Sollen die Sanierung von landwirtschaftlichen Drainagen durch Bund und Kantone saniert werden? Oder sind vernässende Flächen eine Chance für die Biodiversität? Im Meinungsbeitrag legt der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute seine Haltung dar.
Gastartikel des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA), Erstveröffentlichung unter www.aquaetgas.ch
Der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute fordert Bund und Kantone auf, nur noch Drainagen zu subventionieren, für die im Rahmen einer transparenten Interessenabwägung nachgewiesen wurde, dass die landwirtschaftliche Produktion Vorrang vor Naturschutzinteressen geniesst. Die für die Nahrungsmittelproduktion am besten geeigneten Böden sollen auf lange Sicht für die landwirtschaftliche Produktion gesichert werden. Hingegen sollen sanierungsbedürftige Drainagenetze in vernässten und wenig produktiven Böden nicht mehr systematisch erneuert werden. Flächen mit grossem Potenzial für die Biodiversität sind im Interesse des Natur- und des Gewässerschutzes zu Feuchtstandorten zu renaturieren.
Feuchtgebiete sind Hotspots der Biodiversität
VSA-Direktor Stefan Hasler erklärt: «Auen bedecken beispielsweise bloss 0.25% der Landesfläche, können aber über 80% der einheimischen Tier- und rund 50% aller Pflanzenarten beherbergen». Der grösste Teil der ursprünglichen Auen- und Moorgebiete ging in der Schweiz durch Gewässerkorrekturen und Trockenlegungen verloren. «Der Bau von Drainagenetzen spielte dabei eine wichtige Rolle», führt Hasler aus. Deshalb ist auch die Gewässer-Biodiversität sehr stark unter Druck: 60% der einheimischen Fisch- und 70% der Amphibienarten sind auf der Roten Liste; 60% der Wasserpflanzen sind bedroht.
Funktionsfähige ökologische Infrastruktur
Um dem Artenschwund Einhalt zu gebieten, braucht es eine funktionsfähige ökologische Infrastruktur. «Eine einfache und kostengünstige Massnahme zur Förderung der Biodiversität liegt auf der Hand», erklärt Hasler die VSA-Position: «Denn ein wichtiger Baustein der ökologischen Infrastruktur sind zusätzliche Feuchtgebiete, die u.a. an Standorten mit sanierungsbedürftigen Drainagenetzen geschaffen werden können». Durch die Wiedervernässung der Böden können wertvolle Feuchtstandorte geschaffen werden.
Zusatznutzen durch Wasserrückhalt Verminderung der Stoffeinträge in Gewässer
Der durch die Wiedervernässung der Böden verbundene Wasserrückhalt zögert das Trockenfallen von Fliessgewässern bei langen und heissen Trockenphasen hinaus und dämpft bei Starkregen die Hochwasserwelle. Das sind wichtige, positive Auswirkungen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Zudem werden durch die Aufgabe der Drainagen Nährstoff- und Pestizideinträge in die Gewässer reduziert.
Artenreiche Feuchtstandorte statt Drainagesystemen bei wenig produktiven Böden
Der VSA fordert deshalb, dass sanierungsbedürftige Drainagen in wenig produktiven Böden aufgegeben werden, insbesondere wenn die Flächen an Gewässer angebunden werden können oder im Umkreis von wertvollen Naturschutzgebieten liegen. Die dadurch entstehenden Feuchtstandorte sollen extensiv und standortgerecht bewirtschaftet oder zu naturnahen Flächen umgewandelt werden. Weil Gewässer und deren Ufervegetation lineare Landschaftselemente sind, werden die Feuchtstandorte optimal in das Netz der ökologischen Infrastruktur eingebunden.
Drainagesysteme erneuern, wo sie volle Leistung bringen
Die für die Nahrungsmittelproduktion am besten geeigneten Böden sollen hingegen weiterhin der landwirtschaftlichen Produktion zur Verfügung stehen. Dort können und sollen bestehende Drainagenetze erneuert werden. In diesem Sinne fordert der VSA, dass Bund und Kantone nur noch Drainagen subventionieren, für welche die Interessenabwägung der landwirtschaftlichen Produktion Vorrang vor Naturschutzinteressen attestiert. Dies entspricht der im Kanton Zürich gelebten Praxis. Die dadurch eingesparten Gelder könnten zur Revitalisierung von aus Sicht des Naturschutzes möglichst interessanten und vielfältigen Biotopen verwendet werden.
Das Positionspapier des VSA kann hier heruntergeladen werden.