Am 20. November hat der Bundesrat den Aktionsplan Biodiversität verabschiedet, der diesen Namen nicht verdient. Denn anstatt wirksamer Aktionen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in der Schweiz ist weitgehende Untätigkeit im Angesicht des akuten Artensterbens geplant. Mit den vorgesehenen Berichten und der völlig unzureichenden Finanzierung wird der Untätigkeitsplan leider keinen relevanten Beitrag zum Erhalt der Biodiversität in der Schweiz leisten können.
Am 20. November hat der Bundesrat den zweiten Aktionsplan Biodiversität verabschiedet. Wie BirdLife Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz in einer gemeinsamen Medienmitteilung berichten ist der Aktionsplan in jeder Hinsicht eine herbe Enttäuschung. Inhaltlich wird er keinen relevanten Beitrag zum Erhalt der Biodiversität in der Schweiz leisten können. Es war wohl ein politischer Entscheid, den äusserst schwachen Aktionsplan erst nach der Abstimmung zur Biodiversitätsinitiative zu publizieren.
Papiertiger statt wirksame Massnahmen
Der Plan sieht vorwiegend Studien, Methodenentwicklungen und Abklärungen vor — für die Umsetzung der Resultate sind keine Ressourcen vorgesehen. Im Gegenteil: im Rahmen der Sparmassnahmen schlägt der Bundesrat sogar eine Kürzung der Mittel für die Biodiversität vor. In der Schweiz haben wir einen guten Wissensstand zur Biodiversität. Friedrich Wulf, Projektleiter Internationale Biodiversitätspolitik bei Pro Natura betont: «Der Handlungsbedarf und die heute absolut ungenügende Umsetzung der Gesetze sind bekannt. Diese nachgewiesenen und dringenden Defizite müssen angegangen werden. So wie der Aktionsplan jetzt daherkommt, dienen die Studien und Abklärungen vor allem dazu, von der Untätigkeit bei den grossen und bekannten Prioritäten abzulenken.»
Keine Ambition zur Erreichung der Ziele
Der Bundesrat hatte 2012 die Strategie Biodiversität Schweiz mit zehn Zielen beschlossen, die er bis 2020 erreichen wollte. Mit dem ersten Aktionsplan wurde keines der Ziele erreicht, wie die Wirkungsanalyse des Bundes zeigte. Diese Erkenntnis müsste dringend zu einem verbesserten Aktionsplan führen. Was nun aber das Umweltdepartement vom Bundesrat verabschieden liess, ist eine weitere Abschwächung. Mit diesem Aktionsplan wird auch bis 2030 keines der Ziele erreicht werden. Umweltdepartement und Bundesrat handeln verantwortungslos.
Ressourcen völlig unzureichend
Der Aktionsplan sieht gut 4 Millionen CHF pro Jahr vor. Vor 8 Jahren zeigte eine Berechnung des Bundes allein für den Erhalt der Biotope von nationaler Bedeutung einen Bedarf von mindestens 286 Millionen CHF pro Jahr auf. Andere Aufgaben wie Biodiversität in Siedlungsraum und Wald sowie die Artenförderung für stark gefährdete Arten benötigen ebenfalls Finanzen. Insgesamt beträgt der tatsächliche Finanzbedarf zum Erhalt der Biodiversität mehr als das Hundertfache dessen, was jetzt vorgesehen wird. Vor dem Hintergrund der bisherigen, verfehlten Ziele, dem steigenden Druck auf die Natur sowie der Teuerung muss davon ausgegangen werden, dass die Kosten heute noch höher liegen. «Indem der Bund weiter zuwartet mit wirkungsvollen Massnahmen, wird es je länger, desto teurer, die Biodiversität und ihre Leistungen zu erhalten — eine enorme Last für die kommenden Generationen», gibt Thomas Wirth, Biodiversitätsexperte beim WWF, zu bedenken.
«Die Finanzmittel für den Aktionsplan sind derart gering, dass sie als völlig unangemessen bezeichnet werden müssen. Es wäre ehrlicher gewesen, keinen Aktionsplan zu verabschieden, als diesen Plan der Untätigkeit», kritisiert Raffael Ayé von BirdLife.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Bevölkerung nicht ehrlich über den Aktionsplan informiert wurde. In den letzten Monaten wurde der Eindruck erweckt, dass der Bundesrat ein wichtiges Instrument für den Erhalt der Biodiversität erarbeiten lasse. Dieses Versprechen an die Bevölkerung hat der Bundesrat gebrochen.
Beìm Bundesrat kennt sich offenbar niemand richtig mit den wahren Bedürfnissen der Natur aus. Dies ist eigentlich auch nicht weiter schlimm, Ökologie gehört nicht zu den Kernaufgaben der Politiker. Verheerende Folgen aber bringt es für die Natur mit sich, wenn schlechte Berater den Bundesrat von Entscheidungen überzeugen, die den Lobbysten aus Bau-, Holz- und Forstbranche in die Hände spielen. Denn was die Kassen dieser Lobbysten füllt, schmälert die Ökosysteme. Die Schweiz steht punkto Artenschutz, Schutz von wichtigen Lebensräumen und Artenvielfalt im Vergleich mit Europa schlecht da. Das ist leider Tatsache, auch wenn es viele abstreiten oder ignorieren.
Andreas Grau, Waldökologe und Buchautor