelle erschliessen, könnten sie das Wachstum ihrer Baumpartner auch in Zukunft langfristig aufrechterhalten.
Literaturhinweis
Anthony MA, Crowther TW, van der Linde S, et al.: Forest tree growth is linked to mycorrhizal fungal composition and function across Europe. The ISME Journal, 2022, online publiziert am 10. Januar. doi: 10.1038/s41396-021-01159-7call_made
Besten Dank für den Interessanten Artikel.
Wäre es denn statt dem Beimpfen mit Pilzen und dem damit gewünschten Forcieren eines schnellen Wachstums auch auf ungeeigneten Flächen nicht besser, stattdessen als Folge der genannten Studie zu untersuchen, welche Gegebenheiten natürlicherweise die Entstehung und Begünstigung der identifizierten Pilz-Arten unterstützen?
Somit stünde statt der Möglichkeit einer noch stärkeren und gesteuerten Bewirtschaftung endlich einmal die Nachhaltigkeit und Selbsterhaltung gesunder Systeme im Fokus.
Wahrscheinlich zeigen die Resultate dann aber unerwünschte, unwirtschaftliche Gegebenheiten wie Notwendigkeit von Diversität, Totholzanteilen, Strukturen,… Das scheint wohl nicht gewünscht?!