Jedes Jahr werden zigtausende Nistplätze, Brutstätten und Tagesverstecke zunehmend bedrohter «Gebäude bewohnender Tierarten» vernichtet. Gerade bei Hausumbauten, Dachsanierungen und bei gesetzlich geforderten Neubaustandards zur Energieeinsparung wird oft die Natur um und am Gebäude vergessen. Die Stiftung Pro Artenvielfalt wirkt dem entgegen, in dem sie Artenschutztürme errichtet, die bis zu 30 Tierarten Schutz- und Nistmöglichkeiten bieten.
Text von «Stiftung Pro Artenvielfalt»
Viele unserer heimischen Brutvögel sind Kulturfolger. Das bedeutet, dass sie sich über die Jahrhunderte an die vom Menschen veränderte Landschaft angepasst haben und in Gemeinschaft mit uns leben. Das Gleiche gilt auch für zahlreiche andere Wildtierarten, wie z.B. Fledermäuse, Igel, Eidechsen, usw., die menschengemachten Strukturen oft als Haupt- oder Ersatzlebensraum nutzen. Diese Tatsache vergisst der «moderne» Mensch zunehmend und plant beim Wohnungsbau und der Gartengestaltung unsere Mitlebewesen häufig nicht mit ein.
Neubauten oder sanierte Gebäude mit perfekt gedämmten Hauswänden, versiegelten Spalten und Fugen sind gutgemeinte Ansätze, um Ressourcen zu sparen. Diese Massnahmen sind aber häufig davon getrieben, dass man Geld für Heiz- und Stromkosten sparen will. Klimaschutz wird als universelles Argument vorgeschoben und der Artenschutz wird vernachlässigt. Denn diese Gebäude bieten Wildtieren meist keinen Unterschlupf oder eine Nistmöglichkeit an. Mit solchen Baumassnahmen verschwinden kontinuierlich Brutplätze und Lebensräume, die über Generationen entstanden sind und traditionell von den Wildtieren genutzt wurden. Für Vogelarten wie Mauersegler oder Mehlschwalbe sind geeignete Ersatzplätze schwierig – oft gar nicht – zu finden. Als Folge wird es in unseren Ortschaften und Siedlungen immer stiller und artenarmer.
Trafotürme werden zu Schutzgebäuden
Mit dem im Jahr 2016 begonnenen Artenschutzgebäude-Projekt möchte die Stiftung Pro Artenvielfalt diesem fatalen Trend entgegenwirken und unseren tierischen Mitbewohnern artgerechte Nischen, Höhlen und Brutplätze anbieten. Diese aus der eigentlichen Nutzung gefallenen Trafotürme sind je nach Standort und Umfeld gut dafür geeignet: Statt diese alten Gebäude abzureissen, konnten sie bereits sechs Türme erwerben oder durch ein langfristiges Baurecht für ihre neue Funktion als Artenschutzgebäude sichern. Nistkästen für diverse Vogelarten wurden in die Fassade integriert. Direkt im Mauerwerk sitzend sind sie vor Kälte-, Hitze und Feuchtigkeit geschützt und ein konstantes Mikroklima verbessert den «Wohnkomfort» und kann helfen, den Bruterfolg zu erhöhen. Fledermaus-Spaltenquartiere wurden so installiert, dass sie möglichst wenig Kunstlicht ausgesetzt sind. Weiter werden Lüftungsziegel in die Dächer eingebaut, so haben Fledermäuse Einschlupfmöglichkeiten in den Dachstuhl und können diesen als Wochenstube nutzen.
Auch die unteren Etagen der Türme finden Verwendung, ehemalige Lüftungskanäle wurden zu Eingängen, die in katzen- und mardersicheren Igelboxen münden, umfunktioniert. Wo möglich und nötig, wird auch die direkte Umgebung des Turmes mit kleinen Strukturen, Sand- und Steinenlinsen, Holzriegeln, einheimischen Blütenpflanzen und Sträuchern ökologisch sinnvoll aufgewertet. Auch viele Arten aus der Gruppe der im Boden nistenden Wildbienen finden auf den Parzellen der «Rettungsinseln» ihren Lebensraum.
Weitere Artenschutztürme stehen in Aussicht
Am 6. Juni konnten der jüngste Artenschutzturm in Hardern/Lyss (BE) feierlich eingeweiht werde. Die ersten tierischen «Zuzügler» hatten sich zu diesem Anlass bereits eingenistet und konnten aus störungsfreier Distanz bei der Fütterung ihrer Jungen beobachtet werden. Das frisch umgebaute Gebäude enthält Förderstrukturen für Mauersegler, Mehlschwalben, Hausrotschwänze, Bachstelzen, Schleiereulen, Spatzen- und Meisenarten, sowie Fledermäuse und Igel. Zudem wurde ein Trockenbiotop errichtet.




Beflügelt vom funktionierenden Konzept steht nun schon ein weiterer Turm in Aussicht, es lohnt sich das Artenschutzturm-Projekt für bedrohte Wildtierarten im Siedlungsraum zu verfolgen.
Dazu können Sie die Website der Stiftung Pro Artenvielfalt besuchen oder die kostenlosen Artenschutznachrichten abonnieren. Hinweise auf weitere Türme nimmt die Stiftung Pro Artenvielfalt gerne entgegen, vielleicht befinden sich auch in Ihrer Gemeinde solche erhaltenswerten Relikte aus der Zeit, als die Elektrizität in unseren Wohnquartiere Einzug hielt.