Vom Ei zum Vogelzug — zu Besuch in der Vogelwarte Sempach

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie eine nackte Eule aussieht? Oder wie viele Federn ein Eichelhäher hat? Diese und viele weitere Fragen beantwortet das Besucherzentrum der Schweizerischen Vogelwarte Sempach — ein Ort voller faszinierender Einblicke in die Welt der Vögel.

Einmal die Welt aus der Vogelperspektive erleben? Die Vogelwarte macht’s möglich — zumindest so weit wie das geht. Über die Alpen bis nach Afrika zu fliegen, blieb zwar ein Traum, dafür lernte ich Erstaunliches: Hätte ich den Stoffwechsel einer Meise müsste ich täglich Käsetoasts in einer Höhe von rund drei Metern verspeisen! Doch bevor wir uns in die interaktive Ausstellung begeben, widmen wir uns zuerst der «Singfonie», in der wir während 20 Minuten in einem mechanischen Theater eine unterhaltsame Lektion in «Zwitscherdütsch» erhalten.

Interaktive Ausstellung mit moderner «Beringungs»-Technologie

Nachdem wir also eine ganze Menge über Vogelgesänge und ihre Wichtigkeit in der Kommunikation zwischen Vögeln gelernt haben, geht es ab in das Highlight des Besucherzentrum: Die Ausstellung «Überleben» in der man die Perspektive eines Vogels einnimmt. Dazu werden wir zuallererst beringt — mit einem speziellen Ring, der als Schlüssel zu den interaktiven Stationen dient. Dieser Ring aktiviert Bildschirme, Lautsprecher oder beleuchtet Ausstellungsstücke. Und das beste: Am Ende des Rundgangs erhält jede:r ein eigenes Vogelprofil.

Das Wissen über Vögel wird so auf eine sehr einzigartige, spielerische Art und Weise übermittelt. Durch den gestaffelten Eingang kommt es auch nicht zu vielen Engpässen und dank der grossen Auswahl an Interaktionsobjekten kommen die Besucher:innen gut aneinander vorbei. Wer jetzt denkt, dass sich diese Ausstellung nur für Kinder eignet, täuscht sich. Für Erwachsene macht es mindestens genauso Spass, als Vogel die Welt zu entdecken.

Die Reise beginnt in einem Ei

Nach der Beringung geht es also schon los. Und wie könnte es anders sein, beginnt die Ausstellung in einem Ei. Kaum ist man geschlüpft geht es dann los: vom Nestbau über Nahrung, bis hin zu den Herausforderungen, die ein Vogel im Laufe seines Lebens meistern muss. Alles ist mit sehr viel Liebe und Auge zum Detail gestaltet: Die ausgestopften Vögel sind so lebensecht inszeniert, dass man meint, den Vögeln gerade wirklich beim Jagen, Brüten oder Kämpfen zuzusehen.

Besonders eindrücklich ist die Sektion über die Gefahren, denen Vögel ausgesetzt sind. In einem düsteren Gang werden Todesursachen wie Kollisionen mit Glas, Wetterextreme oder Katzen dargestellt. Diese eindringliche Inszenierung hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Auch an die Todesursachen innerhalb einer Meisenbrut werde ich mich lange erinnern. Kurz: An Gefahren für Vögel mangelt es heutzutage nicht.

Ein Vogel ohne Federn?

Um zur Eingangsfrage zurückzukehren: Habe Sie sich schon einmal gefragt, wie eine nackte Eule aussieht? Ich nicht und den Anblick werde ich auch nicht so schnell wieder vergessen. Faszinierend war der Anblick allemal, wenn auch etwas furchteinflössend. Der Anblick eines gerupften Eichelhähers wurde mir zum Glück erspart — sein Federkleid ist ohne ihn ausgestellt. Für Vogelexpert:innen sollte es ein Leichtes sein, hier Daunen-, Schwanz-, Deck- und Schwungfedern zu unterscheiden.

Zuletzt muss ich dann meinen Ring wieder abgeben: Meine Zeit als Vogel ist leider vorbei. Im Gegenzug erhalte ich mein individuelles Vogelprofil. In meinem Fall werde ich zum Wiedehopf gekürt — ein wunderschöner Vogel! Ob die Charakterisierung so stimmt, lasse ich mal dahingestellt.

Wer dann doch noch einige lebendige Vögel beobachten möchte, sollte sich einen Abstecher nach draussen nicht nehmen lassen. Einerseits gibt es Stieglitz, Kiebitz und Bartmeise in der Voliere zu bewundern und andererseits leben natürlich auch wilde Vögel im Naturgarten und am See. Bei unserem Besuch im Oktober haben diese sich auf Weissstorch, Mittelmeermöwe und Stockente beschränkt. Ein schöner Abschluss unseres Ausflugs!