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Wie die Politik das Insektensterben ignoriert

2019 reichte die nationalrätliche Umweltkommission (UREK-N) eine Motion zur Rettung der Insektenvielfalt in der Schweiz ein. Der Bundesrat anerkannte den Handlungsbedarf und befürwortete die Forderung nach raschem und entschiedenem Handeln gegen das Insektensterben. Ebenso hiessen National- und Ständerat diese und weitere Motionen zum Thema gut. Doch wirksame und griffige Massnahmen lassen auch Jahre später auf sich warten. Der Verlust an wertvollen Lebensräumen für Insekten geht ungebremst weiter.

Es ist einige Jahre her, seit das Parlament einen wichtigen Schritt angekündigt hat, um die Insektenvielfalt in der Schweiz zu retten: Am 27. August 2019 reichte die nationalrätliche Umweltkommission (UREK-N) einstimmig eine Motion ein, um die Ursachen für den Rückgang der Insekten zu bekämpfen («Wirksames Handeln gegen das Insektensterben»). Damit gab die UREK-N der Petition «Insektensterben aufklären» Folge, die Mitte Dezember 2018 von über 165‘000 Personen eingereicht worden war. Bis heute handelt es sich dabei um eine der erfolgreichsten Petitionen überhaupt, schreibt BirdLife Schweiz in einer Medienmitteilung. Entsprechend überwiesen beide Räte die Kommissionsmotion in leicht abgeänderter Version oppositionslos an den Bundesrat.

Handlungsbedarf ja, Umsetzung nein

Ebenso einstimmig nahmen National- und Ständerat die Motion «Das dramatische Bienen- und Insektensterben rasch und konsequent stoppen» von Nationalrat Bernhard Guhl (BDP/AG) im Juni 2020 an. Auch dieser Vorstoss fordert den Bundesrat auf, rasch und entschieden gegen das Insektensterben vorzugehen und verweist auf die in der Verfassung verankerte Vorsorgepflicht des Bundes.

Mit Annahme der beiden Motionen gab das Parlament dem Bundesrat den Auftrag, rasche und wirksame Massnahmen gegen das Insektensterben zu ergreifen. Das Parlament gab damit auch der Bevölkerung ein Versprechen, das Insektensterben wirksam anzugehen. Der Bundesrat erkennt zwar den Handlungsbedarf an, doch anstatt die zusätzlich nötigen Massnahmen umzusetzen, verwies er immer wieder auf andere laufende politische Geschäfte: Zuerst war es die Agrarpolitik ab 2022, dann der später abgelehnte indirekte Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative und nun sollen es die Agrarpolitik ab 2030 und der Aktionsplan zur Strategie Biodiversität richten.

Die Wissenschaft ist sich einig und präsentiert Lösungsansätze

Dabei wäre die Insektenvielfalt der Schweiz dringend auf ein konzertiertes Rettungsprogramm angewiesen. 2021 legte das Forum Biodiversität Schweiz der Akademie der Naturwissenschaften hierzu einen umfassenden Bericht vor (naturschutz.ch berichtete). Die beteiligten Wissenschaftler:innen kamen zu einem eindeutigen Schluss: Die Vielfalt und Grösse der Insektenbestände sind vor allem im Mittelland stark zurückgegangen. Dieser Rückgang setzt sich im Jura und in den Alpen fort. Gesamthaft sind knapp 60% der Insektenarten in der Schweiz gefährdet oder potenziell gefährdet. Bei den Wildbienen sind 59 Arten (9.6 %) bereits ausgestorben, wie die Rote Liste von 2024 zeigt.

Die Wissenschafter:innen beliessen es aber nicht bei der Beschreibung der Situation und der dafür verantwortlichen Ursachen; sie legten auch ein 12-Punkte-Programm zur Rettung der Insektenvielfalt in der Schweiz vor. Es beinhaltet unter anderem Massnahmen zur Erhaltung der noch bestehenden Insekten-Hotspots, die Aufwertung von Lebensräumen, die Reduktion von Pestizid- und Nährstoffeinträgen sowie der Lichtverschmutzung, eine allgemein insektenschonende Bewirtschaftung, einen verbesserten Wissenstransfer oder die Umlenkung oder Abschaffung biodiversitätsschädigender Subventionen.

Während die Insekten ihre Lebensräume verlieren, werden Massnahmen immer wieder aufgeschoben

Die wissenschaftliche Analyse ist eindeutig, die Handlungsempfehlungen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Doch der Bundesrat verschleppt dringend notwendige Massnahmen. Währenddessen geht ein wertvoller Insektenlebensraum nach dem anderen verloren. Dabei stellen die Insekten über die Hälfte der Artenvielfalt in der Schweiz und sind damit zentraler Bestandteil der Biodiversität. Durch ihren Artenreichtum, ihre Biomasse und ihre vielfältigen Spezialisierungen sind sie für das Funktionieren der Ökosysteme entscheidend – als Bestäuber, natürliche Bekämpfer von Schädlingen, Bewahrer der Bodenfruchtbarkeit und Nahrungsgrundlage für Vögel, Fische und viele mehr. Weiteres Abwarten und Wegschauen der Politik bezüglich Insektensterben kann sich die Schweiz schlicht nicht leisten.

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