Schnecken sind ein ständiges Thema unter Gärtnernden, wobei es dabei immer um ihre Fresslust und Abwehrstrategien gegen sie geht. Es lohnt sich, diesen Tieren mal ohne Vernichtungsphantasien Beachtung zu schenken.
Text und Bild von Beatrix Mühlethaler, Bloggerin «Hotspot Naturgarten»
Wegen der nassen Witterung sind die Schnecken dieses Jahr eine besondere Plage, sagen die einen. Im Gegenteil, es hat weniger dieser nackten Schleimer, finden andere. Beides stimmt wohl je nach Lage und Beschaffenheit des Gartens, von dem die Rede ist.
Die meisten Gartenschnecken lieben zwar feuchtes Wetter, aber von Nässe gesättigte Böden sind nicht ihr Ding. Insbesondere die kleineren Nacktschnecken – die Ackerschnecken – wohnen unterirdisch. Ihnen macht der geringe Sauerstoffgehalt von vernässten Böden den Garaus. Das könnte erklären, warum sich die Zahl dieser Arten im jetzigen äusserst nassen Jahr vielerorts in Grenzen hält. In meinem Garten habe ich dieses Jahr keine einzige Ackerschnecke gesichtet. Dass die schleimigen Gartenbewohner auch eher feuchte Luft und leichte Rieselregen als richtiges Hudelwetter mögen, beobachte ich schon seit Jahren: Bei starken Niederschlägen bleiben sie meist in Deckung und kriechen erst dann aus allen Winkeln hervor, wenn ein Regenbogen Wetterberuhigung anzeigt.
In meinem Garten dominieren seit einigen Jahren die Weinberg-Schnecken. Wie der Bezug zum Rebberg vermuten lässt, mögen sie einen nicht zu frischen Standort. Zurzeit sehe ich sie öfter kleben als wandern, und zwar oft tagelang am selben Ort: an hölzernen Türrahmen, an glatten Scheiben, an Betonwänden und -böden, auf einem Kunststoffdeckel oder am Liegestuhl. Es handelt sich dabei um eine Sommerruhe, welche alle Schnecken bei nicht passendem Wetter lange durchziehen können. Ich wundere mich, dass sie dafür nicht alle in dunkle Winkel kriechen.
Weniger zahlreich sind bei mir kleine Häuschenschnecken, unter anderem die Bänderschnecken. Aber auch sie sind an den verrücktesten Orten am Ruhen, beispielsweise gehäuft im Briefkasten. Dort sah ich diverse kleine Häuschenschnecken über mehrere Tage innen am Türchen aus Aluminium kleben.
Da die Sonne tagelang auf den Briefkasten brannte, kontrollierte ich nach einigen Tage, ob im kleinsten der hübsch geringelten Gehäuse noch Leben steckt. Der Augenschein zeigte, dass das Tier sich sehr weit ins Haus zurückgezogen hatte. Als ich die Kleine in eine Wasserpfütze stellte, ging es aber nicht lange, bis die Fühler sich zeigten und das Schnecklein herauslugte. Dann habe ich aber gemerkt, dass Aluminium gar nicht so heiss wird; kluges Tier!
Die spanische Wegschnecke ist in meinem Garten die dominante Nacktschnecke. Sie ist dieses Jahr nicht besonders häufig, aber besonders voluminös. Die Regenzeit mit dem grossen Futterangebot hat sie gut genährt.
Ich gebe zu, dass ich einen solchen Fätzen im Garten immer möglichst schnell loswerden will. Aber ich habe für einmal den Impuls unterdrückt und stattdessen mit Interesse beobachtet, wie sich so ein Tier an die ausgelegten Salatblätter heranmacht. Diese dienen in einer peripheren Gartenecke als Lockfutter – damit sich die Schnecken dort verköstigen statt in den Beeten.
Als Kind fand ich Schnecken lustig und veranstaltete mit ihnen Rennen, indem ich ihnen mit Steinchen Bahnen vorgab. Am Ende jeder Bahn lockte je ein Salatblatt. Auch Weinberg- und andere Häuschenschnecken mag ich noch heute, obwohl sie manchen Schaden – gerade an Blumen – anrichten. Die Weinbergschnecken hatten es dieses Jahr – erstmals – auf den Rainfarn abgesehen. Sie kletterten nachts hoch und frassen den Trieb ab. Doch die Folge ist gar nicht so schlecht: Es wuchsen Seitentriebe nach, und so blüht der Rainfarn zwar magerer, aber über längere Zeit.
Beim Schreiben über die Gartenschnecken fällt mir auf, wie wenig Fachwissen ich habe und wie wenig auch eine Internet-Recherche hergibt. Während ich Insekten dank Büchern und spezialisierten Internet-Bestimmungshilfen oft identifizieren kann, finde ich zu Schnecken fast nichts und vor allem viele falsch deklarierten Fotos.
Aus der Roten Liste lerne ich: In der Schweiz gibt es 181 verschiedene Arten Landschnecken. Sie haben im Ökosystem eine wichtige Funktion, indem sie abgestorbene organische Substanz abbauen und selbst Nahrung für Mitlebewesen darstellen. 40 Prozent unserer Schnecken sind bedroht – nicht weil natürliche Feinde sie ausrotten, sondern aus den üblichen Gründen: Zerstörung ihrer Lebensräume durch menschliche Eingriffe.
Landschnecken leben in naturnahen Lebensräumen sowohl im Feuchten wie im Trockenen. Sie brauchen Trockenwiesen und -weiden, Böschungen, Laub- und Auenwald, Steinmauern und Ruinen, Ruderalflächen und naturnahe Gärten. Wichtig sind auch offene Bodenstellen zum Eingraben und Strukturen zum Unterschlüpfen. Die wenigsten Arten schaden uns Menschen. Denn die meisten fressen welkes Zeug und nicht frisches Gemüse und Salat.
Es wissen wohl fast nur Fachkundige, dass unsere Schneckenfauna so vielfältig ist. Denn davon merkt man in den Gärten wenig, auch nicht in meinem Naturgarten. Es dominieren einige wenige Arten, darunter die gefrässigen Wegschnecken und je nach Jahr auch die Ackerschnecken. Wer diese los werden will, sollte nicht feige sein und sie weder mit Schneckenkörnern langsam verräbeln lassen noch sie in die nahe Wiese oder an den Waldrand zügeln, sondern auf schnelle Weise töten, zum Beispiel verbrühen. Denn Schnecken sollte man so wenig wie andere Tiere in ihnen fremde Biotope umsiedeln. Zudem verdrängen verschleppte Individuen der Spanischen Wegschnecke im Wald die heimische rote Wegschnecke bis zu deren Verschwinden.
Dass ich jetzt auf die Schnecke gekommen bin, hat ein Buch bewirkt mit dem Titel: «das Geräusch einer Schnecke beim Essen». Elisabeth Tova Bailey beschreibt darin aufs Schönste, wie sie während einer schweren langen Krankheitszeit Trost durch eine Häuschenschnecke fand. Ihr Einfühlungsvermögen in das fremde Wesen hat bei mir ein Echo ausgelöst, das alle Schnecken umschliesst.
In ihrer Immobilität beobachtete die kranke Journalistin die Schnecke, die ihr eine Besucherin mit einem Blumentopf gebracht hatte. Sie sah, wie sich das Tier jeweils nach nächtlichen Ausflügen morgens in einer selbst gegrabenen Mulde im Topf schlafen legte. Und nachts, wenn die Kranke aufwachte, spitzte sie die Ohren: «Manchmal herrschte absolute Stille, aber manchmal hörte ich auch das beruhigende minimale Kaugeräusch der Schnecke.» Mit der Taschenlampe suchte sie die Esserin, um zu schauen, für welche der hingelegten welken Blüten sich diese entschieden hatte.
Später organisierte sie für das Tier, das aus einem Wald stammte, ein Terrarium. Dieses bot ein kleines Stücklein Wald-Ersatzlebensraum. Die Patientin fütterte ihrem Gast jetzt Pilze, nachdem sie sich mit Fachliteratur kundig gemacht hatte. Die Schnecke erwies sich über den Nahrungswechsel als so dankbar, «dass sie mehrere Tage lang direkt neben der riesigen Champignonscheibe schlief, wobei sie immer wieder kurz erwachte, ein wenig am Pilz knabberte und wieder in wohlgenährten Schlaf sank.»
Man erfährt in dem Buch einiges über die Anatomie und Lebensweise der Gastropoden (Bauchfüsser), beispielsweise über die Raspelzunge mit den vielen scharfen Zähnchen, bei deren Einsatz die fressende Schnecke wie mit dem Kopf zu nicken scheint. Die Autorin berichtet mit grosser Ehrfurcht von der Erfolgsgeschichte dieser Tiere: «Die bescheidene Schnecke und ihr Clan hinterlassen schon weit länger ihre (klebrigen) Spuren auf dieser Erde als wir jüngeren Lebewesen.»
Der Schleim ist das grosse Erfolgsrezept der Schnecken. Die Autorin bezeichnet ihn als «klebrige Essenz der Schneckenseele, das Medium für jegliche Lebensäusserung», für Fortbewegung, Verteidigung, Heilung, Liebesspiel, Begattung und Schutz der Eier. Und weiter: «Fast ein Drittel des täglichen Energieaufwandes meiner Schnecke galt der Schleimproduktion. Und statt eine grosse Portion Allzweckschleim herzustellen, hatte meine Schnecke für jede dieser Aktivitäten und verschiedene Bereiche ihres Körpers ein ihrer Spezies eigenes Rezept.» Sie kann gegen Verletzungen heilkräftigen Schleim hervorbringen, während sie zum Kriechen eine zum Gleiten geeignete Substanz ausscheidet. Schleim hat aber auch Hafteigenschaften zum Hochklettern und Anheften. Oder er schützt vor Fressfeinden. Auch Igel mögen lieber die zarten Würmer als die schleimigen und zähen Schnecken.
Zur Abwehr von Schnecken wird oft empfohlen, Schichten um den Salat zu legen, über welche Schnecken nicht gern kriechen, unter anderem Eierschalen. Das kann man aber glatt vergessen. Nach meiner Erfahrung kriechen sie über alles.
Eierschalen wirken allenfalls als Fressplatz, wo die Schnecken lieber verweilen als darüber zu kriechen. Denn Schnecken brauchen für Schale und Eier viel Kalk. Die bettlägerige Schneckenfreundin gab denn auch Eierschalen ins Terrarium. Darauf «wedelte meine Schnecke» – schreibt die Autorin – «so schnell wie nur schneckenmöglich mit den Fühlern und machte sich sofort auf den Weg, um die Eierschalen zunächst zu untersuchen und dann zu fressen.»
Die Fühler dienen der Schnecke zum Tasten und Riechen. Mit dem Schwenken ihrer oberen Fühler identifiziert sie Gerüche in der Luft und kann zielbewusst Nahrung ansteuern, die sie dann mit den unteren Fühlern testet.
Die Fühler sind übrigens die beste Waffe, die Schnecken gegenüber mir einsetzen können, wenn mich die Schäden an meinen Pflanzen ärgern. Ich verhehle nach all diesen Ausführungen nicht, dass ich Nacktschnecken zuweilen am Lockfutter absammle und mit Verbrühen möglichst schnell töte. Aber wenn sie ihre Fühler mit den Punktaugen auf mich richten, diese einziehen oder ausstrecken und damit «rumwedeln», können sie mich erweichen.
Wunderbar – vielen Dank!
Wunderbar, wie du uns in die Welt der Schnecken entführst! Danke liebe Beatrix!
Wieder ein wunderbares Beispiel, ob ein Tier Sympathie oder Abneigung auslöst im Auge des Betrachters, je nachdem, wie es uns vorgestellt wird. Beatrix, du schaffst es sogar mit den Schnecken, sie als charaktervolle und liebenswerte Wesen zu zeigen. Ich meine, jedes Tier lässt uns staunen, wenn wir uns darauf einlassen, es zu beobachten, zu studieren usw. Wer es genau wissen will, welche Schnecken er/sie im Garten hat, kauft das Buch «die Schneckenfauna der Schweiz» von Cristina Boschi.
Und wer herausfinden möchte, wieviele Arten sich im eigenen Garten tummeln: http://www.schneckenchecken.ch
zum Schnecklein-Liebhaber und solche die es vielleicht werden möchten, WÄRMSTENS zu empfehlen: das Buch «Das Geräusch einer Schnecke beim Essen» von Elisabeth Tova Bailey. Eine ganz besondere (wahre) Geschichte.
Die Informationen über die Schnecke sind sehr interessant. Ich finde es aber grausam, wie sie beschreiben, dass sie die Schnecken anlocken um sie danach zu verbrühen. Ein Mensch der das Schöne sieht in diesem Tier, könnte niemals eine Schnecke töten.
Schade!
Seit mein Mann im Teich Fadenalgen mit SÖLL Algenkiller benutzt und damit auch das Futter für Schnecken verschwindet, (für Schnecken soll es nicht schädlich sein, aber sie verhungert anscheinend. Jetzt suche ich voller Verzweiflung ein Ersatzfutter. Nirgendwo finde ich einen Ratgeber. Wo gibt es Rat und Hilfe.