StartTippsNachhaltig lebenSollte man Vögel ganzjährig füttern?

Sollte man Vögel ganzjährig füttern?

Verstärkt wird dazu aufgerufen, Vögel ganzjährig zu füttern. Dieses Zufüttern hilft jedoch nur den häufigsten Arten. Für bedrohte Vogelarten kann es sogar schädlich sein. Deshalb raten alle grossen Naturschutzorganisationen von der Fütterung im Sommer ab.

Es überrascht nicht, dass Unternehmen wie der «Fressnapf» und diverse Gartenshops aus ökonomischen Gründen ein ganzjähriges Zufüttern der Vögel empfehlen. Immerhin verkaufen sie Futterhäuser und Futter für jede Saison. Aber auch in den sozialen Medien ist das ganzjährige Füttern plötzlich wieder ein aktuelles Thema. Sollte man Vögel nun ganzjährig füttern oder nicht?

Bis hierher sind sich alle einig: Eine sachgemässe Zufütterung der Vögel in Zeiten mit knappem Nahrungsangebot – also im Winter – kann hilfreich sein. Dadurch haben Kleinvögel im Siedlungsbereich erhöhte Chancen zu überleben, wenn sie selbst nicht genügend Nahrung finden. Aufgrund der Klimaveränderung und dem Insektensterben, sowie zunehmender Verbauung und Versiegelung gibt es immer weniger Lebensraum und Nahrung für Vögel. Sie brauchen jedoch das ganze Jahr über viel Energie. Im Frühling müssen sie ihre Jungvögel füttern, im Sommer und im Herbst möglichst viele Fettreserven anfressen. Einige Wildvogelexperten, darunter Peter Berthold, raten deshalb dazu, Vögel das ganze Jahr über zu füttern – nicht nur im Winter. Die ganzjährige Fütterung hilft jedoch dem Artenschutz nicht. Deshalb raten alle grossen Naturschutzorganisationen, wie beispielsweise BirdLife Schweiz und der Naturschutzbund (NABU), sowie die Schweizerische Vogelwarte Sempach von der ganzjährigen Fütterung ab.

Kein Beitrag für den Artenschutz

Die Fütterung im Garten erreicht selten mehr als zehn bis 15 Vogelarten, nämlich vor allem Meisen, Finken, Rotkehlchen, Haussperlinge, Kohlmeisen und Amseln. Seltene oder bedrohte Arten hingegen besuchen kaum Futterstellen im Siedlungsbereich, daher hilft eine ganzjährige Vogelfütterung dem Artenschutz nicht.
Peter Berthold jedoch argumentiert: «Den Vogelarten, die regelmässig Vogelfutterstellen besuchen, geht es gut. Arten, die das nicht tun – beispielsweise Mauersegler, Schwalben oder ein Kiebitz – geht es vergleichweise schlecht» (Interview in der Zeit Online vom 10. August 2019). Dies impliziert, dass es den häufigen Arten deshalb gut geht, weil sie von Menschen gefüttert werden. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass es den häufigen Arten auch ohne die ganzjährige Fütterung relativ gut geht, vor allem im Vergleich zu den bedrohten Arten. Diesen hilft die ganzjährige Fütterung überhaupt nicht – im Gegenteil.

Blaumeise
An die Futterstellen im Garten kommen fast ausschliesslich häufige Arten wie die Blaumeise. Seltene und bedrohte Arten bleiben jedoch fern. © Oldiefan, via pixabay

Ganzjähriges Füttern könnte sogar schaden

Durch das ganzjährige Füttern im Garten gewinnen die häufigen Vogelarten einen Konkurrenzvorteil. Dies verändert die Artenzusammensetzung, und es leiden insbesondere die bedrohten Arten darunter. Für viele Zugvögel beispielsweise ist es problematisch, wenn bei ihrer Rückkehr aus dem Süden die besten Nistplätze bereits von den gefütterten Zuhausebleibern belegt sind.

NABU empfiehlt die ganzjährige Fütterung auch deshalb nicht, weil Jungvögel an ungeeignetem Futter Schaden nehmen könnten. Sie brauchen eiweissreiche Insekten – da kann die Fütterung von Fettknödel und anderem schlechtem Futter zur Brutzeit keinen Ersatz leisten.

Es gibt zudem weitere Argumente gegen das ganzjährige Füttern – insbesondere, wenn dies nicht richtig gehandhabt wird. Wenn «falsches Futter» angeboten wird, können die Vögel ihren Nährstoffbedarf kaum decken. Ausserdem kommen die Vögel an den Futterstellen nicht nur mit anderen Vögeln, sondern auch mit deren Krankheitserregern in Kontakt. Deshalb kann die Ansteckungs-Gefahr kann bei solchen Futterstellen steigen. Um dies zu vermeiden, darf das Futter nicht durch Kot verdrecken oder über längere Zeit feucht werden. Einige Tipps für das Einrichten einer Futterstelle – zum Beispiel für eine Zufütterung im Winter, wenn das Nahrungsangebot zu knapp ist – finden Sie in unserem Artikel «Vögel füttern im Winter: Falsche Fürsorge oder wichtige Unterstützung?», sowie auch in den Merkblättern von BirdLife Schweiz.

Nachhaltiger Schutz durch naturnahe Lebensräume

Für einen nachhaltigen Schutz der Vögel braucht es keine Symptom-, sondern eine Ursachenbekämpfung. Die ganzjährige Fütterung der Vögel kann das Problem der Nahrungsknappheit langfristig nicht lösen. Es braucht naturnahe Lebensräume für die Wildvögel – und für deren Nahrungsgrundlage, die Insekten. Wer etwas zum Artenschutz der Vögel beitragen möchte, kann dies am besten in seinem eigenen Garten tun – nicht mit einer Futterstelle, sondern durch die Gartengestaltung. Naturnahe Gärten bieten den Tieren langfristig und ganzjährig ein natürliches Futterangebot, Verstecke und Brutmöglichkeiten. Ausserdem bieten sie auch Lebensraum für Insekten und setzen der Versiegelung und Verwüstung der Landschaft entgegen. Somit profitieren nicht nur die häufigen Arten, sondern auch die bedrohten und seltenen Arten.

15 Kommentare

  1. Peter Berthold, Professor auf diesem Gebiet und forschend seit 50 Jahren, widerlegt alle diese Argumente seit Jahren in seinen Büchern als substanzlos…. im Sommer brauchen die Vögel z.B. viel mehr Energie als im Winter, das lässt sich sehr leicht beobachten. Klar braucht es naturnahe Räume, aber diese nehmen ab und nicht zu.Der Insektenbestand ging 80% zurück. Ein naturnaher Garten ist zwar supertoll, bringt aber bei weitem nicht soviele Vögel durch wie eine Futterstelle – und schützt ebenso nicht die wilden Vögel, die nicht ins Siedlunsgebiet kommen. Ihrer Argumentation folgend, sollte man dann auch dies unterlassen. Klar, man kann die Vögelbestände einfach schrumpfen lassen und nicht eingreifen. Ich füttere sie durch und hoffe, dass die Vogelschutz-Organisationen mal Erfolg haben (haben sie bis jetzt global gesehen nicht) und es das Füttern nicht mehr braucht.

    https://www.youtube.com/watch?v=q-X8hF_5jd8

    • Ichkann dies nur bestätigen. In ener Basler Vorortgemeinde wohnend, die beim Baum- und Naturschutz in den achziger Jahren hängen geblieben ist, füttere ich ganzjährig. Das Ergebnis lässt sich zeigen … die Artenvielfalt ist gestiegen und die Population vieler Arten hat zugenommen .
      Wann kommt endlich das Baumschutzgesetz des Kanton Basel-Stadt auch in Basel-«Landschaft» zur Anwendung. Die Damen und Herren in Liestal der Grünen und GLP scheinen zu schlafen.

  2. Fertiger Blödsinn Wildtiere ganzjährig zu füttern. In strengen Wintern mit grosser Kälte und plötzlichem starken Schneefall soll kurzfristig unterstützt werden und das reicht vorig. Wir sollten uns eher um unsere Futtergewohnheiten kümmern!

    • Ich bin ganz ihrer Meinung….ich füttere die Vögel nur ab Anfang Nov. bis ca. Ende März. Je nach Witterung. Allerdings wohne ich auf dem Lande und in der Nähe eines grossen Mischwaldes und vieler Naturgärten. Wir sind noch verschont von Wohnghettos und Betonblöcken.

  3. Sinnvoller wäre dafür zu sorgen dass die Lebensräume erhalten und gefördert werden, statt bauen und alles verdichten!

  4. Es ist schon sehr anmassend einem Vogelexperten wie Prof Dr Peter Berthold, der seit ueber 60 Jahren Voegel studiert und schuetzt und deutschlandweit Biotope anlegt, zu wiedersprechen. Eine ganzjaehrige Fuetterung ist laut seinen Befunden ein extrem wirksamer Beitrag Voegeln bei der Nahrungssuche zu unterstuetzen. Selbst die im oben genannten «haeufigen Arten» sind bedroht.

    • Es spielt bestimmt eine grosse Rolle in welchen Gebieten man füttert, denn bei uns in der Schweiz wird streng darauf geachtet bei neuen Bauvorhaben, dass die Biodiversität gefördert wird. Wildhecken sind meist geschützt und über die Bauauflagen werden Naturwiesen und Sickersteine gefördert. Überfütterung mit Fetten und Eiweiss ausserhalb der Winterzeit ist kaum förderlich. Inzwischen haben wir eine Zunahme der Biodiversität und zunehmend strengere Verbote und Vorschriften betreffend Pestiziden etc. Ich bin optimistisch veranlagt und spüre eine grosse Sensibilität bei unserer nächsten Generation.

  5. Ich füttere die Vögel gemäss der Empfehlung von Prof. Beethold ganzjährig. Das Unwissen über unsere Natur, gerade bei der jungen Generation ist erschreckend. Gerade dem Faktor Lärm und Rücksicht bei der Begehung von Wald und Flur wird viel zu wenig Beachtung geschenkt.

    • Dem schliesse ich mich an, mit der Ergänzung dass sich nicht nur Jugendliche laut und unaufmerksam durch die Natur bewegen, sondern dass viele Erwachsene dies grad so vorleben. Achtung vor der Natur und anderen Lebewesen ist in Lehrplänen schon viel zu lange nicht mehr angemessen thematisiert. Wir brauchen dringendst intensiven Unterricht in Natur und Respekt für den Nachwuchs (und auch Erwachsenenkurse), wenn wir noch etwas retten wollen…

  6. Ich finde es überheblich, sich allein daran zu orientieren, was die Vögel brauchen WÜRDEN. Die Realität ist nach wie vor eine andere: Unaufhörlich werden massiv Naturräume abgebaut und zu anthropozentrischen Zwecken misbraucht. Da kann man sich lange wünschen, dass dem nicht mehr so wäre. Bis Mensch endlich anfängt, der Natur und ihren sonstigen Bewohnern wieder gleiches Recht zuzugestehen wie sich sebst, Raum und Platz in natürlicher Weise berietzustellen der sich nicht an menschlichen Vorstellungen orientiert, brauchen die Vögel wohl diese Nothilfe der Fütterung, um nicht ganz unter die Räder zu kommen. Sonst ist es ein riskantes Spiel, denn Vögel erfüllen unersetzbare Dienste in der Natur und somit in unseren eigenen Lebensgrundlagen.

  7. Ich kann eigentlich nur meine eigenen Erfahrungen weitergeben. Vor zwanzig Jahren gab es bei und in den Biergärten massenweise Spatzen, die sich über irgendwelche Reste hergemacht haben. In den letzten Jahren habe ich noch keinen einzigen Spatz bei einem Biergartenbesuch angetroffen. Von daher würde ich einmal behaupten, der Bestand geht auch bei Vögeln die Futterstellen aufsuchen drastisch zurück, wenn nicht ganzjährig gefüttert wird.

  8. In frankfurt am main zu Hause gruselt es mich jeden Tag,wenn ich all die aufgeräumten gärten sehe ich füttere eichhörnchen,igel und vögel ganzjhr.,da ich mir nicht ansatzweise vorstellen kann,wo natürliches Futter existiert. In den Wäldern und auf den Feldern ebenfalls Ebbe.Die Stadt hat insektenstreifen angelegt,die einem leider weinend machen.mfg

  9. Seitdem ich mit dem ganzjährigen Füttern vor ca 2 Jahren begonnen habe, sind in der Umgebung wieder (!) Spatzen zu sehen und zu hören. Man vergisst wohl schnell, wie schön und intensiv der Vogelgesang sein kann, wenn es eine entsprechende Anzahl an Vögeln gibt. Viele Leute, mich eingeschlossen, haben bemerkt, dass es in den letzten Jahren still geworden ist. Und das betrifft nicht nur jene Arten, die auf der roten Liste stehen. Sondern auch Spatzen, Meisen, Amseln.. Denn auch diese werden immer weniger. Warum warten, bis sie auch auf der roten Liste stehen? Warum sollen wir untätig auf ein Wunder bzw. auf einen Sinneswandel der Menschen hoffen, der noch dazu baldigst vonstatten gehen müsste. Ich kann bisher leider wenig oder gar keine Anzeichen erkennen, dass erforderliche Naturschutz-Massnahmen in ausreichendem Umfang bereits am Anlaufen sind und dem Insekten- und Vogelsterben – jetzt oder in absehbarer Zukunft – effektiv entgegenwirken könnten. Die hier (richtigerweise) empfohlen Naturschutz-Massnahmen werden eben nicht od zu wenig umgesetzt. Das ist die Realität. Vielmehr gehen Verbauung, Insektensterben, Pestizide u.s.w. weiter, und das Vogelsterben auch. Es ist traurig, dass der deutliche Rückgang der Spatzen einfach so hingenommen und von den Experten, die sich gegen Ganzjahresfütterung aussprechen, nicht einmal erwähnt wird. Passt halt nicht zur Argumentationslinie («confirmation bias»). Und für die Behauptung, dass ein (artgerechtes) Ganzjahres-Füttern dem Artenschutz angeblich sogar schaden soll, konnte ich keine Belege finden. Vielleicht können die Autoren Quellennachweise nennen, oder andernfalls solche Aussagen als persönliche Meinung deklarieren.

  10. Das übertriebene Füttern ist schädlich, wie ich erfahren habe. Persönlich habe ich die Vögel hauptsächlich in Frostphasen gefüttert und bei Schnee. Eine leidige Geschichte in unserem Quartier: Da fand Sommer und Winter unter den einzelnen Nachbarn sozusagen ein Wettfüttern statt. Resultat: Sämtliche Sorten Meisen, die bei uns heimisch waren wurden immer seltener (innerhalb von 3 Jahren!!!) bis sie schliesslich kaum mehr zu sehen waren. Seit die Sommerfütterung aufgehört hat, kommen sie allmählich zurück. Ich kenne Leute, die füttern Vögel mit kiloweise Futter, gleichzeitig lassen sie eine Wildhecke, die niemanden stören würde, abholzen. Grüne Lungen abholzen, die natürlichen Lebensraum und Futter bieten und gleichzeitig eine derart übernatürliche Vogelfütterung – was für ein Widersinn!

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