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Gefährdete Grenzgänger – Uferpflanzen

Sie sind Grenzgänger zwischen zwei Welten und die am stärksten gefährdete ökologische Gruppe der einheimischen Pflanzen. Viele Uferpflanzen sind nicht nur wunderschön, oftmals sind sie uns in ihrem wenig zugänglichen Lebensraum auch weniger gut bekannt. Grund genug, genauer hinzuschauen, wie es diesen Pflanzen geht.

Geschrieben von Adrian Möhl und Helder Santiago.
Der Originalartikel wurde in der botanischen Zeitschrift «info flora plus» (Ausgabe Nr. 7 2018) von Info Flora veröffentlicht.
Der Artikel wurde für die Rubrik «Fortschritte» verfasst, in der Arten mit positiven Verbreitungstrends vorgestellt werden.

Die Welt am Wasser ist geheimnisvoll und oftmals unerforscht, und wer durch die Schilfrasen streunt, kann auf eine äusserst spannende Pflanzenwelt treffen. Ufer sind vielfältig. Sie können steil und abrupt sein und kaum Platz für Pflanzenwachstum bieten, sie können sich aber auch sanft und flach hinziehen und mitunter mit einer üppigen und bunten Vegetation bestückt sein. Je nach Art des Gewässers bieten sie den Pflanzen viele Nährstoffe und ruhige Verhältnisse oder aber es herrscht Nährstoffarmut und an wilden Bergbächen und stürmischen Seeufern müssen die Uferpflanzen mit harschen Wachstumsbedingungen rechnen.

Das Ufer, ein bedrohter und beliebter Lebensraum

Gerade die lauschigen Ufer sind aber auch beim Menschen beliebt: Häuser werden erstellt, Freizeitanlagen gebaut, Strände locken zum Baden – der artenreiche, wilde Strandrasen muss so oft einer Monokultur von Spielwiesengräsern weichen. Es erstaunt also wenig, dass viele Uferpflanzen in der Vergangenheit unter Bedrängnis geraten sind und heute auf der Roten Liste als gefährdet oder vom Aussterben bedroht taxiert sind. Uferpflanzen haben den unrühmlichen Spitzenplatz inne, wenn es um die Gefährdungskategorien geht. Rund 65 Prozent aller Uferarten sind bei uns gefährdet oder bereits ausgestorben, weitere 12 Prozent sind potenziell gefährdet. Weil die meisten Uferpflanzen im Rückgang sind und uns dies oft nicht bewusst ist, steht diese Gruppe im Mittelpunkt der diesjährigen thematischen Fortschritte. Für einmal ist jedoch nicht vom Rückgang der Arten die Rede, sondern wir befassen uns mit den «Erfolgen», sprich mit Fundmeldungen von Uferpflanzen, die in Welten-Sutter-Flächen (= ein botanischer Begriff für die Darstellung von Verbreitungsflächen einer Art. Anm. d. R.) liegen, in denen die Art zuvor noch nicht bekannt war.

Was ist eine Uferpflanze?

So vielfältig wie die Ufer sind, so divers ist auch ihre Pflanzenwelt. Auf den ersten Blick wirkt der Standort «Ufer» für eine Pflanze geradezu ideal. Die Füsse im Wasser, meist ohne Beschattung durch grosse Bäume – das ist eine Ökologie, die vielen Pflanzen gefallen muss. Man darf aber nicht vergessen, dass der Wasserstand von Seen und Flüssen je nach Jahreszeit ganz beträchtlich schwanken kann. Wer also am Ufer wachsen will, muss mit monatelanger Staunässe umgehen können und auch bereit sein, für Tage oder gar Wochen im «untergetauchten Modus» zu funktionieren. Eine Uferpflanze ist denn auch eine, die den amphibischen Verhältnissen gut angepasst ist. Aber welche Uferpflanzen sind die geeignetsten, um hier vorgestellt zu werden? Sind es die besonders typischen, wie zum Beispiel das Schilf (Phragmites australis) oder das Flutende Süssgras (Glyceria fluitans), oder eher die auffälligen, wie der Bittersüsse Nachtschatten (Solanum dulcamara) oder der Breitblättrige Rohrkolben (Typha latifolia)? Soll der Vorrang den extrem seltenen wie der Schwanenblume (Butomus umbellatus) gegeben werden oder denen, die verkannt werden, wie etwa der Wilde Reis (Leersia oryzoides)?

Das Pflanzen-Casting

Einmal mehr hat die grosse Palette von Kandidaten zu einer Qual der Wahl geführt, und weil der Platz knapp ist, haben wir uns schwergetan, eine gerechte Auswahl zu treffen. Um uns die Arbeit etwas zu vereinfachen, haben wir uns auf die Arten beschränkt, die bei der Roten Liste in der Kategorie Ufer von Still- und Fliessgewässern stehen (diese stützt sich auf die offizielle Typologie der Lebensräume). 144 Arten sind dort aufgeführt, eine überschaubare Gruppe, aber immer noch viel zu viel, um sie hier alle zu behandeln. Zu einigen Arten waren keine Fortschritte zu verbuchen, was das Ganze etwas einfacher machte, andere wiederum wurden schon in früheren Fortschrittsserien vorgestellt. Zum Schluss entstand eine Liste von 42 Arten, die wir genauer angeschaut und bei denen wir sämtliche Fundmeldungen kontrolliert haben. Während die Karten jeweils alle neuen Flächen zeigen, in denen eine Art seit der Publikation des Atlas der Schweizer Flora von Welten und Sutter gemeldet wurde (purpurne Farbe), haben wir im Text nur die Meldungen ab 2002 und nur die natürlichen Vorkommen aufgelistet.

Die Schwanenblume Butomus umbellatus L.

Die Schwanenblume Butomus umbellatus L.
Die Schwanenblume Butomus umbellatus L. © Info flora plus

In der Schweiz kriegt man die Schwanenblume nur ganz selten zu sehen, und wenn sie blüht, dann ist sie schon fast eine exotische Erscheinung. Bis zu 30 Blüten können in langgestielten Dolden stehen und in Sachen Eleganz ist die Art sicher eine eigene Kategorie. Trotz ihrer Seltenheit ist sie in der Schweiz nur als Art von mässiger Priorität klassiert, denn ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt in den tieferen Lagen; in Ländern wie Holland findet sich die Art sehr viel häufiger als bei uns. In der Schweiz wird sie gerne als Teichpflanze gezogen – diese nicht natürlichen Vorkommen haben wir in den Fortschritten nicht aufgelistet. Ob die hier aufgeführten neuen Standorte natürlich sind, ist schwierig zu beurteilen, auf jeden Fall wurden sie von den Beobachtern so eingeschätzt.

karte von Pflanzen.
Grau: Fläche wurde im Atlas von Welten und Sutter erwähnt oder in früheren Fortschritten publiziert; Grün: Wiederbestätigte Fläche; Violett: Neue Fortschritte-Fläche. © info flora

Das Sumpf-Helmkraut Scutellaria galericulata L.

Das Sumpf-Helmkraut Scutellaria galericulata L.
Das Sumpf-Helmkraut Scutellaria galericulata L. © info flora

In der grossen Gattung der Helmkräuter, die fast überall in der Welt anzutreffen ist, findet sich eine Art, die besonders schöne blaue Blüten hat und typischerweise an Ufern wächst. In der Schweiz ist das Sumpf-Helmkraut nicht ausgesprochen selten, jedoch freut man sich meist, wenn man die eleganten Blüten zwischen Schilf oder an einer Hafenmauer entdeckt. Aber aufgepasst, in den letzten Jahren sind in Mitteleuropa vermehrt fremdländische Helmkraut-Arten aufgetaucht, die unserem Sumpf-Helmkraut nicht unähnlich sehen. Ein genaues Hinschauen lohnt sich bei der Art also auf jeden Fall!

Das Sumpf-Helmkraut Scutellaria galericulata L. Verbreitungskarte
Grau: Fläche wurde im Atlas von Welten und Sutter erwähnt oder in früheren Fortschritten publiziert; Grün: Wiederbestätigte Fläche; Violett: Neue Fortschritte-Fläche. © info flora

Der Sumpf-Knöterich Polygonum amphibium L.

Der Sumpf-Knöterich Polygonum amphibium L.
Der Sumpf-Knöterich Polygonum amphibium L. © info flora

Diese Knöterich-Art ist bestens ans Leben am Ufer angepasst. Ist der Wasserstand hoch, bildet sie eine Wasserform aus, welche alle Anpassungen an die nasse Welt mit sich bringt. Die Spaltöffnungen für den Gasaustausch liegen auf der Blattoberseite der breiten Schwimmblätter, die langen Stängel sind mit breiten Luftkanälen ausgestattet und die Wasserform soll sogar mehr antibiotische Inhaltsstoffe als die entsprechende Form am Trockenen haben. Die Landform ist indes wenig blühfreudig und vermehrt sich meist vegetativ. In der Schweiz findet sich die Art fast überall in den tieferen Lagen – im Gebirge fehlt sie meist. Ob es ein Effekt des Klimawandels ist, dass die Art immer häufiger auch im Gebirge entdeckt wird?

Verbreitungskarte Der Sumpf-Knöterich Polygonum amphibium L.
Grau: Fläche wurde im Atlas von Welten und Sutter erwähnt oder in früheren Fortschritten publiziert; Grün: Wiederbestätigte Fläche; Violett: Neue Fortschritte-Fläche © info flora

Sie möchten noch mehr Uferpflanzen mit ihren Fortschritten in den Verbreitungsgebieten kennenlernen? Dann sehen Sie sich den Originalartikel (S. 12) im info flora plus an!

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