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Der Fischotter ist zurück

Seit einigen Jahren ist klar: Der Fischotter ist zurück. Im letzten Jahrhundert wurde er als Schädling ausgerottet. Heute freuen sich auch die Fischer über seine Heimkehr.

Text von www.tierwelt.ch, gechrieben von Meret Signer

Wolf und Luchs haben es getan, der Bär zögert noch. Die einst ausgerotteten Raubtiere sind in die Schweiz zurückgekehrt – begleitet von hochkochenden Emotionen und vielen Streitereien. Jenseits der Schlagzeilen und der Polemik hat sich vor einigen Jahren aber noch ein weiterer einheimischer Karnivor aufgemacht, seinen einstigen Lebensraum zurückzuerobern: der Fischotter (Lutra lutra).
Seit gut zehn Jahren werden immer wieder Sichtungen an verschiedenen Gewässern gemeldet. 2009 gab es einen Nachweis vom Hinterrhein, 2014 einen von der Rhone bei Genf. 2015 tappte schliesslich ein Weibchen mit zwei Jungtieren an der Aare zwischen Thun und Bern in eine Kamerafalle. Es war der erste Fischotter-Nachwuchs seit der Ausrottung. Vor zwei Jahren liessen sich die zur Familie der Marder gehörenden Tiere auch im Engadin nieder. Seither gibt es von dort regelmässig Meldungen von jungen Fischottern.
Trotzdem: Die Nachweise erfolgten bisher nur sporadisch. Das mag vielleicht daran liegen, dass Fischotter einerseits sehr schwierig zu beobachten sind. Die eleganten Wassertiere führen ein heimliches Leben. Sie sind nachtaktiv und bewegen sich im Wasser äusserst behände und flink. Tagsüber schlafen sie in Verstecken in der Ufervegetation. «Am frühen Morgen, bevor sie in ihre Verstecke verschwinden, hat man Chancen, sie zu sehen», sagt Irene Weinberger, Fischotter-Spezialistin und Geschäftsführerin der Stiftung Pro Lutra, die sich für die Rückkehr des Fischotters in die Schweiz einsetzt.
Andererseits steht der Fischotter tatsächlich auch erst am Anfang ebendieser Rückkehr. Insgesamt seien wahrscheinlich etwa 10 bis 15 Otter in der Schweiz zu Hause oder zumindest einmal anwesend gewesen, erzählt Weinberger. Allerdings rechnet sie damit, dass sich der Fischotter mehr und mehr selber wieder ansiedeln wird. «Das Potenzial ist gross», sagt die Biologin. Sie ist sich aber nicht sicher, ob es wieder so werden wird wie am Ende des 19. Jahrhunderts. Damals kam der Fischotter noch flächendeckend an allen mittleren und grösseren Gewässern der Schweiz vor. Seit dem Mittelalter wurde er wegen seines durch sein Leben im Wasser besonders dichten Fells gejagt, doch mit der Verabschiedung des Artikels 22 im Bundesgesetz über die Fischerei 1889 setzte sein endgültiger Niedergang ein. Dieser Artikel besagte nämlich, dass «die Ausrottung von Fischottern (…) und anderen der Fischerei besonders schädlichen Tieren (…) möglichst zu begünstigen» sei.

Einwanderung aus Österreich

Damit setzte eine regelrechte Vernichtungskampagne ein, die bis in die 1940er-Jahre andauerte. Als er 1952 unter Schutz gestellt wurde, war es bereits zu spät. Die Population konnte sich nicht mehr erholen. 1989 wurde am Neuenburgersee der letzte Schweizer Fischotter gesehen. Seither galt er als ausgerottet.
Ein Jahr später glaubte das damalige Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft sogar, dass der Fischotter nie mehr zurückkommen würde. Die Schweiz sei «voraussichtlich auf Jahrzehnte hinaus zu lebensfeindlich». Zu diesem traurigen Schluss gelangte das Amt wegen den Polychlorierten Biphenylen (PCB), von denen viele Fachleute auch heute noch annehmen, dass sie dem Fischotter den Todesstoss versetzt hatten. PCB wurden vor Jahrzehnten häufig in der Industrie verwendet, dann aber aufgrund ihrer giftigen Wirkung verboten.
Dass PCB alleine Schuld am Aussterben der Fischotter waren, glaubt Irene Weinberger dagegen nicht. «Da waren sicher noch andere Umweltgifte im Spiel, in den Flüssen wurden Kraftwerke gebaut, es gab noch keine Kläranlagen und der Nährstoffeintrag in die Gewässer war hoch», sagt die Expertin. «Da kam alles zusammen.»
Der Fischotter, der das grösste Verbreitungsgebiet aller Otter hat, das von Nordafrika über Sibirien bis nach Fernost reicht, verschwand zu dieser Zeit aus ganz Mitteleuropa. In Österreichs Osten und Tschechien überlebte er jedoch an den naturnahen Karpfenteichen von Fischzuchten. Von dort breitet er sich nach Westen aus und hat nun die Schweiz erreicht. Aus Gründen, die noch nicht ganz verstanden sind, sei es mit dem österreichischen Bestand plötzlich steil bergauf gegangen, sagt Weinberger. Eine ähnliche Entwicklung könne es auch in der Schweiz geben.
Der anpassungsfähige Fischotter kann viele Lebensräume besiedeln. Das zeigte sich auch 2003, als sich zwei aus dem Tierpark Dählhölzli entwichene Otter an der Aare niederliessen – mitten in der Stadt Bern. Auch aus anderen europäischen Städten sind Vorkommen bekannt. Dennoch fühlen sich die Wassermarder in der Schweiz an naturbelassenen Gewässern wohler.
Obwohl sich die Tiere auch von Amphibien, anderen Kleintieren und manchmal sogar von Vögeln ernähren, ist ein gesunder Fischbestand Hauptvoraussetzung für ihre Anwesenheit. Ein durchschnittlicher Fischotter verputzt etwa ein Kilogramm Fisch am Tag, ein Weibchen mit Jungen braucht mehr. Für die territorialen Tiere ist es wichtig, den Fischbestand nicht zu übernutzen, da sie sich sonst ihre eigene Lebensgrundlage entziehen. «Wenn sich Fischotter längerfristig halten können, geht es einem Gewässer gut», sagt Weinberger.

Frühzeitig Lösungen finden

So stehen auch die Fischer dem Fischotter positiv gegenüber. Philipp Sicher, Geschäftsführer des Schweizerischen Fischerei-Verbands SFV, glaubt, dass seine Rückkehr in naher Zukunft an Schweizer Gewässern kaum ein Problem darstellt. «Es ist erfreulich, wenn ein Lebewesen seinen Platz wiederfindet. Das bedeutet auch, dass der Lebensraum grundsätzlich in Ordnung ist. Die Nahrungsgrundlage ist da, der Fischbestand gut.»
Sicher betont aber die Wichtigkeit, dass in der Anfangsphase über einen Managementplan diskutiert werden muss. Die emotionalen Wogen können sonst sehr schnell hochgehen. «Wenn alle Stellen zusammenarbeiten, findet man auch gute Lösungen zur Regulation.» Zum Beispiel für den Fall, dass der Frassdruck in einzelnen Zuflüssen zu den grossen Gewässern einmal zu hoch werden sollte. Diese sind oft wichtige Lebensräume und Laichgewässer für viele Fischarten, daher stark besiedelt und somit ein begehrtes Ziel für den Otter. Zum Schutz der Fischzuchten, im Nachbarland Österreich ein Hauptproblem, können ebenso geeignete Massnahmen ergriffen werden. Sicher glaubt aber nicht, dass der Fischotter in den Dichten, in denen er bei uns vorkommt, zum Problem wird. «Davon bin ich überzeugt», sagt er.
Und nicht nur Naturschützer und Fischer freuen sich über die Heimkehr dieses einst Totgesagten. «Die Bevölkerung ist begeistert», sagt Weinberger. «Der Fischotter ist schön, herzig, charismatisch. Er stösst auf sehr viel Sympathie.» Damit gelingt ihm, was Wolf, Bär und Luchs bisher nicht gelang: Alle sind für ihn.

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