StartNewsPolitikGewinnsteigerung in Krise: Schweiz braucht auch bei Rohstoffen eine Aufsichtsbehörde

Gewinnsteigerung in Krise: Schweiz braucht auch bei Rohstoffen eine Aufsichtsbehörde

Public Eye untersuchte die in den letzten drei Krisenjahren verbuchten Rekordgewinne von Schweizer Rohstoffhändler wie Glencore und Cargill. Dank dieser trägt der Rohstoffsektor inzwischen beinahe so stark zum Schweizer Bruttoinlandprodukt bei wie der Finanzsektor. Im Gegensatz zu diesem wacht aber immer noch keine Aufsichtsbehörde über die skandalträchtige Boom-Branche.

Je grösser die Krisen, desto stärker die Schwankungen auf den Rohstoffmärkten und desto höher die Gewinne der Händler: Entsprechend waren bereits die Coronajahre 2020 und 2021 für die meisten in der Schweiz ansässigen Händler äusserst profitabel. Im ersten Halbjahr 2022 stiegen die Profite sogar noch einmal. Der weltgrösste Agrarhändler Cargill, der seinen globalen Getreidehandel von Genf aus steuert, erzielte mit 6,7 Milliarden US-Dollar Gewinn im Geschäftsjahr von Juni 2021 bis Mai 2022 einen Anstieg von 141% gegenüber dem Durchschnitt vor der Pandemie. Bei Glencore, der 2020 noch massive Verluste verbucht hatte, betrug das Plus 2021 sogar ganze 661%. Diesen Rekordwert übertraf der Zuger Konzern im ersten Halbjahr 2022 gleich nochmals mit einer Verzehnfachung des Gewinns gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 auf 12 Milliarden US-Dollar. Der Bericht über «Krieg, Krisen und Rekordgewinne» von Public Eye zeigt aber nicht nur den Geschäftsgang der zehn grössten Rohstoffkonzerne mit Haupt- oder Handelssitzen in der Schweiz, sondern auch, wer von dieser gigantischen Geldflut profitiert – einige wenige Rohstoffmilliardär:innen.

Volkswirtschaftlich führen diese Bestmarken von Cargill, Glencore wie auch deren Konkurrenz zu einem massiven Wachstum dieser risikoreichen Branche. Während sich deren Wertschöpfung 2017 laut Statistik der Schweizerischen Nationalbank noch auf 25 Milliarden Franken belief, was gemäss dem Rohstoffbericht des Bundesrats von 2018 rund 3,8% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachte, hat sich dieser Wert 2021 mehr als verdoppelt: Mit 58,5 Milliarden Franken trägt der Rohstoffhandel mittlerweile ganze 8% zum BIP bei und wird im privaten Dienstleistungssektor nur noch knapp vom Finanzplatz (9,1%) übertroffen. Die Banken allein (also ohne Versicherungen etc.) kamen 2020 nur auf 3,6% und erwirtschaften damit nicht mal halb so viel wie der Rohstoffplatz. Bundesverwaltung, Medien und sogar der Branchenverband verweisen jedoch noch heute auf die ehemals 3,8%. Die historischen Halbjahreszahlen der Handelskonzerne vor dem Hintergrund des andauernden Krieges in der Ukraine lassen vermuten, dass deren BIP-Anteil 2022 sogar nochmals deutlich höher ausfällt.

Der Rohstoffsektor trägt bald oder vielleicht bereits so viel zum Bruttoinlandprodukt, wie der Finanzsektor. Quelle: Public Eye

Mit der Grösse steigt auch die Verantwortung der Schweiz als Sitzstaat dieser Hochrisikobranche, welche die äusserst profitablen Unternehmen mit ihrer Tiefsteuerpolitik und Regulierungsscheu systematisch anlockt. Für den ebenso risikoreichen Finanzplatz gibt es seit 2007 eine Finanzmarktaufsicht (Finma). Eine ähnliche Behörde, inklusive der dafür nötigen Gesetzesgrundlage, fordert Public Eye nun auch für den Rohstoffplatz. Dessen wachsende volkswirtschaftliche Relevanz wie auch die unzähligen Missstände würden die Notwendigkeit einer Rohstoffmarktaufsicht (Rohma) immer deutlicher machen, so Public Eye. Zudem müssten Bundesrat und Parlament für eine gerechte gesellschaftliche Umverteilung dieser durch Pandemie und Ukrainekrieg begünstigten Rekordgewinne sorgen. Denn eine Verzehnfachung des Profits in Krisenzeiten wie im Falle von Glencore sei schlicht illegitim, meint Public Eye. Die Organisation fordern als politische Konsequenz daraus, eine in der EU und diversen anderen Ländern bereits eingeführte Sondersteuer auf die krisenbedingten Übergewinne von Energie- und Rohstoffunternehmen.

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