StartNewsNaturWölfe reissen weniger und werden trotzdem mehr geschossen

Wölfe reissen weniger und werden trotzdem mehr geschossen

Auch 2024 hat die Anzahl Nutztierrisse abgenommen, obwohl die Anzahl Wölfe zunahm — ein Trend, der bereits vor den massiven Wolfsabschüssen letzten Winter einsetzte. Trotzdem werden aktuell viel mehr Wölfe zum Abschuss freigegeben. Der Bund und einzelne Kantone entkoppeln sich von den Fakten, obwohl Bevölkerung und Gesetz Augenmass verlangen.

Im Vergleich zum Vorjahr hat die Anzahl Nutztierrisse durch Wölfe zum dritten Mal in Folge abgenommen. In den beiden Kantonen mit den grössten Wolfsvorkommen, Graubünden und Wallis, haben die Risse auch dieses Jahr abgenommen. Per Ende Oktober gibt es 15% weniger Risse als 2023 zum selben Zeitpunkt. Im Vergleich zu 2022 sind es sogar 40% weniger Risse per. Dies berichten die Naturschutzorganisationen BirdLife Schweiz, Gruppe Wolf Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz in einer gemeinsamen Medienmitteilung.

Ende Oktober sind im Wallis 324 Nutztierrisse durch Wölfe zu verzeichnen. Das sind 10% weniger als im Vorjahr und sogar 20 Prozent weniger als 2022 per Ende Oktober. Auch im Kanton Graubünden haben die Risse per Ende Oktober von rund 450 (2022) auf 265 (2023) und 195 (2024) abgenommen. Das ist ein Rückgang um über 50% gegenüber 2022. Im Kanton Glarus kam es sogar zu nur vier Rissen. Dieser Abwärtstrend zeigte sich bereits im Sommer 2023, also vor Beginn der hemmungslosen Wolfabschüsse letzten Winter. Der Rückgang der Schäden — bei gleichzeitig steigendem Wolfsbestand — ist daher primär auf die Anstrengungen im Herdenschutz zurückzuführen.

Wolfsabschüsse ohne Faktenbezug

Im Kontrast zur Abnahme der Nutztierrisse steht die Entwicklung bei den laufenden Wolfsabschüssen. Die Tötung ganzer Wolfsfamilien soll gemäss Jagdgesetz als letztes, klar reglementiertes Mittel eingesetzt werden, wenn alle Alternativen — wie Herdenschutz, Vergrämung, Jungtier- oder Einzeltierabschüsse — versagen. Die Realität sieht anders aus: Heute wird in gewissen Kantonen jedes Rudel, das ein einziges geschütztes Nutztier gerissen hat, zur Tötung freigegeben. Bei insgesamt acht Rudeln hat das BAFU diesen Winter die vollständige Eliminierung genehmigt — darunter auch beim Nationalparkrudel. Den meisten anderen Wolfsrudeln sollen bis zu zwei Drittel ihrer Welpen weggeschossen werden. Die «Regulierung» nimmt Züge einer Schädlingsbekämpfung an.

Willkürliches Vorgehen

Bei der Umsetzung der Abschussverfügungen werden teils Vorgaben des BAFU zum Schutz der Jungtiere oder das Verbot von Abschüssen in Überschneidungsgebieten von Rudeln missachtet: So wurden im Kanton Wallis schon Anfang September erwachsene Wölfe aus den Rudeln Augstbord und Les Toules erlegt — und somit den abhängigen Welpen wohl ein Elterntier weggeschossen. Selbst in Fällen, in denen das BAFU seine Zustimmung für Wolfsabschüsse verweigert, gibt es offenbar Wege, es umzustimmen: Nachdem zwei von drei Anträgen des Kantons Wallis zum Abschuss ganzer Rudel abgelehnt worden waren, reichte ein Treffen des kantonalen Departementsvorstehers mit Bundesrat Rösti, um weitere Abschüsse bewilligt zu erhalten. Das zeigt, dass die Entscheide auf politischer und nicht mehr auf fachlicher Grundlage getroffen werden.

Dabei kann der Wolfsbestand auch verhältnismässig reguliert werden. Dies zeigen die Beispiele aus den Kantonen Waadt und Tessin, wo Abschüsse weiterhin nur mit klarem Schadenbezug stattfinden.

Über 35’000 Stimmen für das Nationalparkrudel

Dass sich auch die Bevölkerung bei Eingriffen in den Wolfsbestand Augenmass wünscht, zeigt die Petition der Naturschutzorganisationen für den Erhalt des Nationalparkrudels. Innert 14 Tage haben über 35’000 Personen die Bündner Regierung dazu aufgerufen, auf die Tötung des Rudels zu verzichten und Alternativen zu finden. Die Petition wurde am 6. November 2024 im Beisein der Naturschutzorganisationen in Chur der Bündner Regierung übergeben.

Weitere Informationen:
Tabelle Bilanz Anzahl gerissene Nutztiere 2024

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