Mit nur einer Stimme Unterschied will der Nationalrat die Restwasservorschriften bei Neukonzessionierungen aushebeln. Der Fischerei-Verband und Aqua Viva verurteilen das Vorgehen und fordern eine Korrektur im Ständerat.
Der Nationalrat will die gesetzlichen Restwasservorschriften bei der Neukonzessionierung von Wasserkraftwerken sistieren. Ein entsprechendes Massnahmenpaket zur Energiepolitik wurde gestern mit 95 zu 94 Stimmen verabschiedet. Zwischen 2023 und 2035 stehen neue Konzessionen an für Werke, die insgesamt rund 5000 GWh/a produzieren. Eine Analyse von neuen Konzessionen ergab, dass bei Umsetzung der heute geltenden Restwasservorschriften eine «Minderproduktion» von rund 6 bis 8 Prozent entsteht. Das wären 350 GWh/a oder nur rund 175 GWh/Winterhalbjahr. Eine Sistierung der Restwasservorschriften für die Sicherung dieser Strommenge wäre für viele Gewässer aber gleichbedeutend mit deren Preisgabe als Lebens- und Naturraums, schreibt Aqua Viva in einer Mitteilung.
Für den Bau von Wasser-, Wind- und Solaranlagen soll zudem in Landschaften des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) auf die Leistung von Schutz-, Ersatz- und Wiederherstellungsmassnahmen verzichtet werden. Ausserdem will der Nationalrat auch kleineren und weniger bedeutenden Energieanlagen ein nationales Interesse einräumen, sollte das Ausbauziel in der gesetzten Frist nicht erreicht werden. Auch beim Biotopschutz sollen Abstriche gemacht werden: Neu entstehende Gletschervorfelder und alpine Schwemmebenen sollen nach dem Nationalrat vom Biotopschutz ausgenommen werden.
Die Gewässerschutzorganisation Aqua Viva verurteilt, dass der Nationalrat den Kompromiss der Kommmission zwischen Schutz- und Nutzinteressen einseitig zugunsten der Energieinteressen gebrochen hat. Es scheint, dass der Nationalrat den Naturschutz aus den Augen verloren hat und einen Freifahrtschein für den Zubau von erneuerbarer Energie in der unberührten Natur ausstellt. Der Wegfall der gesetzlichen Restwassermengen, der Ausgleichsmassnahmen sowie das angedachte nationale Interesse für kleine Energieanlagen haben keinen direkten Nutzen für die Energiewende, sondern maximieren lediglich die Gewinne der Energiekonzerne. Mit der grundsätzlichen Freigabe von neu entstehenden Gletschervorfeldern und alpinen Schwemmebenen werden zudem dynamisch Gebiete geopfert, welche sich in Zeiten des Klimawandels zu den letzten Refugien hitzeempfindlicher Arten entwickeln könnten. Mit der Sistierung der gesetzlichen Restwasserbestimmungen masst sich der Nationalrat zudem an, sich über das Volk und die Verfassung zu stellen. Seit einem Volksentscheidung 1975 sind die Restwassermengen nämlich in der Verfassung verankert.
Auch der Schweizerische Fischereiverband spricht von einer «riesengrossen Enttäuschung» und wird ein Referendum ernsthaft prüfen. Es dürfe nicht sein, dass der Umweltschutz kaltschnäuzig für bescheidene Mehrproduktionen an Wasserkraft ausgehebelt werde.
Das Massnahmenpaket des Nationalrats muss noch vom Ständerat verabschiedet werden. Aqua Viva fordert den Ständerat dazu auf, diesen Entscheid zu korrigieren und die Interessen der Natur im Blick zu behalten. Auch der Schweizerische Fischereiverband appeliert an die «staatspolitische Verantwortung» des Zweitrats.
Nur ein Aspekt dazu: Alle sprechen von der Steigerung der Stromproduktion im Inland und zwar auf biegen und brechen. Es ist eine Schande, wenn grossartige Landschaften wie z.B. das Rosegtal verunstaltet werden sollten. Warum spricht praktisch niemand davon, wie man der Verschwendung von elektrischer Energie Einhalt gebieten könnte? Da wäre meiner Meinung nach noch ein erhebliches Potential vorhanden. Nur ein paar Beispiele: Elektrisch betriebene SUV mit tonnenschwerer Batterie sind unnötig, ebenso E- Trottinette, unnötiger Standby Betrieb von Geräten vermeiden, die Wärmedämmung von Altbauten sollten besser gefördert werden, vor allem wenn sie mit Wärmepumpen beheizt werden, Strassenlampen mit Nachts abschalten oder mit Bewegungsmeldern ausrüsten uns so weiter…
Menschen öffnet euere Herzen! Die Natur ist so viel Wert, also schützen wir sie.