Naturgärten sind in Stadt und Land immer noch seltene Erscheinungen. Um sie zu mehren, braucht es ständig Werbung für das naturnahe Gärtnern. Ein patentes Mittel ist die Prämierung solcher Naturoasen.
In Illnau-Effretikon lancierte der Naturschutzverein schon mehrmals Prämierungsrunden für «lebendige Gärten». Dieses Jahr rief ich als Projektleiterin zum vierten Mal mit Flyer und Medienberichten dazu auf, Gärten für eine Begutachtung anzumelden. Beim ersten Aufruf im Jahr 2006 haben sich über zwanzig Gartenbesitzerinnen oder Gartenpächter unserer Gemeinde gemeldet. 2009, 2012 und dieses Jahr waren es immer ungefähr zehn Neue. Die Fotos geben einen Eindruck davon, wo wir dieses Jahr reingucken durften.
Gärten, die unseren Kriterien entsprechen, erhalten als Anerkennung ein Zertifikat und eine metallene Plakette zum Aufhängen. Dieses Jahr wird die Zahl der Gärten, die wir als «lebendig» beurteilen und prämieren, die Zahl 40 überschreiten. Wahrscheinlich sehen nicht mehr alle genau so aus wie zum Zeitpunkt der Besichtigung, haben doch einige die Besitzer gewechselt.
Aber auf die genaue Zahl kommt es nicht unbedingt an. Wichtig ist vielmehr, dass die Aktion Aufmerksamkeit erregt und Freude bereitet: Die Medien berichteten jeweils über den Aufruf für die Anmeldung und über das Resultat. So kam das Thema mit schönen Fotos prämierter Gärten in Regionalzeitungen und auf Online-Plattformen. Der Austausch von uns Jurymitgliedern mit den Gärtnernden ist jeweils für beide Seiten anregend. Wir sehen die verschiedensten Gestaltungsideen und erfahren interessante Gartengeschichten. Und die Begutachteten profitieren davon, ihnen unbekannte Spontanflora bestimmen zu lassen und diesen oder jenen Anbautipp zu erfragen.
Die Freude über die Anerkennung ihres Gartens erwies sich immer wieder als motivierend. Und etliche nutzten die Plakette, die wir verliehen, ganz in unserem Sinn: Gut sichtbar ans Gartentor oder beim Briefkasten aufgehängt, wirbt das mit einem Heupferd bedruckte Metallschild für den ausgezeichneten lebendigen Garten.
Um die Gärten zu bewerten, arbeiten wir mit einem Punktesystem: Wir vergeben Punkte für die Anzahl naturnaher Elemente im Garten wie zum Beispiel Weiher, einheimische Bäume und Büsche, durchlässige Wege und Plätze und Kleinstrukturen für Tiere. Damit auch kleine Gärten eine Chance haben, braucht es zwar eine gewisse Vielfalt, aber keine maximale Zahl solcher Elemente. Vielmehr zählt auch deren Qualität. Grossen Einfluss auf die Bewertung hat zudem die Pflege, beispielsweise der Umgang mit spontan gewachsener Flora.
Interessant ist, wie unterschiedlich die prämienwürdigen Gärten aussehen, trotz der gemeinsamen Etikette. Eingewachsene alte Gärten haben oft einen Rahmen aus Büschen – fast immer ein Gemisch aus einheimischen Wildsträuchern und Zierbüschen. Meist stehen hier auch (Obst)Bäume, und im nicht gedüngten Rasen haben sich niedrige Blumen angesiedelt. Manchmal hat es Gartenhütten, Kompostplätze und Kleintiergehege, die gute Strukturen für Kleinsäuger, Spinnen und Insekten bieten. Häufig finden sich auch Vogelnistkästen und Bienennisthilfen. In den Rabatten wachsen dann oft Bauerngarten- oder andere Zierblumen, nicht unbedingt heimische Wildstauden.
Nicht alle Gärten entsprechen damit dem erwarteten Bild des Naturgartens mit Weiher, Ruderalfläche, Trockenmauern und grossem heimischem Blütenangebot. Aber die jahrzehntelang gewachsenen Strukturen, die unbearbeiteten Winkel und Spalten an Holzschuppen bieten vielen Tieren einen guten Lebensraum.
Neu gestaltete Gärten sind meist offener und mit weniger Gehölzen bestückt. Das liegt unter anderem sicher daran, dass der Freiraum uns Haus kleiner geworden ist. So finden sich hier oft Kiesflächen, auf denen gerne Pionierpflanzen wie Mohn, Natternkopf, Königskerze und Wegwarte wachsen. An Trockenmauern rankt das Zimbelkraut.
Rabatten, in denen Wildpflanzen dominieren, sind zwar eher selten, aber doch im einen oder anderen Garten zu finden. Sonst bestimmt wohl das Angebot der Gartenzentren die Auswahl. Diese führen neben den Zierpflanzen aus aller Welt zwar meist auch eine Anzahl bekannter heimischer Blumen. Aber leider sind es oft Pseudo-Wildpflanzen, das heisst Züchtungen aus einheimischen Pflanzen. Dass es spezialisierte Wildstaudengärtnereien gibt, die garantiert unveränderte heimische Wildstauden mit ihrem ganzen wertvollen Genpool anbieten, scheint noch wenig bekannt zu sein. Und die wenigsten Gartenleute streifen selbst durch Feld und Flur, nehmen ein paar Samen mit und versuchen diese selbst zuhause anzusiedeln.
Dieses Jahr durften wir auch einen Pflanzplätz in einem Familiengartenareal besichtigen, auf dem neben Gemüse die Wildstauden dominieren. Dabei handelt es sich oft um seltene Arten, insbesondere aus dem Reich der Iris. Insbesondere fördert der Pächter die sibirische Iris, wobei er darauf achtet, dass er reine Nachkommen eines bestimmten Standorts gewinnen kann. Deshalb schützt er ausgewählte Pflanzen mit Stoffsäcklein vor unerwünschter Befruchtung und trägt danach selbst den richtigen Pollen auf.
Der Werbeeffekt einer solchen Prämierungsaktion lässt sich nicht messen. Aber unterstützend wirkt sie auf jeden Fall. Besonders willkommen ist eine Auszeichnung dort, wo Nachbarn Angst vor einem Paradies haben, aus dem ein paar Samen zu ihnen herüberfliegen könnten. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass da keine Verrückte am Werk sind, sondern clevere Menschen, deren Wirken prämierungswürdig ist.
Eine gute Sache!
Ein sehr schöner Artikel!
Nach dem Bezug eines Hauses aus den 30ern und dem ersten «Sortieren» – ist der Wunsch eines Naturgartens gross geworden. Ideen gibt es genug, schwer ist jedoch Budget, Zeit und vor allem die nötige Geduld bei einem solchen Vorhaben einzuschätzen.