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Zürcher Dachgrün für Ökologie, Klima und Wirtschaftlichkeit

Auf den Dächern der Stadt Zürich liegt grosses Potenzial. Begrünte Dachflächen geben der Natur im Siedlungsraum eine neue Chance. Sie haben einen hitzemindernden Effekt, und ihr Einsatz ist auch wirtschaftlich interessant. Tipps für Planung, Umsetzung und Pflege.

Text von Ilona Sutter und Bettina Tschander, Fachbereich Naturschutz, Grün Stadt Zürich. Artikel aus der «Zürcher Umweltpraxis (ZUP, Ausgabe Nr. 97)»

Hochwertige Dachbegrünungen sind ökologisch und stadtklimatisch sinnvoll. Sie halten Regenwasser zurück und befeuchten und kühlen die Luft. Dadurch wirken sie regulierend und gleichen Temperaturextreme aus. Neben dem positiven Effekt auf das Mikroklima binden sie Staub und können Schadstoffe filtern. Die Schalleinwirkungen werden gedämpft, und Ersatzlebensraum für Tiere und Pflanzen wird geschaffen.

Das Grün auf dem Dach schützt und nützt

Dachbegrünungen wirken auch bauphysikalisch und ökonomisch positiv. Sie schützen die Dachhaut vor hohen Temperaturschwankungen und der Einwirkung von UV-Strahlung. Der Energieverbrauch des Gebäudes wird reduziert, und durch Reduktion von Wärmeverlusten im Winter und von Überhitzung im Sommer werden Betriebskosten eingespart. Ebenso kann ein Imagegewinn für Eigentümerinnen und Nutzer entstehen, da nachhaltiges und verantwortliches Handeln sichtbar wird.

Mit der baulichen Verdichtung steigt die Gebäudenutzfläche. Der Grün- und Freiraum wird knapper und nimmt gleichzeitig an Bedeutung zu. Intensive Dachbegrünungen, beispielsweise in Form von Dachgärten, sind eine Ergänzung zum Freiraum am Boden und werten das Stadtbild auf.

Dachgarten
Gut gestaltete Dachflächen können sowohl begrünt als auch genutzt werden und ergänzen als Dachgärten den knapper werdenden Freiraum (Kalkbreite). © Grün Stadt Zürich

Ökologisch wertvolle Dachbegrünung

Für eine ökologisch wertvolle Begrünung macht die Stadt Zürich verschiedene Auflagen. Vorgeschrieben ist Qualitätssubstrat mit genügender Wasserspeicherfähigkeit (mind. 45 Liter pro Quadratmeter) und einer Schichtdicke von 10 Zentimeter im gesetzten Zustand. Zudem muss ein Substrathügel von mindestens 3 Meter Durchmesser und mindestens 20 Zentimeter Höhe pro 100 Quadratmeter oder pro rund zehn Prozent der begrünten Fläche aufgeschüttet werden.

Kleinstrukturen wie Totholz, Sand und Steine ermöglichen Lebensräume für bestimmte Tiergruppen. Zur Begrünung kommt einheimisches Qualitätssaatgut für Dachbegrünung mit Schweizer Ökotypen zum Einsatz.

Gruendach mit Kleinstrukturen und oekologischer Begruenung
Das ideale Gründach: Solaranlage, Kleinstrukturen und ökologische Begrünung werden kombiniert (Greencity). © Grün Stadt Zürich

Solargründach – wirtschaftlich und ökologisch ein Gewinn

Gemäss Artikel 11 der Bau- und Zonenordnung (BZO) müssen seit 2015 Solaranlagen und Dachbegrünung kombiniert werden. Dies bedeutet, dass sie nicht räumlich getrennt, sondern übereinander angeordnet werden. Der Wirkungsgrad von Solaranlagen erhöht sich durch den Kühleffekt der Dachbegrünung um bis zu fünf Prozent. Umgekehrt profitiert die Vegetation von der aufgeständerten Anlage, da sie für zusätzliche Nischen durch Beschattung sorgt.

Eine fachgerechte Pflege der Vegetation ist wichtig, um den positiven Effekt dieser Kombination zu erhalten. Dabei hilft die Checkliste Dachbegrünungen und Solaranlagen der Stadt Zürich.

Kombination Solaranlagen und Dachbegruenung
Kombination von Solaranlagen und Dachbegrünung (ewz-Unterwerk Oerlikon). © ewz

Wie gut sind die Zürcher Flachdachbegrünungen?

Zwischen 2005 und 2015 liess Grün Stadt Zürich die Qualität der Begrünung von Flachdächern in der Stadt Zürich untersuchen. Es zeigte sich, dass begrünte Flachdächer relevante Lebensräume sind. 40 Prozent der in Zürich vorkommenden Pflanzenartenwachsen auch auf Dächern. Das durchschnittliche begrünte Dach ist mit 33 Arten fast so artenreich wie vergleichbare ruderale Standorte am Boden.

Es hat sich auch gezeigt, dass der Lebensraum Dach eine relevante Fläche einnimmt. Mit 511 Hektar entspricht diese in etwa der Fläche aller geschützten und inventarisierten kommunalen Naturschutzobjekte auf Stadtgebiet. Leider sind aber auch heute noch gut 60 Prozent dieser Fläche nicht begrünt, vor allem weil es sich um ältere Gebäude mit Kiesflachdächern handelt. Auch unter den begrünten Gebäuden ist nur die Hälfte gut mit hohem Deckungsgrad begrünt, die andere weist nur eine Vegetationsdeckung von 25 bis maximal 50 Prozent auf. Die mangelhafte Qualität ist eine vertane Chance. Sie lässt sich auf verschiedene Gründe zurückführen.

Praxistipps für die Umsetzung

Anhand der durchgeführten Untersuchungen (Zusatzinfo im grünen Kasten) lassen sich folgende Erkenntnisse für die Praxis ableiten: Von Bedeutung sind das verwendete Substrat, die Ansaat, Strukturelemente zur Förderung verschiedener Tierarten und die Möglichkeit, bestehende Begrünungen aufzubessern. Konkrete Tipps bietet auch die bereits erwähnte Checkliste.

Erfolgskontrolle extensive Dachbegrünung in Zürich

    Zwischen 2005 und 2015 liess Grün Stadt Zürich die Qualität der Begrünung von Flachdächern in der Stadt Zürich im Sinne einer Erfolgskontrolle untersuchen. Daten zu 141 Flachdachbegrünungen kamen so über die Jahre zusammen. Die darauf basierende umfangreiche Studie beschreibt und bewertet die untersuchten Dachbegrünungen umfassend und gibt Hinweise für die Praxis. Anhand dieser Untersuchungen kann der hohe ökologische Wert und das grosse Potenzial von Flachdachbegrünungen in der Stadt Zürich eingeschätzt werden. Die in diesem Artikel aufgeführten Praxistipps und Empfehlungen resultieren unter anderem aus dieser Studie.

Download des Berichts: Extensive Flachdachbegrünungen in der Stadt Zürich

Gutes Substrat ist Basis des Erfolgs

Die wichtigste Grundlage für eine Begrünung ist das Substrat. Es muss Wasser und Nährstoffe nicht nur speichern, sondern auch an die Wurzeln der Pflanzen abgeben können. Es darf keine pflanzenschädlichen Materialien enthalten und es muss genügend Halt bieten.

  • Mindestens 10 Zentimeter Substrat verwenden, besser sind 13 bis 15 Zentimeter (nach erfolgter Setzung). Unter Solaranlagen sind die Substratschichten anzupassen.
  • Substrate mit verschiedenen Korngrössen (Sand, Kies, mit feinkörnigen Anteilen) weisen in Kombination mit offenporigen Substratkomponenten (z. B. Blähton, Lava, Bims) eine gute Wasserkapazität auf.
  • Die Wasser- und Nährstoffrückhaltekapazität kann durch die Zugabe von organischen Anteilen zu rein mineralischen Substraten erhöht werden. Für Extensivbegrünungen sind rund 10 bis 15 Volumenprozent organischer Anteil zielführend.
  • Eine dünne Humusauflage ist bei Neuanlage einer Dachbegrünung mit Ansaat hilfreich für die Entwicklung der Pflanzen auf mineralischen Substraten.
Messung der Substrathoehe
Mindestens zehn Zentimeter (verdichtetes) Qualitätssubstrat. © Grün Stadt Zürich

Begrünung mit Ansaat ist vielfältiger

Dächer mit einer Vegetationstragschicht werden meist angesät. Allerdings wäre auch die Spontanbegrünung denkbar. Die Erfolgskontrolle zeigt, dass angesäte Dächer mehr Arten und auch einen höheren Deckungsgrad aufweisen. Ansaaten etablieren sich schneller und sind in ihrer Zusammensetzung ausgeglichener.

  • Die Pflanzen auf Dachbegrünungen sind extremen Bedingungen ausgesetzt. Die Saatgutmischung muss darauf abgestimmt sein.
  • Saatgut von regional angepassten Arten – zumindest aber Schweizer Ökotypen – ist dafür gut geeignet.
  • Der Zeitpunkt der Ansaat kann über den Erfolg entscheiden. Bester Zeitpunkt ist im Frühjahr (März bis Mitte Juni). Herbstsaaten sind zweite Wahl, manche überleben den Winter infolge Trockenheit oder Kälte nicht. Sommersaaten scheitern an zu wenig Wasser.
  • Unter Solaranlagen sollten niedrigwüchsige Saatmischungen verwendet werden.

Strukturelemente fördern die Fauna

Mit einfachen Mitteln lässt sich auf einem Dach die einheimische Insektenwelt fördern und so zusätzlich etwas für die Biodiversität tun.

  • Einsatz von ungewaschenem Sand: Mindestens 20 Zentimeter dicke Schüttung, besser mehr. Gut besonnt. Kann gut mit aufliegendem Holz kombiniert werden. Integration der Sandschüttung in Substraterhöhungen oft sinnvoll.
  • Totholz: Mindestens zweilagig. Durchmesser dicker als zehn Zentimeter. Hartholz bevorzugt, aber auch Fichte, Esche, Ahorn möglich. Anordnung wild oder gestaltet. Ideal: Kompakt mit kleinen Zwischenräumen. Kann gut auf Substrathügel gesetzt werden (Foto unten). Attraktiv sind Wurzelstöcke.
  • Bollensteine und Grobkies: zweilagig aufschichten. Flächig oder linear mit mindestens 50 Zentimeter Breite. Bei Problemen der Statik auch einlagig möglich.
Sand- und Steinhaufen auf Dachbegrünung
Sand- und Steinhaufen als Strukturen für spezifische Tiergruppen (Europaallee). © Grün Stadt Zürich

Bestehende Begrünungen kann man aufbessern

Entsprechen bereits bestehende Begrünungen nicht den Zielvorstellungen, lassen sich diese im Nachhinein verbessern.

  • Lückige Begrünungen können durch die Beimengung von Sand, mit Begrünungssubstraten oder beidem aufgebessert werden.
  • Substrat mit anderen Schüttmaterialien (Sand, Wandkies, Oberboden oder Unterboden) überschütten und neu ansäen.
  • Mit Speichermatten unter dem vorhandenen Substrat feuchtere Bereiche schaffen.
  • Nachsaaten, sofern der Bewuchs ungenügend, aber genügend Substrat vorhanden ist.
  • Verschiedene Wildstaudensetzlinge als Initialbegrünung pflanzen.
  • Wasserspeichernde Hügel gestalten.
  • Strukturelemente aufbringen.

Pflege – einfacher als gedacht

Die Vegetation auf dem Dach entwickelt sich und braucht mehrere Jahre, bis sie stabil ist. Die Dominanzverhältnisse zwischen den Arten verändern sich dabei. Das ist ein natürlicher Prozess. Sich spontan ansiedelnde Arten sind bis auf einige wenige erwünscht oder sogar wertvoll. Artenkenntnisse bei den Pflegeverantwortlichen sind hier gefragt. Ebenso sind Moose Teil von Dachbegrünungen und müssen nicht entfernt werden.

Eine extensive Dachbegrünung ist nicht pflegeintensiv, das Unterhaltspersonal muss jedoch gut auf die spezifische Pflege vorbereitet werden. Dabei gilt es – neben den technischen Kontrollen – vor allem invasive Neophyten, Problemunkräuter, verholzende Sämlinge und Pflanzen mit starkem Rhizomwachstum zu entfernen. Am besten werden diese Arbeiten im Mai gemacht, allenfalls ergänzt mit einem zweiten Durchgang im Herbst.

Empfehlungen für die Planung

Eine erfolgreich umgesetzte Dachbegrünung muss gut in den Bauprozess integriert sein. Dabei gilt es von der Planung über die Realisierung bis zur Pflege einiges zu beachten.

  • Einbezug der Begrünung ab Projektbeginn, bereits bei Machbarkeitsstudie.
  • Zuständigkeiten klar regeln. Es empfiehlt sich, die Gestaltung und Ausführung in den Zuständigkeitsbereich von Landschaftsarchitekten und Gartenbauunternehmen zu legen.
  • Potenzial und Rahmenbedingungen klären: statische Voraussetzungen, Kombination mit Solaranlage, erhöhte Anforderungen für den ökologischen Ausgleich, Retentionsansprüche, gestalterische Ansprüche, Einsehbarkeit, Haustechnik.
  • Gründachplanung in Gesamtplanung integrieren und den Gestaltungsspielraum nutzen.
  • Kalkulation allfälliger Mehrkosten, Integration in Kostenschätzung und -voranschlag. Eine spätere Aufnahme von Mehrkosten ist in der Regel sehr schwierig.
  • Klare Submissionsanforderungen formulieren.
  • Absprache Unterhaltskonzept mit Eigentümer und Nutzerinnen.
  • Pflege professionalisieren.

Kostenloses Beratungsangebot

Mit einem Beratungsangebot stellt Grün Stadt Zürich spezifische Informationen zur möglichen Qualitätssteigerung der Gründächer zuhanden der Bauherrschaft, der Architekten sowie der Planenden zur Verfügung. Bauherrschaften und Planende sollen sensibilisiert und motiviert werden, mehr als nur den Standard zu bauen, und bei allen Beteiligten soll das Bewusstsein für den Wert qualitativ gut begrünter Dächer geschärft werden. Diverse Checklisten sowie Pflanzenlisten und Bildmaterial werden zur Verfügung gestellt.

Der Fokus liegt auf grossen Dachflächen. Die Beratung kann über den ganzen Planungs- und Bauprozess bis hin zur Pflegeinstruktion beigezogen werden. Dieses Instrument hat sich sehr bewährt, um die ökologische Qualität zu verbessern. Das Angebot kann aber nur für ausgewählte Dächer angeboten werden. Viele Dächer im Regelbauverfahren können aus Ressourcengründen meist nicht berücksichtigt werden, machen aber insgesamt einen grossen Teil der Flachdachfläche aus.

Die Erfahrung zeigt, dass ergänzend zum Beratungsangebot Stichprobenkontrollen zur Umsetzung durchgeführt werden sollten.

Das Potenzial nutzen

Obwohl in Zürich die gesetzlichen Grundlagen für eine ökologisch wertvolle Dachbegrünung vorhanden sind, ist das Potenzial hinsichtlich Qualität und Quantität noch sehr gross.

Um die Dachbegrünung erfolgreich in eine blühende Zukunft zu bringen, braucht es ein Miteinander vorausschauender Planerinnen und Planer, praxisorientierter Profis und einer verlässlichen Behörde.

Was die Dachbegrünung bringt

  • Gebäudebegrünungen sind ein Gestaltungselement und können ein Puzzlestein für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung sein.
  • Hochwertige Dach- und Vertikalbegrünungen sind ökologisch und stadtklimatisch sinnvoll.
  • Die Kombination von Solaranlage und Dachbegrünung ist möglich und wird angestrebt.
  • In dicht bebauten Gebieten können Dachgärten das knapper werdende Freiraumangebot ergänzen.
  • Dach- und Vertikalbegrünungen sind neben bodengebundenen flächigen Grünelementen Bausteine für ökologisch wertvolle Flächen.
  • Begrünte Dächer steigern die Retention des Regenwassers und verbessern die Dämmung.

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