Seit 1990 haben sich die Lichtemissionen in der Schweiz mehr als verdoppelt. Der Preis für Mensch und Umwelt ist hoch. Etwa die Hälfte aller Insekten und Säugetierarten sind nachtaktiv. Mit der Erhellung der Nacht nehmen wir ihnen ihren Lebensraum und schaden uns damit letztendlich selbst. Doch es gibt Hoffnung für die Dunkelheit.
Der Originaltext von Hubert Krättli erschien im Magazin HOTSPOT 48, S. 20-21, des Forum Biodiversität Schweiz.
Die negativen Auswirkungen künstlicher nächtlicher Beleuchtung auf Mensch und Umwelt sind vielfältig: Nachtfalter oder Eintagsfliegen kreisen unter Strassenlampen bis sie vor Erschöpfung auf den Boden fallen und sterben, anstatt Pflanzen zu bestäuben oder sich fortzupflanzen. Ziehende Vogelarten werden durch die Lichtglocken über Siedlungen auf ihrem Zug fehlgeleitet. Fledermäuse verlieren ihre Jagdgebiete, wenn diese beleuchtet werden. Viele Arten brauchen darüber hinaus zwingend nachtdunkle Strukturkorridore, um vom Tagesschlafquartier im Siedlungsraum in den Jagdlebensraum zu gelangen.
Die negativen Auswirkungen nächtlicher Beleuchtung sind derart umfassend, dass ein globales Lichterlöschen die einzige Lösung scheint. Nächtliche Beleuchtung wurde in der westlichen Hemisphäre erst in den letzten Jahrzehnten zur Umweltverschmutzung, weil wir heute die Möglichkeit haben, jeden Flecken nachts zu beleuchten. Wie oft entscheidet die Dosis über Nutzen oder Schaden – die Dosis an künstlicher Beleuchtung ist heute deutlich zu hoch.
Benötigt wird ein Handeln auf mehreren Ebenen. Nebst allgemeinen Massnahmen und Massnahmen im Rahmen der Ökologischen Infrastruktur braucht es ganz spezifische Instrumente, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren. Dabei müssen auch menschliche Bedürfnisse in die Lösungsfindung konstruktiv einfliessen.
Allgemeine Massnahmen
Behörden und Private können aktiv gegen Lichtverschmutzung vorgehen, um die negativen ökologischen Auswirkungen zu reduzieren. Es gilt:
- Nur beleuchten, was unbedingt nötig ist.
- Nur so lang wie unbedingt nötig beleuchten.
- Nur nach unten beleuchten.
- Möglichst gelbe Leuchtmittel (< 2000 K) verwenden.
- Möglichst geringe Lichtstärke einsetzen.
Beispiel Gemeinde: Die Strassenbeleuchtung in Fläsch GR wird von 24:00 bis 4:00 Uhr komplett abgeschaltet. Von 23:00 bis 24:00 Uhr und von 4:00 bis 6:00 Uhr wird sie per Bewegungsmelder mit acht Prozent Helligkeit bedarfsabhängig eingeschaltet. Nur in der Dämmerung ist die Helligkeit bei maximaler Leistung. Die Dichte der Strassenlampen wurde stark ausgedünnt, das Licht ist gelblich und nach unten gerichtet. Zwei Leuchten im Bereich einer der grössten Fledermauskolonien der Schweiz im Kirchturm sind permanent auf acht Prozent Helligkeit begrenzt und gegen die Kirche hin abgeschirmt. Die Gemeinde erhielt 2018 den Beugger-Preis für die Umsetzung ihres vorbildhaften Konzeptes.
Dunkelkorridore als Teil der ökologischen Infrastruktur
Lichtbarrieren können Lebensräume zerschneiden. So bildet das Mittelland nachts eine über viele Kilometer zusammenhängende Barriere, die für viele nachtaktive Arten nahezu undurchdringlich sein dürfte. Ein nachtdunkles «schwarzes Netz» von Dunkelkorridoren sollte ähnlich unserem Strassennetz solche Barrierewirkungen aufheben. Mit Hilfe von nächtlichen Luftaufnahmen und Nutzungsanalysen muss festgestellt werden, wo wir in der Schweiz überhaupt noch funktionierende Dunkelkorridore haben. Diese müssen raumplanerisch gesichert und wo nötig und möglich für die Nutzbarkeit von möglichst vielen Arten aufgewertet werden.
Beispiel Kanton: Der Kanton Schaffhausen hat als einer der ersten in der Schweiz bestehende Fledermaus-Flugkorridore in seinen kantonalen Richtplan integriert. Durch die raumplanerische Verankerung besteht eine Verpflichtung zur Berücksichtigung dieser Dunkelkorridore bei Siedlungs- und Infrastrukturprojekten. Die Fledermaus-Flugkorridore sollen möglichst vielen Arten ermöglichen, den Kanton im Dunkeln zu durchqueren, und bei Bedarf aufgewertet werden.
Spezifische Massnahmen
In bestimmten Fällen braucht es ganz spezifische Massnahmen, um die Lichtverschmutzung an einem ganz bestimmten Ort einzudämmen. Meist geht es dabei um den Schutz stark gefährdeter Arten.
Beispiel Gebäude: Die Kirche in Sagogn GR beherbergt im Sommerhalbjahr eine der seltensten Säugetierarten der Schweiz: die vom Aussterben bedrohte Grosse Hufeisennase. In Zusammenarbeit mit dem Fledermausschutz des Kantons Graubünden wurde ein Konzept für die Kirchenbeleuchtung erarbeitet, das sowohl den Ansprüchen der Gemeinde als auch denen der Grossen Hufeisennase genügt, damit Hufeisennasen weiterhin im Dunkeln ausfliegen können.
Beratung und Wissen
Bedürfnisse nachtaktiver Arten werden bei Beleuchtungsprojekten oft noch wenig berücksichtigt, weil die Planenden nichts davon wissen. InfoSpecies und die angeschlossenen, artgruppenspezifischen Netzwerke bieten mit Unterstützung von Bund und Kantonen ihre Beratungsdienste an. Darüber hinaus werden nach und nach mehr Informationen über wichtige Vorkommen lichtsensibler Arten sowie Dunkelkorridore in kantonale GIS und die Plattform VDC des Bundes für die kantonalen Fachstellen eingebunden und somit für Behörden zugänglich gemacht.
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