Vielen Vögeln des Landwirtschaftsgebiets geht es schlecht, besonders den Arten, die in Afrika überwintern. Sind also Veränderungen in Zug- und Überwinterungsgebieten für diesen Rückgang verantwortlich? Eine neue Studie unter Mitwirkung der Schweizerischen Vogelwarte Sempach zeigt nun, dass dies zumindest für das Braunkehlchen nicht der Fall ist. Die Verantwortung liegt bei uns in Europa.
Es gibt drei Möglichkeiten, weshalb eine Population zurückgeht: Abwanderung in andere Gebiete, sinkende Überlebensrate oder rückläufiger Bruterfolg. Eine neue Studie unter Mitwirkung der Vogelwarte Sempach ging der Frage nach, welcher dieser Faktoren für den europaweiten Rückgang des Braunkehlchens verantwortlich ist. Dazu haben sie acht Populationen in sechs Ländern untersucht.
Da das Braunkehlchen in ganz Europa stark zurückgeht, kann die Abwanderung in andere Gebiete als Ursache dafür ausgeschlossen werden. Aufgrund langjähriger Beringungsdaten war es dem Forscherteam möglich, Braunkehlchen individuell zu erkennen und über mehrere Jahre zu beobachten. Daraus konnte es die jährliche Überlebensrate der erwachsenen Vögel schätzen. Das Resultat überraschte: Diejenigen Populationen mit den höchsten Überlebensraten wiesen die stärksten Rückgänge auf.
Die Überlebensrate hat beim Braunkehlchen also kaum einen Einfluss auf die Bestandsentwicklung. Somit scheidet auch dieser Faktor als wesentlicher Treiber für den Rückgang des Braunkehlchens aus, und damit auch beispielsweise die Zerstörung des Lebensraums in den afrikanischen Winterquartieren. Als einzige Erklärung bleibt der Rückgang des Bruterfolgs, der massgeblich durch die fortschreitend intensivere landwirtschaftliche Nutzung im Brutgebiet verursacht wird.
Ehemals naturnahe Wiesen werden immer intensiver gedüngt und bewässert. Dadurch wächst das Gras schneller, weshalb es immer früher und häufiger geschnitten wird. Für wiesenbrütende Vögel, zu denen auch das Braunkehlchen gehört, ist diese Entwicklung fatal, da ihre Bruten vermäht werden. Zusätzlich mangelt es dem Braunkehlchen als reinen Insektenfresser an Nahrung, da die einstigen insektenreichen Blumenwiesen zu sterilen Grünflächen umgewandelt werden.
Als Folge davon hat sich der Schweizer Bestand des Braunkehlchens in den letzten 20 Jahren halbiert! Mittelland und Jura sind mittlerweile praktisch verlassen, und auch in den Bergregionen zeichnet sich zunehmend eine bedenkliche Entwicklung ab. Um dem Braunkehlchen zu helfen, muss der Dünger- und Pestizideinsatz reduziert werden. In Wiesen mit Braunkehlchenbruten ist zudem eine späte Mahd vonnöten, je nach Höhenlage zwischen Anfang und Ende Juli. Wenn das Braunkehlchen in der Schweiz eine Zukunft haben soll, müssen wir jetzt handeln. Es liegt nämlich in unserer Verantwortung.
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