Das Virus hat unseren Alltag fest im Griff. Wir bewegen uns in einem kleinen Radius, verlassen das Haus nur noch für Einkäufe und Arztbesuche. Die damit einhergehenden räumlichen Beschränkungen bedeuten jedoch nicht, dass wir keine Perspektive und Möglichkeiten haben. Im Gegenteil: Mit der gewonnenen Zeit öffnen sich neue Räume. Wir geben Tipps und Hinweise, wie man die aktuelle Situation für sich und seine Umwelt sinnvoll nutzen und erleben kann.
Plötzlich ging alles sehr schnell. Schulen wurden geschlossen, dann Restaurant, Bars und Geschäfte. Das Angebot des öffentlichen Verkehrs wurde massiv reduziert und wer kann, arbeitet im Home-Office. Nun, was macht man mit diesen neuen Umständen? Wir geben nützliche Hinweise und schlagen euch sinnstiftende Handlungen vor. So können wir diese aussergewöhnlichen Bedingungen besser annehmen und kreativ darauf reagieren.
1. Natur zu Hause geniessen und teilen
Das Schöne kann so nah sein! Man muss nicht zwingend auf weite Reisen, oder in den Zoo und den botanischen Garten gehen, um Natur zu beobachten. Auch auf dem Balkon oder im eigenen Garten gibt es zahlreiche Lebewesen. Insbesondere in dieser Jahreszeit, wenn draussen der Frühling erwacht, gibt es viel zu sehen: Zugvögel kommen zum Nisten in die Schweiz zurück, die Knospen der Sträucher beginnen sich zu öffnen und die Insekten begeben sich wieder auf Nahrungssuche.
Wie viele Vogelarten sieht du von deinem Heim aus? Die Info-Zentrale für OrnithologInnen in der Schweiz sammelt in einem europäischen Projekt unter dem Hashtag #StayHomeAndWatchOut Daten. Trage deine Vogel-Beobachtungen auf der Webseite ornitho.ch ein.
Was entdeckst du sonst alles noch in deinem Garten oder auf dem Balkon? «Mission B» und das «Festival der Natur» haben im Schnellspurt die Aktion #NaturDehei ins Leben gerufen. Teile mit dem Hashtag deine Videos und Bilder von deinem «Dehei» in den sozialen Medien. So können andere Menschen, trotz räumlicher Distanz, erreicht und berührt werden werden. Das inspiriert und verbindet.
2. Biodiversität zu Hause fördern
Gartenzentren haben geschlossen und auch Setzlingsmärkte finden nicht statt. Das soll uns aber nicht daran hindern, auf dem Balkon oder im Garten die Biodiversität zu fördern.
Es gibt zahlreiche Gärtnereien, die bereits viele Setzlinge gezogen haben und nur darauf warten, diese abzugeben. Deshalb hat die Stiftung ProSpecieRara eine Liste mit regionalen AnbieterInnen von Gemüse-Setzlingen, Saatgut, Kräutern und Beeren zusammengestellt. Bei einigen kann man die Produkte abholen gehen, andere haben einen Lieferservice.
Wer kreativ ist, kann auch mit Materialen aus dem Haushalt seine Umgebung gestalten. Beispielsweise kann man aus «Küchenabfällen» wieder frisches Gemüse heranwachsen lassen. Gemüsesorten, wie Sellerie, Randen, Karotten oder Zwiebeln schlagen Wurzeln, wenn der Strunk für einige Zeit im Wasser steht. Dieser kann wieder in Erde gepflanzt werden, und neue Triebe beginnen zu wachsen (1).
Lauch nachwachsen lassen – so geht’s:
- Lauch zum Kochen verwenden und min. 5 cm Strunk zur Seite legen.
- Den Strunk für 5-7 Tage in ein Glas mit Wasser stellen.
- Sobald sich genug Wurzeln gebildet haben, Lauchschnitt in Erde pflanzen.
- Nach wenigen Wochen entstehen neue Triebe.
3. Bewegung
Wenn die kleine Wohnung als Büro, Restaurant, Fitnesszentrum, Kulturlokal und Schlafplatz dienen muss, kann einem auch mal die Decke auf den Kopf fallen. Gerade für Familien, die auf engem Raum wohnen, wird ein täglicher Spaziergang empfohlen – mindestens eine Stunde.
Waldspaziergänge haben eine positive Wirkung auf den Gesundheitszustand und das Gemüt – und das ist nicht erst seit der Coronakrise bekannt. Ausgiebige Spaziergänge bauen nachweislich Stress ab und heben die Stimmung (2). Ein Spaziergang durch den aus dem Winter erwachenden Wald bringt frische Luft, Ruhe und Freude.
Bei einem Spaziergang sollte man aber nicht vergessen, dass der Wald auch Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere ist. Deshalb hat die Arbeitsgemeinschaft für Wald zusammen mit vielen Umwelt- und Naturschutzorganisationen den Wald-Knigge erstellt: Mit kreativen Illustrationen wird auf anschauliche Weise gezeigt, wie man sich im Wald rücksichtsvoll verhalten kann.
4. Lerne etwas Neues
Lernen kann man auch ohne Hochschulen, Universitäten und Schulen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Gerade im Bereich Natur und Umwelt gibt es erstklassigen Lernstoff, für Gross und Klein.
Die Aktion «Mission B» des Schweizer Fernsehens veröffentlicht seit der Schliessung der Schulen jede Woche einen Artikel, der für jeden Schulwochentag eine Aufgabe für Kinder und ihre Eltern beinhaltet. Die Tipps können im Garten, auf dem Balkon, auf der Wiese vor dem Block oder im Wald umgesetzt werden. Diese Woche wird erklärt, wie Kinder im Wald Naturmaterialien sammeln gehen, um danach ein Mandala aus Zapfen, Steinen und sonstigen Materialien legen können.
Für Erwachsene gibt es viele Möglichkeiten, sich im Bereich Natur weiterzubilden. Gerade der Frühling, wenn alles blüht, bietet eine gute Möglichkeit, die botanischen Artenkenntnisse zu verbessern. Die «Flora Helvetica» (auch als App erhältlich) zusammen mit einem Bestimmungsschlüssel, sind nützliche Begleiter bei dem Streifzug durch Wald und Wiesen. Wer besser lernt, wenn er ein Ziel vor Augen hat, kann eine Zertifizierung von der «Schweizerischen Botanischen Gesellschaft» anstreben. Für das Zertifikat 200 «Bellis» werden die Kenntnisse von 200 Arten gefordert. Die Prüfung kann kostenfrei an verschiedenen Bildungsstätten in der Schweiz abgelegt werden.
Wer ein weniger ambitiöses Vorhaben bevorzugt, findet vielleicht bei «Filme für die Erde» etwas Passendes. Das Kompetenzzentrum für Umweltdokumentarfilme bietet eine grosse Auswahl an Filmen, die Wissen zu Nachhaltigkeit vermitteln. Mit der Aktion «StayatHome-Cinema» wird genügend Filmstoff für die kommenden Wochen angeboten – einige der Filme können kostenlos gestreamt werden.
5. Geld sinnvoll einsetzen
Nun kann man nicht mehr kurz in den Kleiderladen, ein neues T-Shirt kaufen gehen, im Buchladen schmökern und einen Krimi mit nach Hause nehmen, oder mit den Arbeitskollegen ein Bier in der Kneipe um die Ecken trinken gehen. Durch den reduzierten Konsum hat vielleicht manch eine weniger Ausgaben. Anstatt sein Konsumverlangen im online-Shopping auszuleben, kann das gesparte Geld in sinnvolle Projekte fliessen.
Manch gemeinnützige Organisation ist momentan froh um finanzielle Unterstützung. Beispielsweise ruft der Verein Surprise, der sozial benachteiligten Menschen in der Schweiz hilft, derzeit zu Spenden auf. Um einen Beitrag zur Eindämmung des Coronavirus zu leisten, hat der Verein den Verkauf des Strassenmagazins und die Sozialen Stadtrundgänge eingestellt. Da viele der rund 450 Verkaufenden und Stadtführenden armutsbetroffen sind, befinden sie sich unter den aktuellen Umständen noch in einer prekäreren Situation als anhin.
Auch kleine Bauernbetriebe brauchen der Zeit Unterstützung. Weil nun öffentliche Märkte geschlossen sind, haben ProduzentInnen, die vorwiegend auf dem Wochenmarkt verkaufen, Schwierigkeiten, genügend AbnehmerInnen für ihre Produkte zu finden. Wer dem entgegenwirken möchte, findet auf der Webseite der Kleinbauern Vereinigung nützliche Tipps und Adressen. Beispielsweise kann der Einkauf in kleinen, lokalen Lebensmittelgeschäften getätigt werden. Diese haben oft schon bestehende Kontakte zu kleinen Bauernbetrieben und haben die Möglichkeit, ihre Bestellmengen zu erhöhen.
6. Hilfe anbieten
Mit der Absicht «Zusammen gegen Corona» haben sich in kürzester Zeit etliche Hilfsgruppen gebildet, die Personen aus Riskiogruppen im Alltag unterstützen. Wer Zeit und Möglichkeiten hat, Menschen in seiner Nachbarschaft zu helfen, die auf Grund ihres Alters oder Gesundheitszustandes momentan zu Hause bleiben müssen, kann die Webseite Hilf-jetzt besuchen. Dort kann man sich einer bereits bestehenden Gruppe anschliessen, oder eine neue Gruppe gründen.
Auch die Landwirtschaft sucht momentan nach Hilfskräften, da viele Erntehelfende aus dem Ausland zur Zeit nicht einreisen können. Der Verein Landwirtschaft mit Zukunft hat ein Solidaritätsnetzwerk ins Leben gerufen. Bauernbetreibe können dort ihre Inserate aufschalten, damit Interessierte sich direkt bei den Höfen melden können.
7. Den Wandel wahrnehmen und davon lernen
So ungewohnt, beängstigend oder ungewiss die Umstände auch gerade sein mögen, die aktuelle Situation kann auch als Chance gesehen werden. Etwa für die Natur: Die Luft ist vielerorts freier von Schadstoffen, das Wasser in den Kanälen Venedigs ist so klar wie schon lange nicht mehr, und im menschenleeren Zentrum von Barcelona wurden sogar Wildschweine gesichtet (3). Für die Natur bedeutet die momentane Coronakrise eine Verschnaufspause – ob die Reduktion des weltweiten Schadstoffausstosses einen langfristigen Effekt auf das Klima haben wird, kann vorerst noch nicht gesagt werden.
Auch auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene können wir vieles von der aktuellen Situation lernen. Wie fühlt sich der verlangsamte Rhythmus an, wenn wir nicht dauernd von Termin zu Termin hetzen? Wie nutzen wir die verordnete Ruhe? Welche Tätigkeiten empfinden wir als wohltuend und sinnstiftend? Wie erleben wir die derzeit wachsende Solidarität und wie können wir mit anderen Menschen, trotz physischer Distanz, umgehen und verbunden bleiben?
Wenn wir der aktuellen Situation nicht mit Widerständen begegnen, sondern offen für Veränderungen sind, mögen wir so einiges lernen und vielleicht die eine oder andere Erkenntnis für die «Zeit danach» mitnehmen.
Quellen: (1) Plantura (2) Spiegel.de (3) Berner Zeitung