Das werden sich wohl einige Zieheltern von Kuckucksvögeln denken, wenn ihre vermeintlichen Jungvögel beginnen, sie um mehrere Schnabellängen zu überragen. Aber wie bringen Kuckuckseltern andere Vögel dazu, ihre Eier auszubrüten und die Jungen aufzuziehen?
Kuckucke sind wahre Rabeneltern. Weder das Ausbrüten der Eier, noch die Versorgung und Aufzucht der Jungvögel übernehmen Kuckuckseltern. Stattdessen geben sie ihre Eier in die Obhut anderer Vögel. Über 30 Arten stehen in der Schweiz auf der Liste potenzieller «Adoptiveltern»: unter anderem der Hausrotschwanz, Teichrohrsänger, Bachstelzen, Rotkehlchen und Bergpieper. Doch wie schaffen es die Brutparasiten, ihre Wirtsvögel auszutricksen und wann – wenn überhaupt – wird der Schwindel aufgedeckt?
Ein Ei hier, ein Ei dort, ein Ei fort
In der Schweiz beginnen die Kuckucksweibchen ungefähr im Mai mit der Eiablage. Während einer Brutsaison legen sie bis zu 25 Eier, welche einzeln in ein zuvor begutachtetes Nest einer Wirtsart platziert werden. Um das Unterjubeln zu vertuschen, entnehmen die Weibchen dem Wirtsnest ein Ei, im Austausch gegen ihr Eigenes.
Auf die Grösse kommt’s an
Die Tarnung des Eis leistet einen entscheidenden Beitrag zum Bruterfolg des Kuckucks. Jedes Kuckucksweibchen ist auf die Nachahmung eines Eityps – aus der grossen Auswahl der möglichen «Adoptiveltern-Arten» – spezialisiert und kann die Färbung und Musterung der Eischale zum Verwechseln genau imitieren. Ist das passende Wirtsnest gefunden und das Ei gelegt, kann einzig die Grösse das Kuckucksei noch entlarven – dieses ist in der Regel grösser als jenes der Wirtsvögel. Ob Sie in der Lage wären, die Eier zu unterscheiden, können Sie übrigens in unserem Quiz am Ende des Beitrags testen.
Kuckuckskinder haben keinerlei Skrupel
Nach einer Brutzeit von rund 12 Tagen bahnen sich die Kuckuckskinder den Weg aus dem Ei. Die Jungvögel besitzen zu dieser Zeit weder Augenlicht noch Skrupel: So versuchen sie bereits kurz nach dem Schlüpfen, die Eier des Wirtsvogels aus dem Nest zu befördern. Denn würden diese schlüpfen, stünden sie in direkter Konkurrenz mit den Kuckuckskindern. Schliesslich müssen die Adoptiveltern jegliche Ressourcen in die Aufzucht des ungewollten und im Vergleich überdimensional grossen Adoptivkindes stecken, womit keine Nahrung für weitere Nestlinge übrig bliebe.
Der Schwindel ist aufgedeckt, was nun?
Spätestens nach dem Schlüpfen des artfremden Jungvogels würde man erwarten, dass die Adoptiveltern das Kuckuckskind verschmähen. Und tatsächlich verlassen manche der «gehörnten» Wirtsvögel die Brut. Einige Kuckuckskinder haben jedoch gelernt den Lockruf anderer Vogelarten nachzuahmen, wodurch sie für weitere Zeit vor der Verbannung durch die Wirtseltern geschützt sind.
Der Häherkuckuck – ein selten gesehener Irrgast in unseren Breiten – verfolgt zudem eine Strategie, die auch als Mafia-Hypothese bekannt ist. Zur Eiablage sucht das Häherkuckuck-Weibchen bevorzugt Nester von Aaskrähen auf. Erkennt eine Krähen-Adoptivmutter das Kuckucksei und entfernt es, holt der Häherkuckuck zum Vergeltungsschlag aus: Alle Kräheneier werden dabei kurzerhand zerstört. Aus Angst vor solchen Vergeltungsschlägen entscheiden sich die Wirtsvögel für das kleinere Übel und kümmern sich um die Kuckuckskinder. Offensichtlich geht diese Hypothese nur auf, wenn die Aufzucht eines Kuckuckskindes mit der gleichzeitigen Aufzucht eigener Jungen zu vereinbaren ist – dieser Fall trifft hier zu.
Von Brutparasit kann nicht immer die Rede sein
Wie IFL Science berichtet, ist beim Häherkuckuck die Grenze zwischen Parasitismus und Mutualismus – wenn beide beteiligten Arten einer Interaktion einen Nutzen davontragen – schwammig: Einerseits «verstossen» die Kuckuckskinder, wie bereits erwähnt, die Wirtseier nicht aus dem Nest; andererseits scheinen sie, deren Bruterfolg massiv zu erhöhen. So zeigt eine Studie, dass die Wahrscheinlichkeit ein Krähenjunges erfolgreich aufzuziehen um 40 Prozent grösser ist, wenn ein vermeintlicher Brutparasit, sprich ein Kuckucksvogel, im Nest vorhanden ist. Dies lässt sich durch eine übel riechende Substanz erklären, die mit nachweislicher Wirksamkeit Nesträuber fernhält und von den Kuckucksnestlingen sekretiert wird.
Gefährdeter Brutschmarotzer
Bisher mag sich der Brutschmarotzer nicht von der besten Seite präsentiert haben, doch sollte das genannte Beispiel zeigen, dass beim Kuckuck nicht grundsätzlich von einem zerstörerischen Parasit die Rede sein kann. In diesem Sinne ist auch bei uns der Schutz und Erhalt des als «potenziell gefährdet» eingestuften Kuckucks erwünscht.
Der Kuckuck kommt zu spät
Aufgrund vielerorts steigender Temperaturen treffen einige Zugvogelarten früher in unseren Breiten ein und starten ebenso früher mit dem Brutgeschäft. Zu diesen Vogelarten gehört der Kuckuck jedoch nicht. Somit ist er beim «verspäteten» Eintreffen mit dem Problem konfrontiert, dass die Adoptiveltern womöglich bereits mit der Jungenaufzucht begonnen haben. In der Folge fehlt es für den Kuckuck an genügend Wirtsnestern. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kuckuck bei der Nahrungssuche auf behaarte Raupen spezialisiert ist. Deren Bestand und gleichzeitig die Nahrungsgrundlage des Kuckucks hat aufgrund fehlender Kleinstrukturen in unseren Regionen stetig abgenommen.
Weitere spannende Informationen zum Kuckuck finden Sie auf der Website von BirdLife Schweiz.
Einfach ein sehr schöner wissenswerter Beitrag über den Kuckuck!
Und wenn sich dieser Vogel manchmal scheinbar sehr brutal und rücksichtslos benimmt, hat sich die Natur sicherlich dabei etwas gedacht, als sie dem Kuckuck seinen Platz zugewiesen hat – siehe allein schon der Bericht über den Häherkuckuck! Da macht der Vogel doch Einiges wieder gut. Ich freue mich auf auf jeden Fall riesig, wenn ich im Frühjahr den ersten Ruf des Kuckucks höre. Herzlichen Dank für Ihre tolle Arbeit und die interessanten Berichte. Alles Gute – Elisabeth
Ich danke Ihnen für die lieben Worte. Und Sie haben durchaus recht: Auf den ersten Blick scheint das Brutverhalten des Kuckucks grausam erscheinen aber wie erwähnt, gibt aus durchaus Beispiele, die zeigen, dass die Zieheltern auch profitieren können. Liebe Grüsse und ein schönes verlängertes Wochenende!