Am 23. Mai ist der internationale Tag der Biodiversität. Analysen der IUCN zeigen, dass sich die Welt in einer Artenkrise befindet und sich das Artensterben laufend verschlimmert. In der Schweiz steht es um die biologische Vielfalt noch schlechter als in vielen anderen Ländern. Unser Land muss dieses Problem endlich verstärkt angehen.
Bis zu einer Million Arten sind weltweit vom Aussterben bedroht, zeigte die globale Bestandsaufnahme des internationalen Biodiversitätsrates IPBES bereits im Jahr 2019. Eine neuere Analyse der IUCN von 2023 deutet sogar darauf hin, dass die Zahl bedrohter Arten doppelt so hoch sein dürfte: Zwei Millionen Arten weltweit sind gemäss aktuellem Kenntnisstand bedroht. Das sind 19 % aller Arten unserer Erde. In der Schweiz ist dieser Anteil noch höher: 35 % aller untersuchten Arten stehen in der Schweiz auf der Roten Liste, d. h. sie sind gefährdet, berichtet BirdLife Schweiz in einer Medienmitteilung.
Diese Zahlen zeigen, dass weltweit eine Biodiversitätskrise heranzieht – und dass diese Biodiversitätskrise in der Schweiz noch akuter ist als global gesehen. Auch andere Vergleiche zwischen der Schweiz und dem Ausland zeigen, dass es um die Biodiversität hierzulande noch schlechter steht als anderswo. Ein ganz wesentlicher Grund hierfür ist der Mangel an Flächen, auf denen ökologisch wertvolle Lebensräume mit entsprechenden Massnahmen erhalten, gefördert und gepflegt werden.
EU hat umfangreiche Schutzgebiete ausgeschieden
Auch in den umliegenden EU-Staaten steht es um die Biodiversität nicht gut. So schlecht wie in der Schweiz ist die Situation aber nicht. Die EU hat sich bereits am 21. Mai 1992 die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gegeben, um ein wirksames Netzwerk von Schutzgebieten mit der Bezeichnung „Natura 2000“ aufzubauen. Seither wurden in allen Ländern der EU umfangreiche Schutzgebiete ausgeschieden. Jeweils einen Tag vor dem internationalen Tag der Biodiversität, also am 21. Mai, feiert die EU den Tag des Natura 2000-Netzwerks. In den Natura 2000-Schutzgebieten kann weiterhin eine wirtschaftliche Nutzung stattfinden, oftmals sogar eine recht intensive wirtschaftliche Nutzung. Diese muss jedoch auf die Biodiversität abgestimmt sein. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, die Biodiversität in den entsprechenden Gebieten langfristig zu erhalten. Wenn sie diese Verpflichtung nicht einhalten, drohen empfindliche Bussen.
Was die EU mit «Natura 2000» umsetzt, müssten andere Länder Europas mit dem Netzwerk Smaragd machen. Das Ziel ist dasselbe: Europaweit seltene und gefährdete Lebensräume und Arten sollen geschützt werden. Auch die Schweiz hatte sich vor 45 Jahren dazu verpflichtet, ihr Smaragdnetzwerk aufzubauen und die Biodiversität so zu erhalten. Allerdings hat sie seither wenig getan, um dieser Verpflichtung nachzukommen.
Grosser Handlungsbedarf auch in der Schweiz
Dabei gäbe es auch in der Schweiz ein grosses Potenzial, den Schutz der Biodiversität mit angepasster Nutzung synergistisch zu verbinden. Zahlreiche lokale und regionale Positivbeispiele, oftmals durch private Initiativen oder Projekte von NGOs entstanden, zeigen dieses Potenzial auf. BirdLife Schweiz ist zum Beispiel an Projekten in Langenbruck BL, im Grossen Moos BE oder in der Bündner Herrschaft GR beteiligt. In diesen Gebieten lassen sich Holznutzung oder landwirtschaftliche Produktion einerseits mit dem Schutz der Biodiversität andererseits im Rahmen der Projekte immer besser miteinander verbinden. Für Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz, ist daher klar: «Lösungen für die Biodiversitätskrise sind möglich, wenn wir als uns Gesellschaft ernsthaft für solche Lösungen engagieren.»
Und Lösungen für die Biodiversitätskrise weltweit, aber ganz besonders auch in der Schweiz sind dringend. Denn die zitierten 2 Millionen gefährdeten Arten fügen sich zu Artengemeinschaften und Ökosystemen zusammen, die für die Menschen dringend notwendige Ökosystemleistungen erbringen, wie z. B. den Schutz vor Erosion oder die Bestäubung von Pflanzen. Nur mit dieser Vielfalt und dank diesen Ökosystemleistungen sind unser physisches und mentales Wohlbefinden, unsere Sicherheit und unser Wohlstand langfristig gesichert. Schutz und Nutzen können und müssen miteinander kombiniert werden um langfristig die Artenvielfalt zu erhalten. Dies ist unter anderem das Ziel der Biodiversitätsinitiative die am 22. September in der Schweiz zur Abstimmung kommt.