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Borkenkäfer, Zwangsnutzung und Waldbrandgefahr

Bei extremer Trockenheit wachsen die Wälder schlechter und werden anfällig auf Schädlinge wie den Borkenkäfer. Wegen Waldbrandgefahr wurde im letzten Sommer ein Feuerverbot im Wald und in Waldesnähe ausgesprochen. Als langfristige Strategie bleibt vor allem die vorbeugende Verjüngung des Waldes mit weniger anfälligen Baumarten.

Text von Urs Kamm, Waldentwicklung und Ressourcen, Abteilung Wald, Amt für Landschaft und Natur (ALN). Erstveröffentlichung in der «Zürcher Umweltpraxis» vom Juli 2019

Wie sich die extreme Sommertrockenheit 2018 direkt auf den Wald und die Bäume auswirkte, war im letzten Sommer für aufmerksame Waldspaziergängerinnen und -spaziergänger gut sichtbar. Schon Ende Juli sah es mancherorts aus wie im Herbst – verfärbte Baumkronen und trockenes Laub am Boden (Foto oben). Jedoch werden nicht alle Baumarten gleichermassen von einer solchen Trockenheit beeinträchtigt. Bei den Laubbaumarten litt die im Zürcher Wald mit Abstand häufigste Baumart, die Buche, am stärksten und hatte braune Kronen, während benachbarte Eichen weiterhin ein grünes Blätterkleid trugen.

Vorzeitige Herbstfärbung und Blattabwurf als kluge Strategie

In ihrem langen Leben müssen Bäume mit hoher Wahrscheinlichkeit Phasen erhöhter Trockenheit überstehen und können diesen nicht durch Abwanderung ausweichen. Deshalb haben Bäume «Strategien» für den Umgang mit Wassermangel entwickelt. Um die Verdunstung und somit den Wasserverbrauch zu reduzieren, verschliessen sie als Erstes die Spaltöffnungen («Poren») der Blätter. Hält die Trockenheit länger an, verfärben sich die Blätter, denn Blattgrün sowie eingelagerte Nährstoffe werden aus ihnen abtransportiert, dann werden die Blätter frühzeitig abgeworfen. Sehr starke Trockenheit wie im Sommer 2018 führt neben vorzeitigen Blattabwürfen auch vereinzelt zum spontanen Abbrechen ganzer und noch grüner Äste. Ein bekanntes Phänomen, das sich Sommerbruch beziehungsweise Grünastabbruch nennt.

Erhöhte Waldbrandgefahr im August 2018

Eine weitere direkte Auswirkung der grossen Sommertrockenheit war die Waldbrandgefahr. So musste der Kanton Zürich kurz vor dem Nationalfeiertag vom 1. August nach wochenlanger Trockenheit und anhaltend hohen Temperaturen ein absolutes Feuerverbot in Wäldern und in Waldesnähe aussprechen. Im Abstand von 200 Metern zum Waldrand war es weder erlaubt zu grillieren noch Feuerwerk abzubrennen. Erst nach über 40 Tagen konnte dieses Verbot nach kräftigen Regenfällen wieder aufgehoben werden. Erfreulicherweise stiess die Massnahme bei der Bevölkerung auf grosses Verständnis und wurde weitgehend eingehalten. Die Präventionsmassnahmen haben sich bewährt: Es wurden im Kanton keine grösseren Brände registriert (Infotext rechts).

Borkenkäfer profitieren doppelt von der Trockenheit

Durch Trockenheit gestresste Bäume wachsen nicht nur schlechter, sie sind auch weniger widerstandsfähig und somit anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Ein bekanntes Beispiel für den engen Zusammenhang von Trockenheit, Wärme und Waldschäden sind die Borkenkäfer, allen voran der Buchdrucker an der häufigsten Nadelbaumart Fichte. Während eine vitale Fichte anbohrende Borkenkäfer durch Harzfluss abwehren kann, ist ein trockengestresster Baum den Käfern weniger gut gewachsen. Neben den reduzierten Abwehrmöglichkeiten des Baums ist auch die Anzahl der Borkenkäfer für die erfolgreiche Besiedelung eines Baums massgebend.

Frassspuren_Borkenkäfer
Wegen der charakteristischen Frasspuren wird der Borkenkäfer auch Buchdrucker genannt. © Petr Kapitola, CISTA

Die Populationen des Buchdruckers waren bereits 2017 relativ gross. Dann fegte Anfang Januar 2018 der seit Lothar stärkste Sturm in der Schweiz – der Wintersturm «Burglind» – über das Land und sorgte für reichlich vorhandenes Brutmaterial für den Borkenkäfer. Im Kanton Zürich betrug die Schadholzmenge rund 145000 Kubikmeter, wobei es sich bei drei Vierteln des Schadholzes um Fichten handelte (in einem normalen Jahr werden zwischen 400 000 und 500 000 Kubikmeter Holz geschlagen). So waren die Vermehrungsmöglichkeiten für die Borkenkäfer bereits Anfang 2018 beinahe ideal. Der markante Temperaturanstieg im Frühjahr und die folgende Sommertrockenheit waren folglich die Ursache dafür, dass viel mehr Bäume durch den Käfer befallen wurden und vorzeitig als «Käferholz» geschlagen werden mussten. Die Käfer profitieren auch direkt vom warmen trockenen Klima, da die Entwicklungsgeschwindigkeit der Larven temperaturabhängig ist. So konnten 2018 drei Borkenkäfergenerationen heranwachsen, während im «Normalfall» nur zwei Generationen pro Saison möglich sind.

Bekämpfungsmassnahmen durch Pauschalbeiträge ergänzt

Kantonsweit wurden 2018 im Vergleich zum Vorjahr gut doppelt so viele Befallsherde gezählt. Die Anzahl der gefundenen Käfernester war 2018 fast so hoch wie im Extremjahr 2003, wobei die Werte von 2003 regional deutlich übertroffen wurden. Als Präventions- und Bekämpfungsmassnahmen wurden Fichtenstämme geschält, gehackt oder auf Zwischenlager ausserhalb des Walds transportiert. Die Abteilung Wald unterstützte die Förster und Waldeigentümer mit Pauschalbeiträgen, welche zumindest einen Teil der «käferbedingten» Mehrkosten decken konnten.

Waldbrandgefahr
August 2018: Die Feuerwehr brauchte Stunden, um die 2000 Quadratmeter grosse Brandfläche am Osthang des Uetlibergs zu löschen. © Schutz & Rettung Zürich

Was kann man aus vergangenen Trockenperioden lernen?

Wie wirken sich ein solcher Trockensommer sowie allfällige weitere künftige Trockensommer langfristig auf den Wald aus? Im Umgang mit langlebigen Ökosystemen wie dem Wald ist man geneigt, auf Erfahrungswissen aus der Vergangenheit zurückzugreifen. Dennoch ist fraglich, ob dies im Zusammenhang mit der Trockenheit für den Wald sinnvoll ist, ob also vergangene Ereignisse auf die heutigen und zukünftigen Verhältnisse übertragbar sind.

Dazu folgendes Beispiel: In den Jahren 1945 bis 1953 wurden innert neun Jahren sechs der heiss-trockensten Sommer seit Messbeginn verzeichnet. In der damaligen Diskussion wurde vor einer drohenden Versteppung des Mittellandes gewarnt. Neben Borkenkäfermassenvermehrungen blieben jedoch weitere markante Schäden am Wald aus. Heute weiss man aufgrund langjähriger Messreihen (seit 1984), dass sich die Verhältnisse geändert haben und weiter zunehmend verändern. So schreitet die Bodenversauerung in den Wäldern fort. Zudem verschlechtern hohe Stickstoffeinträge die Versorgung mit den übrigen Nährstoffen für die Bäume und wirken sich negativ auf die Mykorrhizapilze im Boden aus. Der Rückgang dieser Pilze verschlechtert wiederum die Wasser- und Nährstoffaufnahme der Bäume. Folglich könnten mehrere Trockenjahre in Folge heute für die Bäume schädlicher sein als noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Werden sich die geschwächten Bäume 2019 erholen?

Zwar bedeuten trockene Blätter oder blattlose Baumkronen an Laubbäumen im Sommer (noch lange) nicht, dass die betroffenen Bäume gestorben sind. Da Bäume ohne Blätter jedoch keine Photosynthese betreiben können, dürften die betroffenen Bäume im Jahr 2018 deutlich weniger stark gewachsen sein als üblich. Trotzdem können sie sich bei guter Wasserversorgung 2019 wahrscheinlich zum Grossteil wieder erholen. Über die Regenerationsfähigkeit nach Trockenstress ist noch wenig bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass wenig trockenheitstolerante Waldbäume nach weiteren vergleichbaren Trockensommern wie 2018 absterben können.

Kann der Wald auf vermehrte Trockenheit vorbereitet werden?

Der Auftrag von Artikel 28a des Waldgesetzes vom 1. Januar 2017 ist unmissverständlich: «Der Bund und die Kantone ergreifen Massnahmen, welche den Wald darin unterstützen, seine Funktionen auch unter veränderten Klimabedingungen nachhaltig erfüllen zu können». Da Klimaexperten vermuten, dass Trockensommer wie 2018 in Zukunft immer öfter vorkommen, zählt auch eine Vorbereitung des Waldes auf gehäufte Trockenheit dazu. Da Baumarten wie bereits beschrieben unterschiedlich gut mit Trockenheit und Hitze umgehen können, ist dazu lokal ein Baumartenwechsel erstrebenswert. Dieser hat im Kanton Zürich bereits vor Jahrzehnten begonnen. Der Fichtenanteil am Zürcher Wald hat durch die beiden Jahrhundertstürme «Vivian» 1990 und «Lothar» 2000 und durch die nachfolgenden Borkenkäfermassenvermehrungen merklich abgenommen. Zudem werden seit Jahrzehnten kaum mehr Fichtenreinbestände begründet.

Naturnaher Waldbau macht Zürcher Wälder fit für die Zukunft

Baumarten wie die Eiche und Eibe werden mit Beiträgen des Kantons aktiv gefördert. Diese ökologisch sehr interesSanten Baumarten erweisen sich auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel als geeignet. Auch ansonsten werden die Voraussetzungen des Zürcher Walds für die Anpassung an die Klimazukunft als gut eingeschätzt. Er wird seit Jahrzehnten nach den Prinzipien des «naturnahen Waldbaus» bewirtschaftet. Eine dem Standort angepasste Baumverjüngung, die aktive Förderung der Baumartenvielfalt und eine möglichst bodenschonende Holzernte sind gelebte Praxis. So betont auch die Strategie der Abteilung Wald aus dem Jahr 2009 ein Weiterverfolgen der bewährten Waldbaupraxis, welche durch eine breite Baumartenpalette und vielfältige Waldstrukturen das Risiko minimieren will. Von einem grossflächigen, künstlichen Einbringen trockenheitstoleranter Baumarten wird jedoch abgeraten, da dies in Zukunft Klumpenrisiken darstellen würde, zum Beispiel durch gewisse Krankheiten.

CartoonTrockenheit
Über die Anpassungsfähigkeit der Wälder an künftige Veränderungen kann man nur spekulieren. © Nebelspalter, 1989

Die Wahl der richtigen Baumarten wird entscheidend sein

Es wird keinesfalls genügen, einfach am Altbewährten festzuhalten. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) untersucht deshalb im Projekt «Testpflanzungen zukunftsfähiger Baumarten» in grossem Massstab, welche Auswahl an Baumarten für künftige, wärmere Sommer vielversprechend sind. Vorgesehen ist eine Beobachtungsdauer von 30 bis 50 Jahren, in der wichtige Fragestellungen zur Anpassung des Waldes an das zukünftige Klima untersucht werden sollen. Darüber hinaus führen zahlreiche innovative Förster sowohl mit heimischen als auch mit sogenannten Gastbaumarten kleinflächige «Experimente» durch. Diese sind aus mehreren Gründen sehr wertvoll. Einerseits können so direkt Erfahrungen gesammelt und unter Forstleuten geteilt werden. Andererseits können sich die eingebrachten Bäume bereits ab heute auf ihren Standorten bewähren und in Zukunft dort Waldfunktionen übernehmen.

Auch die Rehe und Hirsche mischen mit

Unter dem Aspekt des prognostizierten Klimawandels ist es zudem wichtig, den Einfluss des Schalenwilds auf die Waldverjüngung genügend zu beachten. Von einem möglichen Verbiss betroffen sind viele Baumarten, die für eine Anpassung des Walds an die Klimaveränderung wichtig sind, zum Beispiel Tanne, Eibe, Eiche und weitere Edellaubhölzer. Wo sie – trotz Standorteignung – ohne Schutzmassnahmen wie Zäune oder Einzelschutz nicht aufwachsen können, sind entsprechende Massnahmen zu ergreifen.

1 Kommentar

  1. ,,,auch dies haben wir in den 70er – und 80er – Jahren schon gemacht ! Nämlich andere Baumarten gepflanzt , Douglasien, Riesenlebensbäume, Küstentannen, und alle gängigen Laubbaumarten . Speziel wurde auf den Boden usw. Rücksicht genommen. z.B. ,die Eschen auf nasse Standorte – und jetzt – stirbt sie in allen Altersstufen ! Nach meiner Ansicht – sind die Experimente für nichts – das Klima verändert sich schnell. Mit aller Kraft nichts mehr kaputt machen – und Sorge tragen ! Weder Gift – noch anderes – in unsere Böden und unsere Luft lassen !

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