Pestizide kommen in der Schweizer Landwirtschaft aber auch in Hobbygärten breit zum Einsatz. Sind unsere Wildtiere davon betroffen? Die Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie (SGW) widmete sich dieser Frage im Rahmen ihrer jährlichen Fachtagung. Die präsentierten Studien zeigen ein verheerendes Bild: Unsere Wildtiere werden schleichend vergiftet.
Chemische Schädlingsbekämpfungsmittel werden optimalerweise lediglich als letzte Massnahme eingesetzt, wenn alle andern Möglichkeiten – z.B. die Auswahl resistenter oder toleranter Pflanzensorten – ausgeschöpft wurden. Da sind sich alle einig. Nur leider sieht die Praxis anders aus: Die Pestizide werden weniger als Notmassnahme sondern viel mehr präventiv im grossen Stil angewendet. Bis zu 95% der eingesetzten Gifte landen nicht bei den Zielpflanzen, sondern gelangen direkt in die Umwelt. Zudem besteht keine Kontrolle, wo und wie die Pestizide in der Schweiz tatsächlich ausgebracht werden.
Dringenden Handlungsbedarf sieht auch das Bundesamt für Umwelt, BAFU. Die Schweizer Verfassung verlangt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Schutz und Nutzung sowie eine standortangepasste und ressourceneffiziente Landwirtschaft. In Bezug auf den Einsatz von Pestiziden ist die Landwirtschaft heute noch weit entfernt davon. Es ginge aber tatsächlich auch anders: «Vision Landwirtschaft», eine Gruppe landwirtschaftlicher Fachpersonen, zeigt Wege zu einer pestizidbefreiten Landwirtschaft sowie die Gründe, die dafür sprechen: Eine Landwirtschaft, die ihre natürlichen Ressourcen schont, weniger gesundheitliche Schäden für den Menschen, weniger Kosten für die Bauern und wirtschaftlich verkraftbare Mindererträge, die auch noch durch Direktzahlungen kompensiert werden könnten.
Und was zeigten die Studien zu den Wildtieren nun konkret?
- Rückgang der Fluginsekten um mehr als 75%: Eine deutsch-holländische Studie hat mit fundierten Analysen diesen Schwund der Insektenmasse belegt und kam zum Schluss, dass die Hauptursache dafür die Pestizide sind.
- Reaktion der Vögel auf Pestizide: Fehlen 75% der Insektenmasse, hat dies natürlich einen drastischen negativen Einfluss auf die gesamte Nahrungskette, so auch bei den insektenfressenden Vögeln. Dazu kommt, dass z.B. bereits fünf mit Pestiziden behandelte Maiskörner eine tödliche Dosis für das Rebhuhn bedeuten. Auch andere Effekte bei bereits sehr geringen Dosen sind bekannt, wie z.B. die Beeinträchtigung der Fortpflanzung.
- Gifte in der Nahrungskette: Es wurde aufgezeigt, wie verbreitet Bromadiolon – ein Gift gegen Nagetiere für Haus- und Agrargebrauch – in Nicht-Zielarten ist. Als Mittel gegen Mäuse eingesetzt, gelangt der Gerinnungshemmer in die Nahrungskette und kann in Frankreich in neun von zehn tot aufgefundenen und untersuchten Mäusefressern wie Füchsen oder Greifvögeln nachgewiesen werden.
- Auswirkungen auf Gewässerlebewesen: Für Fische, Krebstiere und Insektenlarven sind Insektizide die dominanten Giftstoffe. Die Wirbellosen reagieren besonders empfindlich, was sich mit Verlusten von bis zu 42% der Arten in pestizidbelasteten Gewässern auswirkt. Fischlarven zeigen bereits bei niedrigen Konzentrationen eine reduzierte Schwimmaktivität, was zu höherer Prädation und geringerer Nahrungsaufnahme führt.
- Reaktion der Amphibien auf Pestizide: Amphibiengewässer weisen oftmals hohe Konzentrationen und Cocktails von Pestiziden auf, insbesondere, wenn Drainagenwasser ins Gewässer führt. Dies kann in Kombination mit andern Stressfaktoren die Überlebensrate der Kaulquappen drastisch senken. Problematisch ist, dass bei Zulassungsverfahren Wirkstoffe einzeln auf ihre Wirkung getestet werden, nicht aber die Pestizid-Cocktails, die im Gebrauch sehr häufig sind. Genau diese Kombinationen können aber oft tödlich sein.
Wildtiere statt Profite schützen
Das Fazit ist aus Sicht der SGW eindeutig: Wir kennen zwar viele längerfristige Effekte der Pestizide auf die Ökosysteme und die Wildtierpopulationen noch nicht, aber was wir heute schon wissen, ist alarmierend. Vergiftete Wildtiere, ist das der Preis, den wir für eine «effiziente» Nahrungsmittelproduktion zahlen müssen? Nein, sagt die SGW! Eine massive Reduktion des Pestizideinsatzes hätte durchwegs positive Effekte für die Wildtiere, die Landwirte und die breite Bevölkerung. Einzig die Produzenten und Händler der Pestizide würden weniger Gewinne erzielen. Es ist höchste Zeit, dass die Politik und die Gesellschaft diese Fakten ernst nehmen und sich der Konsequenzen für uns und unsere Mitwelt bewusst werden.
Ich hoffe es wird irgendwann besser.