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Botanische Eselsbrücken

Mit dem Frühling hat für BotanikerInnen, und solche die es gerne werden möchten, auch wieder die Pflanzenbestimmung begonnen. Eselsbrücken können helfen, sich gleichende Pflanzen auseinanderzuhalten und Verwechslungen zu vermeiden. Wir stellen euch 27 Eselsbrücken vor, von Acer platanoides bis Veronica fruticans.

Text von Michèle Büttner und Gisela Bauert, Illustration von Emanuel Sturzenegger, Artikel aus der «FloraCH – Die Botanische Zeitschrift der Schweiz» (N°10, Frühlingsausgabe 2020)»

Auf die Immergrüne Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi) ist leider ein Bär getreten und hat dabei den Blattrand flachgedrückt, weshalb dieser nicht umgerollt ist wie bei der Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) – eine klassische Eselsbrücke. Eselsbrücken sind mnemotechnische Hilfsmittel, die einen dabei unterstützen, sich dank Lernsprüchen oder Merksätzen, Wort- und Buchstabenspielen, ähnlichen Wortklängen, Reimen oder Assoziationen an Informationen zu erinnern. Sie kommen nicht nur für die Reihenfolge der Planeten zum Einsatz (Mein Vater Erklärt Mir …), sondern auch in der Botanik, etwa wenn es darum geht, sich die Merkmale einer Art einzuprägen oder eine Art von einer anderen, ähnlichen abzugrenzen. Es gibt eigentliche Eselsbrücken-Klassiker. Mal hilft einem eine Eselsbrücke, mal nicht. Und es gibt Leute, die keine benötigen. Nachfolgend haben wir einige botanische Eselsbrücken zusammengestellt.

Acer platanoides (Spitz-Ahorn) / A. pseudoplatanus (Berg-Ahorn): Der Spitz-Ahorn hat die spitzeren Blätter. Dagegen weist A. pseudoplatanus nur pseudo-spitze Blätter auf.

Alnus incana (Grau-Erle) / A. glutinosa (Schwarz-Erle): Grauhaarige Menschen sitzen lieber als jüngere, schwarzhaarige. So hat die Grau-Erle sitzende oder kaum gestielte und die Schwarz-Erle gestielte Fruchtstände.

Astragalus frigidus (Gletscherlinse) / A. penduliflorus (Alpenlinse): Die Gletscherlinse hat kalt wegen des Gletschereises und ist deshalb ganz bleich, während die Alpenlinse weniger friert, mehr Farbe im Gesicht hat, also lebhafter gelb ist.

Athyrium sp. (Frauenfarn) / Dryopteris sp. (Wurmfarn): Frauenfarne haben am Blattstielgrund zwei bandförmige Leitbündel und mit Bändern machen Frauen gerne Päckchen. Wurmfarne dagegen haben mehrere runde Leitbündel, rund wie Würmer.

Bromus benekenii (Benekens Trespe) / B. ramosus (Ästige Trespe): Die kurzen Flaumhaare an den Blattscheiden von B. benekenii erinnern an die Tonsur eines Benediktiner-Mönchs. B. ramosus dagegen hat 3 bis 4 Millimeter lange, von den Blattscheiden abstehend-abzweigende Haare.

Campanula rapunculus (Rapunzel-Glockenblume) / C. rapunculoides (Acker-Glockenblume): Im Märchen lässt Rapunzel ihr Haar nach vorne durchs Fenster herunter, streckt also die Kelchblätter nach vorne zum Fenster hinaus (C. rapunculus). C. rapunculoides hingegen ist nicht die richtige Rapunzel, sondern nur rapunzelähnlich: Sie streckt ihre Kelchblätter, ihre «Haare», nicht nach vorne zum Fenster hinaus; bei ihr stehen sie ab oder sind sogar zurückgebogen.

Equisetum palustre (Sumpf-Schachtelhalm) / E. arvense (Acker-Schachtelhalm): Wer durch einen Sumpf geht, trägt besser Stiefel; für einen Acker genügen Wanderschuhe. Vergleicht man das Verhältnis einer Blattscheide am Hauptstängel mit derjenigen des danebenliegenden Astes, so erinnert das beim Sumpf-Schachtelhalm an einen Stiefel, beim Acker-Schachtelhalm hingegen an einen Wanderschuh.

Erica sp. (Erika) / Calluna sp. (Besenheide): Die Blättchen von Erika sind spitz und nadelförmig, wie auch der Name Erika etwas Spitziges hat. Callunaklingt rundlich, sie hat also runde Blättchen.

Festuca gigantea (Riesen-Schwingel) / F. altissima (Waldschwingel): Bei F. gigantea mit den langen Grannen und den grossen, stängelumfassenden Öhrchen ist alles gigantisch. F. altissima ist grannenlos und ohne stängelumfassende Öhrchen, eben nicht gigantisch.

Gentiana acaulis (Silikat-Glocken-Enzian) / G. clusii (Kalk-Glocken-Enzian): Beim Silikat-Glocken-Enzian finden sich in den Buchten zwischen den Kelchzipfeln weissliche Verbindungshäute («Schwimmhäute»). Der auf dem trockeneren Kalkboden wachsende Kalk-Glocken-Enzian braucht keine Schwimmhäute.

Helianthemum nummularium subsp. obscurum (Ovalblättriges Sonnenröschen) / H. nummularium subsp. grandiflorum (Grossblütiges Sonnenröschen): Obscurum bedeutet dunkel und Sterne leuchten im Dunkeln. Bei H. nummularium subsp. obscurumsind bei den breiteren Kelchblättern zwischen den mittleren Nerven einzelne Sternhaare zu finden, während H. nummularium subsp. grandiflorum an dieser Stelle kahl ist.

Juncus inflexus (Blaugrüne Binse) / J. effusus (Flatter-Binse): Mit einer Flex (Winkelschleifer für Handwerker) können Dinge durchtrennt werden und J. inflexus hat gekammertes (durchtrenntes) Stängelmark. Dagegen weist J. effusus zusammenhängendes Stängelmark auf.

Lappula deflexa (Zurückgebogener Igelsame) / L. squarrosa (Stechender Igelsame):
L. deflexa hat abwärts gebogene Blütenstiele, ist also «de-flex», was nach entspannt klingt. Im Gegensatz dazu sind die Blütenstiele bei L. squarrosa bis zur Fruchtzeit schief aufrecht.

Ligusticum mutellinoides (Zwerg-Liebstock) / L. mutellina (Alpen-Liebstock): Von den beiden Arten hat L. mutellinoides mehr Buchstaben und mehr Hüllblätter (5 bis 10). L. mutellina besitzt weniger Buchstaben, also auch weniger Hüllblätter (0 bis 3).

Melilotus officinalis (Echter Honigklee) / M. altissimus (Hoher Honigklee): Bei offiziellen Anlässen wehen die Fahnen hoch. Die Fahne von M. officinalis ist länger (höher) als das Schiffchen. Beim ähnlichen M. altissimus sind Fahne, Flügel und Schiffchen etwa gleich lang.

Myosotis scorpioides (Sumpf-Vergissmeinnicht) / M. nemorosa (Hain-Vergissmeinnicht): Der Skorpion streckt seinen Stachel nach oben. M. scorpioides streckt seine Haare am Stängelgrund schief nach oben. Beim ähnlichen M. nemorosa ist der Stängelgrund kahl oder mit nach unten gerichteten Haaren.

Myosoton aquaticum (Wassermiere) / Stellaria sp. (Sternmiere): Besonders viel Wasser befindet sich in den fünf Ozeanen, so ist es M. aquaticum, die fünf Griffel besitzt. Arten der Gattung Stellaria haben hingegen drei Griffel.

Oreopteris limbosperma (Bergfarn): Der Bergfarn hat Fiedern bis ganz unten und in den Bergen ist es kalt, weshalb auch wir dort die Hosen lang, also bis ganz unten tragen. Dank Drüsen duftet er beim Zerreiben nach Zitrone, was ihn vom anderen Farn mit Fiedern bis unten, Matteuccia struthiopteris (Straussfarn), unterscheidet, welcher keine Drüsen hat.

Petasites hybridus (Rote Pestwurz) / P. albus (Weisse Pestwurz): Es ist wie die Schweizerflagge: innen weiss, aussen rot. Bei der Roten Pestwurz liegen die untersten Seitennerven direkt am Blattrand, bei der Weissen Pestwurz weiter innen.

Pimpinella saxifraga (Gewöhnliche Kleine Bibernelle) / Sanguisorba minor (Kleiner Wiesenknopf ): Die Teilblätter von P. saxifraga stehen sich exakt gegenüber, während sie bei Sanguisorba minor leicht verschoben sind, sie machen eben (Sangui)Sorgen.

Poa trivialis (Gemeines Rispengras) / P. pratensis (Wiesen-Rispengras): Das Blatthäutchen des Wiesen-Rispengrases ist kurz, weil eine Wiese kurz geschnitten wird. Bei P. trivialis ist das Blatthäutchen lang, so wie triviale Menschen die Zunge lang rausstrecken.

Polygonum lapathifolium (Ampfer-Knöterich) / P. persicaria (Pfirsichblättriger Knöterich):
 P. lapathifolium, der mit dem längeren Namen, hat etwas Zusätzliches, und zwar Drüsen auf den Ährenstielen, den Blüten und meist auch auf der Blattunterseite. P. persicaria fehlen diese Drüsen.

Potentilla crantzii (Crantz’ Fingerkraut) / P. aurea (Gold-Fingerkraut): P. crantzii wächst auf Kalk und erhält einen Kranz, den die Art an den Endzahn hängen kann, der etwa gleich lang ist wie die benachbarten Zähne des mittleren Teilblattes. P. (s)aurea wächst auf sauren Böden und einen Kranz kann sie nicht an den Endzahn hängen, weil dieser kürzer ist als die benachbarten Zähne.

Ranunculus glacialis (Gletscher-Hahnenfuss) / R. alpestris (Alpen-Hahnenfuss): Noch kälter als in den Alpen ist es auf dem Gletscher selbst, deshalb benötigt der Gletscher-Hahnenfuss auf der Kelchblatt-Aussenseite wärmende Haare. Der Alpen-Hahnenfuss kommt ohne diese aus.

Tilia cordata (Winter-Linde) / T. platyphyllos (Sommer-Linde): Im Winter bekleidet man sich mit dicken, dunklen Stoffen. Aus diesem Grund hat die Winter-Linde feste Blätter und braune Haare in den Achseln der Blattnerven. Im Gegensatz dazu sind die Blätter der Sommer-Linde weich und die Haare hell – hell wie ein Sommertag.

Veronica fruticans (Felsen-Ehrenpreis) / V. fruticulosa (Halbstrauchiger Ehrenpreis): Im Unterschied zu V. fruticans ist V. fruticulosa rosa.

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