Insektenschutz hin oder her, auf den einen oder anderen Plagegeist könnte man im Garten gut verzichten. Diese nervtötenden Blattläuse zum Beispiel. Gut gibt es ausreichend natürliche Pflanzenschutzmethoden, um die aufdringlichen Gesellen zu bekämpfen und ein bisschen Selbstverteidigung ist ja wohl auch im Naturgarten erlaubt! Oder ist das am Ende vielleicht gar nicht nötig?
In meinem Pachtgarten ist es jedes Jahr das Gleiche: Kaum trauen sich die ersten Blätter an meiner noch jungen Mirabelle hervor, rollen sie sich auch schon wieder ein. Was hat das Bäumchen denn nur? Boden und Nähstoffversorgung sind doch gut. Und die Lage schützt sie vor Spätfrost und beissendem Frühjahrswind.
Die Erklärung ist natürlich recht simpel. Nicht der Frühjahrswind beisst die Mirabelle, sondern die Blattläuse tun es. Oder besser gesagt: Sie saugen. In ganzen Kolonien sitzen die kleinen Vampire an den Triebspitzen und setzen der Mirabelle so sehr zu, dass sie ihre frischen Blätter nicht mehr entrollt. Gemütlich hocken die Läuse dann in diesen Blatthöhlen, laben sich am Pflanzensaft und sind für Schutzmassnahmen kaum zu erreichen. Was also tun?
Erfahrungsgemäss ist es hilfreich, etwas länger über dieses Problem nachzugrübeln. Manchmal genügt eine Woche Grübeln, manchmal – besonders bei klammem Wetter und viel Regen – sind vielleicht sogar zwei bis drei Wochen Grübeln notwendig. Und dann sitzen auf einmal keine Kolonien von Blattläusen mehr in den zusammengerollten Blättern. Wo sind sie denn so plötzlich hin? «Habe die Ehre!», ruft der Ohrengrübler, den ich beim Aufrollen des Blattes stattdessen entdecke. «Ich war so frei, in diesen gemütlichen Unterschlupf mit gut gefüllter Speisekammer einzuziehen. Wenn Sie nun so freundlich wären, das Blatt wieder in seine gerollte Position zu versetzen, die mich vorzüglich vor hungrigem Vogelvolk schützt, wäre ich sehr dankbar!» Weniger kommunikative Exemplare lassen sich stattdessen schnell zu Boden fallen, wenn das Blatt geöffnet wird und so unterdrücke ich schweren Herzens bei den übrigen gerollten Blättern meinen Forscherdrang.
Kurz nachdem die Blattläuse ihren Vorsprung genutzt haben, um die Pflanzen im Garten zu belästigen, wimmelt es hier nur so von kleinen fleissigen Helfern, die nichts lieber tun, als die vom Pflanzensaft zuckersüssen Happen zu verspeisen. Marienkäfer etwa vertilgen um die 50 Blattläuse pro Tag. Ihre Larven schlagen sich den Bauch mit 400 bis 600 Blattläuse voll, bevor sie sich verpuppen und als adulter Marienkäfer ihre Jagd fortsetzen. Auf bis zu 100.000 Läuse bringen es so die Nachkommen eines einzelnen Marienkäfers in einem Sommer.
Auch die Larven von Florfliegen und Schwebfliegen sind fleissige Blattlausjäger. Die stets hungrigen Florfliegenlarven wuseln flink über Zweige und Stängel. Wenn sie eine Blattlaus erwischen, reissen sie diese mit ihren Mundwerkzeugen in die Höhe, damit sie nicht flüchten kann, um sie anschliessend auszusaugen. Den übrigen Blattläusen bleibt dieses rabiate Vorgehen nicht verborgen und man kann beobachten, wie sie sich zu Boden stürzen, um dem Angriff zu entkommen. Florfliegenlarven saugen etwa 500 Blattläuse aus, bevor sie sich verpuppen. Allerdings sind sie nicht wählerisch und das Hochreissen der Beute ist wohl mehr ein Reflex für alles, was sich bewegt. So fallen ihnen oft auch unvorsichtige Verwandte zum Opfer. Mama Florfliege weiss um das gefrässige Wesen ihres Nachwuchses. Sie legt ihre Eier kunstvoll einzeln auf die Spitzen kleiner Stiele, um die schlüpfenden Larven vor ihren Geschwistern zu schützen.
Die Larven der Schwebfliege sind dagegen keine flinken Krabbler, sondern erinnern eher an wobbelige, leicht durchsichtige Mini-Raupen. Allzu oft werden sie von Gärtnern deshalb für Schädlinge gehalten, die ihren Pflanzen übelwollen. Lässt man sie in Ruhe gewähren, saugen die dämmerungsaktiven Kriecher in ihrem etwa zehntägigen Larvendasein bis zu 100 Blattläuse pro Tag aus. Die ausgewachsenen Tiere sind, wie auch die Florfliegen, auf ein gutes Angebot an Blühpflanzen angewiesen. Vor allem Doldenblütler sind bei Schwebfliegen beliebt, um sich vor der Begutachtung potentieller Kinderstuben noch einmal zu stärken. Mit ihren typischen Stop and Go-Flugmanövern umschwirren sie dann die Pflanzen und suchen nach Blattlauskolonien, in deren Nähe sie ihre Eier ablegen.
Um Blattlauskolonien, die Fressfeinde anlocken, machen Schlupfwespen indes auch mal einen Bogen. Die schlanken Gesellinnen sind besonders versiert im Aufstöbern einzelner Blattläuse, welche sie dann als Wirte für ihre Larven nutzen. Mit ihrem Stachel legen sie je ein Ei in eine Blattlaus. Die geschlüpfte Larve frisst die Laus von innen her und verpuppt sich, wenn diese abgestorben und ausgehöhlt ist. Im Garten findet man später die leeren, ausgehärteten Blattlaushüllen mit einem runden Loch, durch das die Wespe geschlüpft ist. Es gibt verschiedene Schlupfwespenarten, die nur wenige Millimeter gross und zwischen einer und zwei Wochen alt werden. In dieser Zeit können sie 200 bis 1.000 Blattläuse parasitieren. Manche Arten ernähren sich zudem im adulten Zustand von der süssen Hämolymphe der Läuse.
Alle diese hier vorgestellten Helfer haben übrigens noch etwas gemeinsam: Sie überwintern in trockenen Pflanzenstängeln, Holz und Laubhaufen, die im Garten belassen werden. Nur wenn man ihnen nicht mit Laubbläser und Häcksler zu Leibe rückt, sondern ihnen – auch nach dem Winter! – genügend Zeit gibt, erst einmal wieder wach und aktiv zu werden, kann man auf ihre schnelle Hilfe zählen.
Liebe Jasmin, das ist ja richtig spannend! Kommende Saison werde ich diese längerdauernden Prozesse und bezaubernden Entwicklungen etwas genauer beobachten. Danke fürs Aufmerksammachen und Inspirieren! Auch ein grosser Dank an Christine und Albert für die wunderschönen Fotos!
woow, das ist total spannend. Dankeschön für den Einblick.