Die Biodiversitätsinitiative will in die Verfassung schreiben, dass die Natur geschont und die Biodiversität gefördert wird. Wer kann gegen so etwas sein? Offensichtlich einige – und nicht immer sind die Motive ganz klar.
36-mal ist in der Bundesverfassung das Wort «Strasse» erwähnt. Offensichtlich ist das wichtig. Sehr wichtig sogar und auch wichtiger als die «Landwirtschaft». Die wird nämlich nur 11-mal erwähnt, aber damit doch noch häufiger als «Arbeitsfrieden» (1x), «Bier» (1x), «Brotgetreide» (1x), «Düngstoffe» (1x), «Menschenrechte» (1x), «Raumfahrt» (1x), «Tabak» (4x) oder «Verkauf gebrannter Wasser» (1x). Man sieht also: Die Bundesverfassung regelt und erwähnt sehr vieles. Nur eines nicht: die Biodiversität.
Deshalb wäre es jetzt an der Zeit, die Biodiversität in der Bundesverfassung zu verankern. Die Biodiversitätsinitiative will genau dies. Sie fordert unter anderem, dass «die Natur (…) auch ausserhalb der Schutzgebiete geschont» werde. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, oder nicht? Würde man Menschen auf der Strasse fragen, ob die «Natur geschont werden soll» würden wohl (hoffentlich) alle mit Ja antworten. Wieso ist denn der Widerstand gegen die Initiative so gross?
Und wie kann man dagegen sein, dass die zur «Sicherung und Stärkung der Biodiversität erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Verfügung stehen»? Hier offenbaren sich dann doch vielleicht die unterschiedlichen Interessen. So engagiert sich etwa der Baumeisterverband an vorderster Front gegen die Initiative. Hier steht natürlich das Bauen an vorderster Stelle. Wer bauen will, ist gegen die Biodiversität.
Erstaunlich ist der Widerstand in der Landwirtschaft: Eigentlich müsste die Landwirtschaft grösstes Interesse an einer intakten Biodiversität haben. Hat sie auch, oder zumindest Teile davon (so unterstützt beispielsweise die Kleinbauernvereinigung oder der Schweizerische Demeter-Verband die Initiative). Aber es gibt eben auch noch die industrielle Landwirtschaft und ihre Verbündeten in der Industrie: Hier ist der Widerstand gross und kommt auch von unerwarteter Seite: Oder hätten Sie gedacht, dass Sie mit dem Kauf von Schweizer Zucker die Gegenkampagne zur Biodiversitätsinitiative unterstützen? Ganze 200’000 Franken hat die «Schweizer Zucker AG» dem Schweizerischen Bauernverband für die Nein-Kampagne zukommen lassen! Gleich viel wert ist ein Nein übrigens auch der «Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten». Überraschend ist das insbesondere auch, weil viel Naturschutz-Geld in die Landwirtschaft fliesst. Die meisten Naturschutzgebiete werden – gegen Entschädigung – von Landwirten gemäht und gepflegt.
Etwa gleich ist die Situation in der Waldwirtschaft: Während viele Waldbesitzerinnen und Förster die Biodiversität aktiv fördern und viel unternehmen, sagt der grosse Verband WaldSchweiz Nein zur Biodiversitätsinitiative. Wieso ist nicht ganz klar. Es wird von Einschränkungen geredet, die in der Initiative nirgends erwähnt sind. Weder ist die Energieversorgung gefährdet, noch werden der Landwirtschaft 30% aller Flächen entzogen. Bleiben wir also bei den Fakten: Es ist unbestritten, dass der Zustand der Biodiversität in der Schweiz schlecht ist. Sogar der Bundesrat sagt das. Wer kann da also etwas dagegen haben, dass zukünftig in der Bundesverfassung steht, dass die Biodiversität geschont und gefördert wird? Eben. Deshalb braucht es ein JA zur Biodiversitätsinitiative.